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Traditioneller Sonnenschutz. Das kleine Mädchen hat sich – wie viele Bewohnerinnen in Myanmar – mit Thanaka-Paste, gewonnen aus Baumrinde, eingerieben.

© Delimont/mauritius images

Myanmar: Das goldene Land im Fadenkreuz

Alte Kultur und neue Freiheit: Myanmar hat sich der Welt geöffnet und strahlt als Perle Asiens.

Wer als Weltraumreisender auf unsere Erde schaut, der dürfte nicht nur den blauen Planeten der Meere sehen, er müsste auf den Kontinenten auch eine Region entdecken, die bis ins All funkelt und blitzt wie ein Juwel Myanmar.

Liebhaber des Landes, das einst Birma (oder Burma) hieß, sagen, hier sei alles Gold, was glänzt! Und sie haben insofern Recht, als wohl nirgendwo sonst das kostbare Edelmetall so verschwenderisch ausgegossen wurde wie hier zwischen den südöstlichen Ausläufern des Himalaya und der langgestreckten Küste am Golf von Bengalen: auf dass Buddhas Heiligtümer bis ins Nirwana strahlen.

Am hellsten leuchtet natürlich die legendäre Shwedagon Pagode in Myanmars Metropole Yangon (früher: Rangun). Auf einem Hügel im nördlichen Teil der Fünf-Millionen-Stadt erhebt sich inmitten eines Kranzes von unzähligen goldenen Seitentempeln, Buddha-Statuen und Altären das Wahrzeichen: die knapp hundert Meter hohe Stupa der im Ursprung mehr als tausendjährigen Shwedagon.

Die turmähnliche Stupa ist das im Inneren für jedermann verschlossene Symbol der buddhistischen Lehre, halb Grabhügel, halb Himmelsleiter. Von einer mehreckigen Basis und über viele sich verjüngende Terrassen, über Lotusblüten- und Bananenknospenornamenten schwingt sie sich auf zu einer umgestülpten Glocke, gekrönt von einer nadelförmigen Spitze. Die Stupa der Shwedagon deckt dabei mehr Gold als die Bank von England im Tresor haben soll, dazu bekränzen die Spitze noch 5000 Diamanten, der größte ganz obenauf hat 76 Karat.

Pagoden, Klöster, Mönche in Myanmar

Die wahre Magie aber schafft das überwältigende Licht, vor allem wenn die auf- oder untergehende Sonne die Riesenpagode ins Rotgold taucht, das auch im Orange oder Purpur der Gewänder der allgegenwärtigen buddhistischen Mönche seinen irdischen Widerschein findet.

Das alte Birma gilt als spirituelles Zentrum des Buddhismus. Deswegen gibt es so unzählige Pagoden, Klöster und Mönche. Allein in der alten Königsstadt Bagan, 700 Kilometer nördlich von Yangon, wo vor tausend Jahren die Herrscher wetteiferten, immer tollere, größere Pagoden oder einzelne Stupas zu bauen, stehen heute noch über zweitausend Zeugnisse der Frömmigkeit und Macht. Eine Pagode mit einem Altar für Buddha zu stiften, verbessert das Karma und die Aussichten im künftigen Leben. Also werden bis heute immer neue Pagoden gebaut und mit Blattgold gedeckt – in einem Land, dessen Menschen noch zu den ärmsten Asiens zählen. Gleichzeitig ist Myanmar eines der an Bodenschätzen reichsten Länder.

Und damit beginnen die Widersprüche, die sich schon in der jüngeren Geschichte Myanmars gravierend äußern. Von 1962 bis 2011 herrschte fast 50 Jahre eine pseudokommunistische Militärjunta, deren Verbündete am Ende nur noch China und Nordkorea waren. Rangun war Anfang der 1960er Jahre, lange vor Bangkok oder Singapur, das wichtigste Luftdrehkreuz Südostasiens, das Pro-Kopf-Einkommen des Landes lag beim Doppelten Thailands. Als Erbe der Generäle beträgt es heute ein Zwanzigstel.

