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Veteranen unter sich. Erwin Hymer präsentiert vor seinem Museum für mobiles Reisen in Bad Waldsee einen Fiat 500 mit Wohnanhänger der Marke Laika.

© Stefan Puchner dpa

Bad Waldsee: Windeln waschen in voller Fahrt

Mit dem „Dethleffs“ 1931 fing es an: Im Hymer-Museum von Bad Waldsee wird das mobile Reisen auf vier Rädern präsentiert.

Gleich neben dem Eingang steht eine überdimensionierte Keksdose. Sie steht auf kleinen Rädern, sie hat eine schmale Tür und ein Fensterchen mit weinroten Vorhängen. Gut, das Gefährt erinnert tatsächlich an eine Keksdose, aber der Vergleich ist natürlich unfair. Die Menschen, die es 1931 gebaut haben, waren natürlich verdammt stolz darauf. Auch wenn es nur 4,38 Meter lang, 1,66 Meter breit und 2,05 Meter hoch ist. Es ist immerhin der erste Wohnwagen Deutschlands, ein Dethleffs, gezogen von einem PS-schwachen Auto – damals eine fast revolutionäre Erscheinung auf den Straßen. Es ist allerdings nur eines von vielen originellen Exemplaren, die als Beispiele mobilen Reisens im neuen Erwin-Hymer-Museum in Bad Waldsee versammelt sind.

Zugegeben, der Dethleffs ist nicht das Original. Das hat die Jahre nicht überstanden. 1974 wurde ein Duplikat detailgetreu nachgebaut, das weltweit einzige Exemplar, das es von diesem Dethleffs gibt. Der legendäre Oldtimer ist jedoch eines der Prunkstücke des Museums in Oberschwaben.

Den Namen Hymer kennt fast jeder, der sich auf Straßen bewegt, dazu muss man kein Wohnmobil-Enthusiast sein. Hymer produziert Wohnmobile in nahezu allen Größen und Preisklassen. Erwin Hymer hat dieses Unternehmen aufgebaut. Und er hatte einen Traum: Er wollte ein Museum bauen, in dem die Geschichte des Wohnmobils kompakt dargestellt wird. Seit Ende 2011 steht es, nur wenige Meter neben seiner Produktionsstätte.

Der Klotz im Industriegebiet von Bad Waldsee mit voluminöser Eingangshalle, Cafeteria, Shop und Kinderspielplatz ist nicht bloß ein Museum mit spannenden, teilweise ulkigen Exponaten. Es ist eine Art Themenpark, geografisch gegliedert, für Schulklassen und Familien gut aufbereitet. Sogar eine Museumspädagogin ist angestellt. „Erleben Sie auf den Routen unserer Traumstraße die ganze Welt des mobilen Reisens“, heißt das Motto des Museums.

Ein Rundgang symbolisiert diese „Traumstraße“. Sie führt von den Anfängen des Wohnmobils zu den großen rollenden Wohnzimmern heutiger Zeit. Diese Straße führt auch durch alle möglichen Gegenden der Welt, in denen sich Wohnmobile vorzugsweise bewegen. Die Alpen, Italien, Nordafrika, Indien auch, Nordamerika und Skandinavien sowieso. Ein paar Schautafeln allein tun’s schon lange nicht mehr. Die Atmosphäre des Wilden Westens der USA spürt man in einem riesigen Zelt, ausgestattet mit Pferdesätteln und Kopfschmuck von Indianern. Wer den Abschnitt Italien erreicht hat, tritt in ein Sommerhäuschen, spürt Urlaubsatmosphäre an einem Strand mit Liegestühlen und Luftmatratzen, berieselt von Meeresrauschen aus unsichtbaren Boxen. Frühere Indien-Freaks werden in einer abrupten Zeitreise in ihre Jugend zurückgesetzt, wenn sie im Indien-Zelt plötzlich vor einem der legendären ausgebauten VW-Bullis mit Pop-Art-Anstrich stehen. Dazu dröhnt harte Rockmusik.

Zelte, Meeresrauschen, indische Tücher – das alles bildet die Kulisse für den Kern der Ausstellung, die eigentlichen Exponate. Und die faszinieren nicht allein Besucher, die beim Reisen gern das eigene Bett transportieren. Zu sehen gibt’s auch Kurioses. Die Wanne am Dethleffs Baujahr 1931 etwa, die an der Tür eingelassen ist. Eine Wanne? Nun, Familien mit Kleinkindern konnten dort auf großer Fahrt die gebrauchten Windeln deponieren. Einen halben Tag lagen die dann im Wasser und wurden während der Fahrt kräftig durchgeschüttelt. Am Ziel wurde die anrüchige Fracht nur noch kräftig ausgespült. Waschtage der besonderen Art.

