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Stille Hallertau. Blick über die Felder zur Kapelle von Leitenhausen.

© Ulrich Traub

Bayern: Wo der Hopfen zu Hause ist

In der bayerischen Hallertau dreht sich alles um das, was dem Bier die richtige Würze gibt.

Wenn sich frühmorgens die dünnen Nebeldecken über dem Hügelland auf und davon machen und so die Landschaft in ihrer spröden Schönheit freigelegt wird, treten überall windschiefe Gestelle ans Tageslicht. Ganz so, als hätten Riesen ihr Mikadospiel zurückgelassen wirken die zu Dutzenden, in größeren Abständen stehenden Holzpfähle.

Die Hopfengärten der Hallertau, dem weltweit größten Hopfenanbaugebiet, sehen Ende März immer wie etwas lieblos abgestellte Fremdkörper aus. Denn die Pflanze muss noch warten. Insbesondere in diesem Jahr, wo durch den anhaltenden Winter alles in Verzug gerät. Meist sind die Felder in dieser Jahreszeit ohnehin verwaist, nur vereinzelt regt sich menschliches Leben. Rita Bogenrieder beispielsweise kniet schon in aller Hergottsfrühe auf einem Kissen zwischen den sieben Meter hohen Holzpfählen.

Mit einer Hacke lockert sie vorsichtig die oberste Erdschicht, bis kleine, weiße Triebe sichtbar werden. Dann knickt sie diese mit geübtem Griff von der Wurzel ab und legt den Hopfenspargel, den man treffender als Hopfensprossen bezeichnen sollte, in einen Korb. „Nur drei Haupttriebe von bis zu 120 pro Pflanze müssen erhalten bleiben“, erklärt Rita Bogenrieder. „Die werden in wenigen Wochen um einen Draht gelegt, damit unser Hopfen in die Höhe wachsen kann.“

Jetzt aber dreht sich auf dem Hof der Bogenrieders in Ebrantshausen bei Mainburg, die zu den Pionieren der Wiederentdeckung des Hopfenspargels in der Hallertau gehören, erst einmal alles um die Sprossen-Delikatesse. Anstrengend sei die Arbeit, aber einträglich, gibt die Bäuerin zu. Für ein Kilo bekomme sie rund 45 Euro. „Es macht aber auch Spaß, diesem Gemüse wieder Geltung zu verschaffen und damit etwas für unsere Heimat zu tun“, merkt Rita Bogenrieder an. Deshalb verkauft die Familie ihren Hopfenspargel auch nach Möglichkeit nur in der Region.

Strippenzieher. Hopfen wächst in die Höhe.
Strippenzieher. Hopfen wächst in die Höhe.

© Ulrich Traub

„Kosten Sie mal“, fordert die Bäuerin die Umstehenden auf. Mittlerweile hat auch eine Wandergruppe Halt gemacht. Fast andächtig werden die edlen Sprossen gekostet. Mild schmecken sie, leicht nussig und ein wenig erdig, aber auch eine feine Schärfe macht sich bemerkbar. Einen wichtigen Hinweis gibt Rita Bogenrieder den neuen Hopfenspargel-Fans mit auf den Weg. „Sie müssen ihn frisch verarbeiten, er hält sich nur drei bis fünf Tage.“ Auch die Erntezeit sei beschränkt. Nach etwa drei Wochen, meist Mitte April, ist es schon wieder vorbei. „Denn nur die Sprossen, die im Dunkel der Erde austreiben, sind genießbar.“ In diesem Jahr geht alles etwas langsamer, das heißt auch Sprossen können länger geerntet werden.

Welche Rolle spielt denn nun der Hopfenspargel in der Küche? Für Gabi Randlkofer ist er ein echter Allrounder. Die Wirtin aus Volkenschwand-Leibersdorf verarbeitet ihn zu Salat oder Gemüse, füllt ihn in Pfannkuchen und kreiert Beilagen, etwa eine Hopfenspargel-Pannacotta. „Unser Hopfenspargel ist vielseitig und kommt einer kreativen Küche sehr entgegen“, meint Gabi Randlkofer. Das wissen die Gäste zu schätzen.