Zurück in die Weltgemeinschaft

Aufstände gegen die Diktatur, getragen vor allem von Mönchen und Studenten, wurden 1988 und zuletzt 2007 blutig niedergeschlagen. Als dann 2008 der Zyklon „Nargis“ das Delta des Ayeryawady-Stroms, der großen Wasserader des Landes, verwüstete und 130 000 Menschen tötete, verweigerten die Generäle zunächst jede ausländische Hilfe. Das war auch der Anfang vom Ende ihrer eigenen Herrschaft.

Im Herbst 2010 wurde die oppositionelle Friedennobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Yangon nach 15 Jahren aus dem Hausarrest entlassen, tausende politische Gefangene kamen frei, und seit 2011 versucht der frühere General und seitdem zivile Präsident Thein Sein Myanmar nach Jahrzehnten der Abschottung in die Weltgemeinschaft zurückzuführen. Letztes Jahr hielt US-Präsident Obama eine Rede über Freiheit und Demokratie in der Universität von Yangon, und in diesem Frühjahr folgte ihm Bundespräsident Joachim Gauck mit einer Rede über Bürgerrechte.

Zugleich kam Gauck zur Wiedereröffnung des Yangoner Goethe-Instituts, das fast 50 Jahre geschlossen war und deutsche Kultur künftig in einer noch zu restaurierenden Kolonialstil-Villa präsentieren soll. Das Haus hatte sich um 1920 ein chinesischer Teakholz-Tycoon erbaut, und der junge General Aung San, der Vater der jetzigen Freiheitsikone Aung San Suu Kyi, nutzte es am Ende des Zweiten Weltkriegs als Hauptquartier seiner gegen die britische Kolonialherrschaft gerichteten Unabhängigkeitsbewegung. Taxifahrer in Yangon finden die pittoreske Adresse in der Ko Min Ko Chin Road, etwas östlich der Shwedagon Pagode und nahe dem an tropisch heißen Tagen wegen seiner Gartenrestaurants und Spazierwege beliebten kleinen Kandawgyi-Sees.

Wo China Indien trifft

Fischer am Strand von Ngapali. Auch Touristen mögen die Sandmeile.
Fischer am Strand von Ngapali. Auch Touristen mögen die Sandmeile.

© vario-images

Gleich neben dem schönen Palmengarten der Villa war früher die Residenz der letzten birmesischen Königin Supayalat, die, mit ihrem Mann Thibaw 1885 von den Briten entmachtet und ins Exil nach Indien geschickt, später als Witwe nach Rangun zurückkehren durfte und hier 1925 starb. Heute steht an der Stelle ein modernes chinesisches Autohaus.

„Where China meets India“ heißt eines der lesenswertesten Bücher über Myanmar. Autor ist der birmesische Starintellektuelle Thant Myint-U, ein smarter, im englischen Cambridge erzogener Mann Ende Vierzig, Enkel des früheren UN-Generalsekretärs U Thant. Er beschreibt ein Land zwischen den nahen Großmächten Indien und China – und im Fadenkreuz west-östlicher Interessen. Myanmar, einst größter Teakholzlieferant der Welt, besitzt Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten und seltene Erden, darum wollen seit der Öffnung dort alle präsent sein.

Thant Myint-U weiß, dass zu den Schätzen des Landes auch die touristischen Attraktionen gehören, und er will die neue alte Identität der rund um das Kernland Birma aus 135 Ethnien zusammengesetzten Union of Myanmar auch nach außen sichtbar machen. Deswegen leitet er den Yangon Heritage Trust, der sich dem urbanen Denkmalschutz und der Bewahrung historischer Bausubstanz widmet. Yangon hat, anders als die meisten asiatischen Boom- und Betontowns, noch eine weitläufige Altstadt. Das heißt in dieser tropischen Region vor allem: viele farbenfrohe, zugleich von bröckliger Morbidezza gezeichnete ehemalige Verwaltungspaläste, Banken, Handelshäuser und fünf- bis sechsstöckige Wohnbauten im britisch-fernöstlichen Kolonialstil.

