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Sri Lanka

© dpa

Sri Lanka: Bei Buddha ist die Sonne pünktlich

Im Süden von Sri Lanka locken faszinierende Gipfel und herrliche Strände. Doch wegen der Unruhen im Norden bleiben viele Touristen weg

Vier Uhr früh. Ich hasse Stufen. 4800 davon sind es bis nach oben, sagt Sagul. Und 4800 wieder hinunter. Am Gipfel, dort, wo der Tempel ist, leuchtet ein bunter Lichterkranz. Das ist er, Adam’s Peak. Sri Lankas heiliger Berg, 2243 Meter hoch. Dort oben gibt es einen überdimensionalen Fußabdruck. Je nach Religion stammt er mal von Buddha, mal von Shiva, mal von Adam. Ein Ort des friedlichen Nebeneinanders in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Land. Für Gläubige ist der Aufstieg mindestens ein Mal im Leben ein Muss.

So weit weg – die fast senkrecht über uns klebende Lampen lassen ahnen, was noch kommen wird. Anderthalb Stunden sind wir jetzt schon unterwegs. Sagul ist 29 Jahre alt und kennt den Weg von Kindertagen an. In leichtem Polohemd und Mütze ist mein Begleiter angetreten. Obwohl eigentlich Saison ist, sind kaum Menschen auf diesem Pilgerpfad. Touristen meiden Sri Lanka seit geraumer Zeit wegen der Kämpfe zwischen der Regierung und den Tamilentigern (LTTE), den Rebellen im Norden des Landes. Das umstrittene Gebiet ist zwar relativ weit weg, aber die Auswirkungen spüren die Menschen auch hier. Es bleibt viel Zeit zum Nachdenken beim Aufstieg durch die Nacht.

Vielleicht 1000 Stufen habe ich hinter mir. Die Muskeln beginnen zu schmerzen, erste Zweifel kommen. Will ich wirklich da hinauf? Soll ich nicht einfach umkehren? Sagul wartet lächelnd. Er hat den Berg schon in anderthalb Stunden erklommen, andere Menschen brauchen meist die doppelte Zeit. Warum sind manche Stufen bloß so hoch? Wir schwitzen uns dem Ziel entgegen. Der Wind wird kühler. 70 Prozent geschafft, vermeldet Sagul. Um 6 Uhr 10 soll die Sonne aufgehen. Es wird schwindelerregend steil – und eng dazu. Ein kalter Wind pfeift. Um kurz vor sechs nehmen wir die letzten Stufen zum Gipfel, die metallenen Handläufe sind von Reif bedeckt. Wolkengebirge ziehen unter uns vorbei. Das Schwarz der Nacht weicht langsam dem zarten Blau und Grün des Tages. Vom Tempel her schnarren Schalmeien, Trommelschläge dringen ans Ohr.

Dann, endlich, zeigt sich die Sonne. Wie goldene Lava fließt ihr Licht über die Bergkuppe gegenüber. Zunächst als schmales, glühendes Band, kurz darauf jedoch schiebt sich ein gleißender Ball hinterher. Ein paar Minuten verharren wir noch, dann eilen wir die Stufen wieder hinunter. Wie fix das in dieser Richtung geht. Vorbei an Vorsichtigen, an Barfüßigen, an Alten, an Kindern, an Menschen in Daunenjacke, in Bademantel oder was sonst irgendwie Wärme verheißt. An einem Stand gibt’s heißen Tee für 25 Rupien (20 Cent) zum Aufwärmen, unterwegs das eine oder andere Schwätzchen mit den Händlern – Guide Sagul ist für die Menschen hier so etwas wie der Postillion. Die Verkäufer bleiben nämlich oft monatelang am Berg und Handys funktionieren hier nicht.

Anderthalb Stunden und atemberaubende Aussichten später schmeckt das Frühstück im Gästehaus im Tal so gut wie lange nicht. Zudem bietet das Slightly Chilled einen Blick auf den bezwungenen Berg. War ich wirklich dort oben?