Noch die Türklinke in der Hand fragen sie, ob es Hopfenspargel gebe. Für die Wirtin ist die Wiederentdeckung dieser Delikatesse ein Beispiel für sanften Tourismus. „Die jährlich stattfindenden Hopfenspargelwochen sind nicht irgendein Event, sondern Holledau pur.“ In dieser Zeit wollen Restaurants der Region mit Hopfenspargel-Kreationen auf die immer noch wenig bekannte Spezialität aufmerksam machen.

„Es is halt a mühsams G’schäftl“

Der Hopfenspargel muss ans Licht.
Der Hopfenspargel muss ans Licht.

© Ulrich Traub

Der Name Hallertau oder Holledau, wie die Einheimischen sagen, ist den meisten wohl geläufig, doch kaum einer kennt das Hopfenmekka zwischen Ingolstadt, München und Landshut, das eine echte Empfehlung für Genießer ist. Wo der Hopfen gedeiht, kann die Brauerei eigentlich nicht weit sein. Tatsächlich gibt es in der Hallertau noch 18 unabhängige Braustätten und allerhand Superlativisches zum Thema Bier, etwa die älteste Privatbrauerei der Welt in Herrngiersdorf.

Paul Pausinger ist Chef und Braumeister in Personalunion. Statt in XXL geht in der Schlossbrauerei, die im Jahr 1131 gegründet wurde, alles ein paar Nummern kleiner zu. Das mache gerade den Reiz aus. „Wir arbeiten mit Leidenschaft für die Region“, formuliert Pausinger, der sich sorgt, dass durch den Konzentrationsprozess im Braugeschäft Qualität und Vielfalt auf der Strecke blieben. Natürlich gibt es anlässlich der Hopfenwochen auch etwas Besonderes: das Hopfencuvée, ein würziges Bier mit ausgeprägten Hopfennoten. „Das brauen wir jährlich aus den vier besten Aromahopfensorten der Hallertau.“

Der Brauer schätzt seine Heimat: „Hier schlägt der Puls des Lebens angenehm ruhig.“ Das kann auch der Besucher erfahren. Die bäuerlich geprägte Hallertau mit ihren oft bewaldeten Hügeln, die einen Kontrast zu den zu dieser Jahreszeit kargen Hopfengärten bilden, ist ein stiller Landstrich. In netten Dörfern etwa am Bier- und Hopfenpfad bei Mainburg bestimmen noch Kirche und Höfe das Ortsbild. Und im kleinen Städtchen Abensberg steht der knallbunte, auf Ideen Friedensreich Hundertwassers zurückgehende Aussichtsturm einer Brauerei in einem etwas schrillen Kontrast zur gediegen romantischen Altstadt. Dann schon lieber der strahlende Barock der Klosterkirche in Rohr. Nebenan im Gasthof gibt's übrigens Hopfenspargel.

Auf der Fahrt durch die Hallertau sieht man jetzt zunehmend Strippenzieher am Werk. Während Rita Bogenrieder noch in der Erde buddelt, werden in anderen Hopfengärten schon die Drähte gespannt, an denen die Pflanze in die Höhe wachsen soll. „Es is halt a mühsams G’schäftl“, sagt Christoph Pinzl über die Hopfenspargelernte. Er muss es wissen, leitet der Kulturwissenschaftler doch das Deutsche Hopfenmuseum in Wolnzach. Hier kann man jede Menge über Bedeutung und Geschichte dieser „faszinierenden Kulturpflanze“, wie Pinzl sagt, in Erfahrung bringen.

Bislang haben sich erst wenige Pioniere wieder dem Hopfenspargel verschrieben. Der sei früher ein „Arme- Leute-Essen“ gewesen, blickt Christoph Pinzl zurück, der auch als Biersommelier den Bekanntheitsgrad seiner Heimat zu steigern versucht. „Helfer in den Hopfengärten bereiteten sich aus den Sprossen eine Mahlzeit.“ Mit der maschinellen Hopfenernte sei der Hopfenspargel dann jedoch in Vergessenheit geraten. Jetzt folgt die Fortsetzung als Delikatesse. Ein guter Grund, die Hallertau kennenzulernen.

Ulrich Traub

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