zum Hauptinhalt
Und tschüss. Mitarbeiter der Meyer Werft beobachten, wie die „Norwegian Breakaway“ den Hafen in Papenburg verlässt.

© dpa

Auf Sparkurs: Klar Schiff

Die Meyer Werft hat 35 Luxusliner gebaut. Neue sind jedoch nicht in Sicht.

Frage: Warum nur sieht man auf den Deichen im Norden der Republik so häufig Menschen mit einem Messer in der Hand? Antwort: Das sind Ostfriesen, die wollen auch gerne mal in See stechen. Ja, ein mehr oder weniger schlechter Witz, gewiss. Aber die Ostfriesen haben es nun mal mit der See – und in Papenburg, hart am ostfriesischen Landkreis Leer, liegt die Meyer Werft. Die Keimzelle vieler Schiffe, insbesondere von 35 Kreuzfahrtschiffen. Jüngst bei unserem Besuch stehen die Werftarbeiter mit Schraubenschlüssen in der Hand und blicken auf ihr neuestes Werk, während draußen Torfsoden gestochen und die Äcker gejaucht werden. Dabei stinkt den Mitarbeitern bei Meyer ohnehin schon einiges. Denn die Lage ist nicht gut.

Allerdings: Sie ist auch noch nicht richtig schlecht. Das mit einer Länge von 324 und einer Breite von 40 Metern bislang größte in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff ist just erst ausgedockt und dem Eigner übergeben worden. Nun wird schon am Schwesterschiff der „Norwegian Breakaway“ gearbeitet. Im Baudock II wächst die „Getaway“ mit Hilfe des größten Krans, dem sogenannten Kaiseradler, in die Länge – ebenfalls im Auftrag der Norwegian Cruise Line (Miami).

Beide Schiffe haben jeweils eine Bruttoraumzahl von 146 600 – Platz für 1600 Mann Besatzung und 4000 Passagiere. Beide Schiffe haben einen Wert von rund 1,2 Milliarden Euro. Wenn der Kreuzfahrtriese „Getaway“ voraussichtlich im Januar 2014 fertig ist, gehen im Industriegebiet Süd noch nicht die Schweißkolben aus – doch ihre Zahl könnte reduziert werden. Zwar hat die Meyer Werft am 12. April noch die Kiellegung des Tiefseeforschungsschiffes „Sonne“ mit der Neubaunummer S. 530 und ein Flusskreuzfahrtschiff auf dem Auftragszettel, dann allerdings wird man wieder am Deich stehen und Ausschau halten müssen.

Die Meyer Werft, ein 1795 gegründetes Familienunternehmen, ist der Flaute im Schiffbausektor bisher davon gefahren. Doch nun sieht man auch im Emsland schwere See auf sich zurollen. Und so kündigte die in sechster Generation geführte Familienwerft – aktuell mit Bernard Meyer am Ruder – ein Sparprogramm an. Das war im Februar: Es geht um mehr als 50 Millionen Euro. Offiziell heißt es, an der Verbesserung der Arbeitsabläufe werde verstärkt gearbeitet. Im Klartext heißt das: Es müssen Überkapazitäten abgebaut werden. Denn die vorhandenen Aufträge versprechen nur Lohn und Brot bis 2015.

Der Chef muss einen rigiden Sparkurs fahren

In der Monatgehalle bei Meyer wächst bereits die „Getaway“ heran.
In der Monatgehalle bei Meyer wächst bereits die „Getaway“ heran.

© Reinhart Bünger

Und so setzt Bernard Meyer auf die Opferbereitschaft der etwa 2500 Beschäftigten in Papenburg. Sie sollen beim Einsparen einen Beitrag von zehn Millionen Euro leisten, unter anderem, indem sie der Meyer Werft Arbeitsstunden „schenken“. Bei einem guten Jahresergebnis soll dieses Entgegenkommen über eine Erfolgsbeteiligung wieder ausgeglichen werden. Neben den Festangestellten hängen viele Zulieferer von Wohl und Wehe auf dem Werftgelände ab: Zeitweise wuseln hier 6000 Handwerker in den Schiffbauhallen.

Wo genau liegt das wirtschaftliche Problem? Immerhin gab es 2011 elf Neuaufträge für Kreuzfahrtschiffe und im vergangenen Jahr acht, sagte Gerhard Carlsson vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik in Hamburg kürzlich der Deutschen Presse Agentur. Der Markt für Kreuzfahrtschiffe wachse zwar noch – ganz im Gegensatz zu den Märkten für Tanker oder Containerschiffe, sagt Meyer. Aber mehr Werften aus Asien wollten nun eine Scheibe vom Kreuzfahrtschiffmarkt. Meyers Sprecher Günther Kolbe wird deutlicher: „Die Franzosen operieren mit Zuschüssen und in Asien ist sich auch jedes Land das nächste.“

Angesichts von Überkapazitäten auf dem weltweiten Schiffsbaumarkt wird mit Dumpingpreisen um Aufträge geworben. Vor etwa zwei Jahren hat die Meyer Werft das Rennen um den Nachfolgeauftrag der Rostocker Reederei Aida Cruises an Mitsubishi verloren. Zu Beginn dieses Jahres wurde bekannt, dass auch der Luxusliner „Oasis of the Seas 3“ im Wert von rund einer Milliarde Euro nicht in Papenburg gebaut wird: Royal Caribbean hat das dritte Oasis-Klasse-Schiff auf der STX Werft France (Saint-Nazaire) bestellt. Eine Option auf ein viertes Schiff wurde vertraglich festgehalten.