Supernette Hausdame für jeden Gast

Ein Hauch jener Zeit, die man so geballt sonst nur noch auf der anderen Seite des Bengalischen Golfs (und des Indischen Ozeans) in der früheren indischen Hauptstadt Kalkutta erleben kann. Freilich ist Yangon trotz des starken indischen Einflusses entspannter, weniger dicht bevölkert, und der Reisende begegnet keinen bedrückenden Slums. Andererseits wirkt selbst der Luxus eher diskret. Man sieht das in der edelsten Herberge der Stadt, im Strand Hotel am Hafen und Ufer des breiten Yangon Rivers, dem südlichen Ende der City.

Das Strand gehört zur Klasse des Oriental Hotels in Bangkok oder des Raffles in Singapore und wurde wie das Raffles 1901 von den Sarkie Brothers gebaut, einer aus Armenien stammenden legendären Hoteliersippe. Die Autoren Rudyard Kipling, George Orwell und Somerset Maugham waren hier zu Gast wie auch mal Chaplin oder Churchill. Das Strand hat nur zwei Stockwerke, die leisesten, sanftesten Klimaanlagen der Welt, jeder Gast bekommt eine supernette Hausdame als weiblichen Butler zugeteilt, die kleine Teakholzbar oder das unpompös elegante, korbstuhlbestückte Café und die blumengeschmückte Halle stehen auch Tagesbesuchern offen, selbst wenn sie nur ein Foto machen wollen. Die Übernachtungspreise, nominell um die 500 Dollar (rund 400 Euro) fürs Doppelzimmer, sind je nach Auslastung verhandelbar, außerdem funktioniert im Strand das Internet.

Bis zur Öffnung des Landes 2011/12 war das Internet fast unzugänglich, Kreditkarten wurden kaum akzeptiert, es gab viele praktische Beschränkungen. Inzwischen wackelt das Internet noch, internationale Handygespräche sind meist unmöglich, und man braucht nach wie vor druckfrische Dollar-Noten, kann aber vermehrt auch myanmarische Kyats an ATP-Maschinen per Karte ziehen. Es wird häufig und besser als sonst in Südostasien Englisch gesprochen, zudem sind Unterhaltungen mit den gegenüber Fremden überaus herzlichen Birmesen selbst über Politik oder Alltagssorgen wieder offen möglich. Bis vor zwei Jahren schaute man sich an öffentlichen Orten erstmal nach Spitzeln um. Und viele der Künstler, die wie Aye Ko im New Zero Art Space (www.newzeroartspace.com.mm) heute besuchenswerte Galerien oder Musikschulen in Yangon betreiben, saßen vor kurzem noch im Gefängnis.

Das Nationalmuseum ist ein Muss

Myanmar boomt auch touristisch, ist aber selbst in der trockenen, mittelheißen Hauptreisezeit zwischen November und März noch nicht überlaufen. Augenblicklich stagnieren die nach oben explodierten Immobilienpreise, das schlägt teilweise schon auf die hohen Hotelraten durch. Gute Doppelzimmer kosten fast immer über 100 Dollar pro Nacht, was fast dem Monatsgehalt eines myanmarischen Lehrers entspricht. Das Essen ist vergleichsweise erheblich billiger und ähnelt dem thailändischen, also viel Fisch, Gemüse, Curry und exotische Früchte, wobei es besser als in Hotelrestaurants in den einfachen Garküchen schmeckt.

Ein Tipp freilich für Yangon: das „House of Memories“ im Norden der Stadt. Eine Kolonialvilla im Tudor-Stil mit Restaurant, der geräucherte Auberginensalat ist eine Delikatesse, und wer im ersten Stock aufs WC geht, sollte das offene kleine Nebenzimmer besuchen. Auch hier war ein Büro des Freiheitshelden General Aung, authentisch belassen, mit Aungs originaler Schreibmaschine.