Am anderen Morgen, sechs Uhr früh. Ich hasse Stufen. Vielleicht hätte ich doch erst einen Tag Pause am Naturwasserpool mit Blick in den Regenwald machen sollen. Schließlich hat das „Rainforest Edge“ am Sinharaja Regenwald die Ruhe zum Programm gemacht. Telefon, Handy, Fernsehen – all das gibt es in dem Resort nicht. Es gibt auch nur wenige Zimmer – alle mit großzügiger Veranda, Blick ins Grüne inklusive.

Derzeit ist es den Betreibern des Refugiums südlich von Colombo allerdings etwas zu ruhig. Das Personal musste reduziert werden, weil an manchen Tagen gar niemand den Weg in ihren Regenwald findet. Auch hier bleiben die Touristen wegen der Kämpfe im Norden weg. Die Urlauber sind verunsichert, die meisten Einheimischen möchten über die Hintergründe des Konflikts lieber nicht reden. Zu leicht gerät man in Colombo in Verdacht, man stehe der LTTE nahe ...

Ich befinde mich am Rand des letzten natürlichen Regenwaldes der Tropeninsel, bereit zur Dschungeltour. Bis zu Zehn-Stunden-Touren seien möglich, hatten die Organisatoren angekündigt. „Die meisten Touristen haben es allerdings eilig, sie wollen nicht viel gehen und müssen immer gleich zur nächsten Attraktion.“ Gunnaij zuckt resigniert die Achseln. Der schmale Mann ist einer von 17 Rangern im Sinharaja Regenwald. Nachmittags arbeitet er in diesem Jahr in seinem Garten, pflanzt Essbares an. „Mehr als eine Tour am Tag für jeden ist nicht drin“, sagt er. Das heißt, der Verdienst ist äußerst knapp. Rasch skizziert er auf dem Weg, wie weit Regierungssoldaten die LTTE-Rebellen schon eingekesselt haben sollen. Er hofft, dass das bald zu Ende ist. Wegen der Kämpfe blieben die Gäste aus – und nun komme auch noch die Wirtschaftskrise hinzu.

Das Terrain ist zunächst flach. Nach ein paar hundert Metern fragt er: „Wollen Sie auch in den primären Regenwald? Da, wo der Wald sich ganz selbst überlassen wird?“ Natürlich. Kaum ausgesprochen, folgt die Reue auf dem Fuß. Denn jetzt geht es einen dicht bewachsenen Hang hinauf. Immer im Zickzack, über Wurzeln und Steine. Rattan wächst hier. Gunnaij zeigt auf fleischfressende Pflanzen, die auch unter dem dichten, nahezu lichtlosen Blätterdach des Dschungels gedeihen. Immerhin ist es heute trocken – keine Gefahr also, dass sich ein Blutegel an den Füßen festsaugt. Eine kleine braune Echse huscht durchs Unterholz, faustgroße Schmetterlinge schwirren vorbei.

Später Nachmittag. Und wieder Stufen. Wir sind in diesem wunderschönen Hotel an den Klippen in Galle angekommen. „Das Check-in machen wir auf der Terrasse“, flötet der junge Mann. Gern. Ein riesiges Kunstwerk rankt sich um die großzügig geschwungene Freitreppe des Lichthofs. Tapfer - Stufe für Stufe – stapfe ich dem Jungen hinterher, oben belohnt mit einem grandiosen Blick aufs Meer. Jetzt bitte eine Massage, ganz gleich, was die hier kosten mag. Schade, schade, die Idee hatten heute schon zu viele andere, eine Festgesellschaft ist im Haus.

Die Nacht ist früh zu Ende. 6 Uhr 30 zeigt die Uhr. Heute muss ich nirgends hinauf, heute geht es aufs Wasser. Bereits kurz hinter dem Hafen von Mirissa buckelt das Boot mächtig auf den Wellen. Gar nicht weit draußen ist das Meer schon einen Kilometer tief, wir hoffen auf Wale. Nach einer Stunde sehen wir zwischen der Gischt eine kleine Fontäne aufspritzen! Ein Stachelrochen kreuzt, aber von Walen sieht man keine Spur. Nun ja, unser Boot schafft zehn Kilometer in der Stunde, ein Blauwal 60. Wir knattern etwas ziellos umher. Warten. Auf Wellenkrönchen starren. Warten.