„Die Aida-Schiffe sind nicht nach Papenburg gekommen, weil sie bei Mitsubishi 100 Millionen Euro billiger abgerechnet werden als sie tatsächlich kosten“, sagt Kolbe. Usancen, die die Meyer Werft kennt. Schließlich begann das Unternehmen an der Ems 1984 mit der „Homeric“ den Bau eines Schiffes, mit dem es kein Geld aber wertvolles Knowhow verdiente. Heute sammelt die Werft im internationalen Wettbewerb Punkte mit Energie sparenden Bord- und Antriebstechnologien.

Neben der japanischen Mitsubishi Heavy Industries bemüht sich inzwischen auch der koreanische Hightech- Konzern Samsung um Aufträge – eine Frage der Zeit, bis in diesem Rennen um Aufträge auch die Chinesen an Bord klettern. Die Papenburger haben inzwischen gelernt, dass das meiste Geld bei Kreuzfahrtschiffen für die Maschinenanlage, die Klimaanlage und das Bordtheater verbaut wird.

Besucher werden von Papenburg Tourismus beteuert

 Stahl, Schweiß und Nähte. Ein Rumpfteil wird vormontiert.
Stahl, Schweiß und Nähte. Ein Rumpfteil wird vormontiert.

© Reinhart Bünger

„Schiffe für Offshore-Plattformen und neue Passagierschiffe könnten für uns uns eine Option sein“, sagt Kolbe. Und man werde sicher auch nicht dankend ablehnen, wenn es wieder darum gehen sollte, einen Viehtransporter für die hohe See neu oder auszubauen. Bei Schiffkörpern, die mehr als 500 Meter lang, 75 Meter hoch und 45 Meter breit sind, ist jedenfalls in Papenburg keine Handbreit Wasser mehr unter dem Kiel: Mehr passt in die Halle heute nicht hinein. Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 180 000 – das ist das Maximale.

Etwa 280 000 Gäste besuchen die Meyer Werft im Jahr – der Betrieb ist das Aushängeschild der deutschen Schiffsbauindustrie, die laut IG Metall noch rund 16 850 Mitarbeiter beschäftigt. Auch bei der Gästebetreuung haben Meyers Männer anscheinend schon das Optimale für den Betrieb herausgeholt. Wenn beim Schiffsbau das Auslagern von Produktionsvorgängen schon ein Mittel der Wahl ist – Rohr- und Laserzentrum sind bereits ausgegliederte Einheiten der Meyer Werft –, dann lässt sich das auch auf das Modell einer gläsernen Werft übertragen.

Die etwa 80 Gästebetreuer, die Gruppen über das Werftgelände lenken, sind Mitarbeiter der Papenburg Touristik GmbH. Hier muss vorstellig werfen, wer in die Werft Einlass begehrt: Ohne Voranmeldung läuft gar nichts. Die zweistündigen Führungen inklusive Blick ins Trockendock sind heiß begehrt;  die im Bau befindlichen Schiffe dürfen natürlich aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden und einen Gang durch die Schiffbauhallen sollte auch niemand erwarten.

Das Besucherzentrum selbst hat sich die Meyer Werft von den Auftraggebern der hier gebauten Schiffe sponsern lassen. Und so sollte sich niemand über die Anmutung der Räumlichkeiten wundern: Es sind Showrooms mit Kinosälen, die Unternehmensphilophien stärker verpflichtet sind als der Schiffsbaugeschichte der Werft: Mustermöbel, Mustertresen, Musterkabinen sind hier zu sehen – und natürlich Donald Duck, eine Art Taufpate der Disney Cruise Line. Schließlich ließ das Unternehmen hier in Papenburg zwei Schiffe („Disney Dream“ und „Fantasy“) auf Kiel legen.

Wer sich übrigens darüber ärgert, dass immer wieder die Ems aufgestaut werden muss, um die Neubauten zur Probefahrt auf die Nordsee zu bringen: Dafür kann die Meyer Werft nichts! Als die Ostfriesen nämlich mit ihren Messern zum ersten Mal ans Meer kamen, hat sich das Wasser so erschrocken, dass es sich ganz weit zurückzog.

Eine deutschsprachige Führung mit maximal 15 Personen durch die Werft dauert zirka zwei Stunden und kostet für Erwachsene 10,50 Euro. Gruppen ab 16 Personen reservieren bitte unter folgender Rufnummer: 049 61 / 839 60

In Papenburg gibt es auch ein Freilicht- Schifffahrtsmuseum. Insgesamt sechs Nachbauten verschiedener Schiffstypen aus dem 19. Jahrhundert sind zu bestaunen. Auskunft: Papenburg Tourismus GmbH

Ölmühlenweg, 26871 Papenburg; Telefon: 049 61 / 839 60, im Internet unter: papen burg-tourismus.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false