Ein Muss ist das Nationalmuseum. Ein moderner Bau mit muffigem postsozialistischen Charme, aber im Erdgeschoss steht der imposante hohe Goldthron des letzten Königspaars Thibaw und Supayalat aus der alten Hauptstadt Mandalay. Die schon erwähnte Königin hatte in Ehe und Herrschaft die Hosen an und ließ einen großen Teil ihrer Verwandtschaft sicherheitshalber in dicke Teppiche wickeln und darin totprügeln oder ersticken– weil offiziell kein königliches Blut vergossen werden durfte. In den Obergeschossen gibt es einen anschaulichen Rundgang durch die mit Figuren, Kostümen, Installationen nachgebildeten Alltagskulturen der 135 myanmarischen Völker. Wobei allerdings die noch anhaltenden blutigen Konflikte der buddhistisch-birmesischen Mehrheit vor allem mit Muslimen und der Gruppe der Shan an der chinesischen Grenze ausgespart werden.

„Road to Mandalay“

Beliebter Ort fürs Gebet: Die Shwedagon Pagode in Yangon.
Beliebter Ort fürs Gebet: Die Shwedagon Pagode in Yangon.

© imago

Higlights jeder Myanmar (Rund-)Reise sind natürlich die zweitausend Tempel von Bagan, die man auf kleinen Straßen und Sandwegen am besten per Miet-Fahrrad erkundet (Räder im Hotel, das schönste Quartier mit Pool und Park überm Ayeyarwady River ist das von Italienern mitbetriebene Bagan Thiripyitsaya Sanctuary Resort (siehe diverse Websites). Die beste Auswahl unter den in der offenen Landschaft verstreuten zahllosen Stätten liefert der im Juli gerade aktualisiert aufgelegte (englischsprachige) Lonely Planet-Führer von Myanmar.

Wie Bagan ist mit Propellermaschinen verschiedener myanmarischer Airlines (besser als ihr Ruf!) auch die frühere Königsstadt Mandalay erreichbar. Oder per Schiff auf der von Rudyard Kipling und später auch Frank Sinatra besungenen „Road to Mandalay“. Gemeint ist der Ayeyarwady River, wie der Ganges oder Mekong einer der großen Ströme Asiens. Mandalay ist nach Kriegszerstörungen weitgehend modern, auch der im Kampf mit den Japanern 1945 ausgebrannte weitläufige Königspalast ist nur eine, freilich perfekte, Kopie.

Sehenswert ist vor allem das völlig in Teakholz gebaute und original erhaltene Kloster Shwe In Bin Kyaung, eine Oase – und nahe des allgemein besuchten goldenen Riesen-Buddhas in der Mahamuni Pagode das Viertel der heutigen Buddha-Steinmetze. Man sieht in die offenen Werkstätten, und vom Betonstaub wirken Menschen, Tiere und Bäume wie surreal überpudert.

Ein Ort zum Chillen

Myanmar ist ein Kulturland. Aber es hat über tausend Kilometer Küste, doch praktisch nur zwei touristische Badeorte. Am leichtesten erreichbar in einer Stunde Propellerflug von Yangon aus ist Ngapali: trotz etlicher im Palmenwald diskret verborgener Resorts ein fast unberührter Sandstrand nahe einem winzigen Fischerdorf. Ich empfehle die Bungalows des kleinen Pleasant View Resorts (leicht zu googlen), ohne Pool, dafür hat man nur ein paar Schritte ins warme, seidige Meer und zu einer vorgelagerten kleinen Insel mit Restaurant – oder man isst nach einem Drink im Sonnenuntergang überm Bengalischen Golf einen von den Fischerfrauen gegrillten Barracuda gleich am Strand.

Ein Ort zum Chillen nach allen Buddhas und Pagoden, und Zeit für die ultimative Reiselektüre: George Orwells aus eigener Anschauung geschriebenen Kolonialroman „Tage in Burma“ und Amitav Ghoshs „Der Glaspalast“, eine Saga vom Ende des birmesischen Königreichs und des britischen Empires, voll blutiger Historie und blühender Romanzen.

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