Der „Dethleffs Tourist“, ein paar Jahre jünger als der Nachbar, drei Schlafplätze, zulässiges Gesamtgewicht 600 Kilogramm, damals 2160 Reichsmark teuer, hat eine Schublade. Wer sie aufzieht, voilà, blickt in eine Waschschüssel. Und damit sich niemand eine Beule am niedrigen Dach holte, konnte man das Verdeck anheben. Gezogen wurde das rollende Schlafzimmer von einem Praga Piccolo, Baujahr 1929, hergestellt in der damaligen Tschechoslowakei.

Raum zum Wohnen musste man sich erarbeiten

Sportberger Land-Yacht L6. Klein, leicht – ideal für PS-schwache Autos der 50er Jahre
Sportberger Land-Yacht L6. Klein, leicht – ideal für PS-schwache Autos der 50er Jahre

© Stefan Puchner dpa

Der meistverbreitete Wohnwagen Deutschlands zu Beginn des Wohnmobil- Zeitalters war der „Sportberger Karawane S 39“, Spottname aus offensichtlichen Gründen: „Wanderniere“. 1938 transportierte ein Journalist mit seinem Auto das Gefährt immerhin von Berlin bis Neapel und schrieb darüber eine Reportage. Der „Sportberger Land-Yacht“ wirkt dagegen eher wie ein U-Boot, das man an Land aufgebockt und darunter zwei Räder befestigt hat. Im Grunde taugte der Wohnwagen in der Originalform nur zum Schlafen. Sechs Personen passten hinein. Raum zum Wohnen musste man sich mühsam erarbeiten – indem man eine Art Vorzelt aufbaute. Zur vollen Größe entwickelte sich auch der „Wittener Wohnwagen“, nach seinem Bau 1954 „Volkswohnwagen“ getauft, erst, wenn er nicht mehr über die Straßen rollte, sondern fest geparkt war. Dann wurde das Oberteil hochgekurbelt.

Auch die DDR steuert ihren Beitrag zum mobilen Urlaub bei. Mit dem Pieper 360 zum Beispiel, den der Ingenieur Klaus Pieper in mühsamer Eigenarbeit zusammenklebte. Pieper benutzte glasfaserverstärktes Polyesterharz, investierte 4500 DDR-Mark in sein Kunstwerk und genehmigte seiner Kreation große Scheiben und eine Spirituskochplatte.

Eines der beeindruckendsten Wohnmobile ist ein wuchtiger Anhänger, der die halbe Nordamerikaabteilung ausfüllt. Korrekt heißt das aluminiumglänzende Fahrzeug „Airstream 31“, Zusatzbezeichnung: „Herrscher der Straße“. Baujahr: 1969, Länge: 9,56 Meter. Auf dieser Länge verteilen sich vier Schlafplätze, Badewanne, Dusche und eine Küche mit Backofen. Diese Version war das größte, luxuriöseste und teuerste Modell des Herstellers Airstream. Gezogen wurde die rollende Villa von einem kraftstrotzenden Auto.

Einer der Vorzüge dieses Museums ist seine Vielfalt. Hymer verzichtete dankenswerterweise darauf, nur Wohnmobile der eigenen Firma auszustellen. Das Museum ist typenoffen. Nur eine Regel gilt: Jünger als Baujahr 1981 dürfen die ausgestellten Wohnmobile nicht sein. Das hier ist schließlich ein Museum.

Ein zweiter Vorzug dieses Museums ist sein Etikettenschwindel. Der Bau ist gar kein lupenreines Wohnmobil-Museum. Erwin Hymer, der leidenschaftliche Sammler, hat auch historische oder zumindest besondere Autos ausgestellt. Ein schnittiger Mercedes Benz 230 S2, Baujahr 1965, steht ebenso in den Kulissen wie ein Goggomobil mit 14 PS, welche die rollende Sardinenbüchse bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 72 Stundenkilometern trieben. Auch der NSU Ro 80 mit dem legendären Wankelmotor ist zu bestaunen. Und damit auch die Freunde jahrzehntealter motorisierter Zweiräder auf ihre Kosten kommen, steht ein Motorroller Marke Piaggo Vespa P 80 X irgendwo zwischen Indianerzelt und Meeresstrand.

Kann ja sein, dass Hymer irgendwann denkt, ein Austausch einiger Exponate sei gar keine schlechte Idee. Dann muss er nur in seinen Fundus greifen. In diversen Scheunen rund um Bad Waldsee, erzählt eine Museumsreferentin, hat Hymer noch Dutzende historischer Wohnmobile, Autos und Motorräder geparkt.

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