Dann geht alles ganz schnell – und sieht aus wie im Kino. Vor dem Bug wälzt sich ein massiger Körper in die Höhe, zeigt seinen Buckel samt Rückenflosse und taucht wieder ab. „Ein Blauwal, der dürfte 15 Meter haben“, sagt Experte Anoma und rückt mit einem Buch an, in dem wir den Koloss noch einmal im Bild bewundern können. Dann sucht er wieder mit dem Fernglas den Horizont ab. Da färbt sich das Wasser rechts plötzlich heller, eine Fontäne, dann eine zweite. Und zwei massige Körper, die sich wieder und wieder aus dem Wasser heben, als wollten sie tanzen. Schließlich eine mächtige Schwanzflosse. „Jetzt ist Schluss, nun taucht der ganz tief ab, mindestens 20 Minuten“, erklärt Anoma und fügt hinzu: „Ihr habt Glück gehabt. Oft kriegen wir nur eine Flosse zu sehen.“

Es ist noch gar nicht so lange her, seit entdeckt wurde, dass man hier unten im Süden Wale beobachten kann. Früher war nur Trincomalee im Osten dafür berühmt. Jetzt, sagen sie, kann man dort oben nur mit der Kriegsmarine auf Tour gehen. Die See im Osten wird noch vom Militär kontrolliert, Frieden ist in der sogenannten befreiten Region noch nicht eingekehrt. Wohl zu Recht misstrauen die Menschen der oberflächlichen Ruhe, immer wieder gibt es dort Scharmützel oder Anschläge. Touristen sind bisher nicht zu Schaden gekommen. Doch wer dort hinfahren will, muss weiterhin an den Straßen mit vielen Kontrollstationen rechnen, die meist mit sehr jungen, in der Regel ausnehmend freundlichen Männern besetzt sind. Der Reisende sollte wissen, dass es praktisch nur eine Zufahrtstraße gibt. Ein Risiko bleibt.

Auch die Bahn fährt nach Trincomalee. 215 Rupien kostet die Tour von Galle aus, weniger als die Flasche Lion Bier im Hotel. Wer das Wagnis eingeht, wird freundlichen Menschen begegnen und etwas sehr Seltenes erleben dürfen: einem wunderbar breiten, weißen Sandstrand ohne jeden Beach Boy, ohne einen einzigen fliegenden Händler. Einfach das Handtuch ausbreiten und das Rauschen der Wellen genießen. Einsame Strandspaziergänge inklusive. Nichts als üppige Vegetation, man könnte fast vergessen, dass hier – vor gut vier Jahren erst – der Tsunami gewütet hat. Stumme Zeugen gibt es allerdings noch einige. Zwischen dem Grün wirkt manche Ruine fast verwunschen. Seit der Monsterwelle ist hier in Nilaveli nicht viel wieder aufgebaut worden. Man trifft allenfalls ein paar tamilische Familien am Strand, auch einige Singhalesen aus Colombo, bei denen Trincomalee für einen Wochenendausflug als Geheimtipp gilt.

Etwa 15 Kilometer sind es vom Hotel in den quirligen Ort Trinco, in dem hinduistische Tamilen, buddhistische Singhalesen und Muslime gemeinsam leben. Im imposanten Naturhafen schaukeln viele bunte Holzboote. Fotos mögen die hier allgegenwärtigen Soldaten allerdings nicht zulassen.

Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, auch hier an den weiten Strand ein Hotel am anderen zu bauen. Wenn der Konflikt auf der Insel eines Tages gelöst sein sollte, dürften Investoren Schlange stehen, zumal die Saison hier oben beginnt, wenn sie im Süden der Insel bereits zu Ende geht. Die Straßen werden auf jeden Fall schon in großem Stil repariert.

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