zum Hauptinhalt
Hoppenrade

© promo

Brandenburger Geschichte: Das falsche Duell

Auf Schloss Hoppenrade wird „Effi Briest“ verfilmt. Was hier wirklich geschah, hat Theodor Fontane recherchiert und fand: zu komplex für einen Roman

„In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße …“, so beginnt Theodor Fontane seinen Roman „Effi Briest“. Hohen-Cremmen? Gibt es nicht. Der Dichter hat es erfunden. Ein Glück für die Leute vom Film. Denn nun konnten sie sich als Drehort für den neuen „Effi-Briest“-Streifen – im kommenden Sommer soll er in den Kinos anlaufen – selbst ein schönes Schloss suchen. Aber, wie findet man das passende? „Es war eine langwierige Recherche“, sagt seufzend ein Ausstatter der Produktionsfirma Constantin Film. Ein Herrenhaus mit Park drumherum sollte es sein, das auch für die Innenaufnahmen taugte. In Mecklenburg-Vorpommern gab es diverse geeignete Objekte, aber die Fördergelder waren nun mal an Brandenburg gebunden.

Posthum half der Dichter. Während seiner ausgiebigen Wanderungen in der Region hatte er in einem Extrabuch fünf Schlösser und deren Geschichte haarklein beschrieben. Eins davon war Hoppenrade im Löwenberger Land, rund 50 Kilometer nördlich von Berlin. Und siehe da, es war perfekt.

Für Willi Kujat ist es die absolut richtige Wahl. „Eine schönere Kulisse gibt es nicht für diesen Film“, sagt er stolz. An Sonntagnachmittagen führt Kujat, ehrenamtlich bestellt von seiner Kirchengemeinde, Interessierte durch die kleine Kapelle im Südwestflügel des Schlosses. „Dieses Kleinod hat schon Fontane verblüfft“, weiß er. Schließlich bemerkte der Dichter in seinem „Schlösser-Buch“: „Sie hatte den Umfang und fast auch das Ansehen eines Rokokosaales.“ Staunend steht man heute in dem kleinen Gotteshaus. Korinthische Säulen rahmen den Kanzelaltar, oben drüber schweben Putten.

Der kunstvoll gearbeitete Altar war bereits in den 1950er Jahren restauriert worden. Der damalige Pfarrer, so heißt es, habe sich immer für die kleine Kapelle stark gemacht. Bei Kriegsende soll er sich schützend davorgestellt und den Russen den Weg versperrt haben. Dann ließ er die Kapelle als Besitz der evangelischen Kirche im Grundbuch eintragen – damit war sie unantastbar. Das Schloss ist in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Allerdings kann man es für Hochzeiten und sonstige große Feiern mieten. Auch der Park steht Spaziergängern offen.

Theodor Fontane hatte Schloss Hoppenrade 1861 kennengelernt. „Verwunschen“ fand er es und „rätselhaft“. Niemand wohnte darin, es lag verwaist. Der Dichter ging mit einem Freund die „flachstufige Treppe“ hinauf und oben von Zimmer zu Zimmer. „Alle standen auf, und in jedem einzelnen erkannten wir immer wieder dasselbe Durcheinander von Glanz und Verfall, das uns schon unten im Erdgeschoß entgegengetreten war.“ Akribisch forschte der Dichter und trug die Geschichte in allen Einzelheiten zusammen. Auf rund 60 Seiten hat er sie in seinem Buch „Fünf Schlösser“ ausgebreitet.

Das Herrenhaus Hoppenrade wurde nebst Kapelle 1724 von Heinrich von Bredow, dem Dompropst zu Havelberg, erbaut. Legendär aber wurde es 50, 60 Jahre später durch Charlotte von Kraut, Erbin des beträchtlichen Besitzes Land Löwenberg. Die Geschichte der von Zeitgenossen „Krautentochter“ genannten schönen Frau ist so komplex und verwirrend, das sie als Romanstoff gleich ausschied. Als Vorlage für „Effi“ taugte die Krautentochter nicht. Zu viel war in ihrem Leben drin: drei Ehemänner, eine goldene Kutsche, ein Duell, Machtgier, und schließlich ein Oberförster als Geliebter, der mit Charlotte nach dem Motto „après nous le déluge“ (nach uns die Sintflut) alles verprasste.

Als Gattin ihres dritten Mannes, dem Rittmeister von Arnstedt, hatte Charlotte in der Nähe des Schlosses ein Badetempelchen bauen lassen. „Moncaprice“ taufte sie es. „Zwei Kilometer sind es bis zu der Stelle“, sagt Willi Kujat, „aber den Badetempel werden sie dort nicht mehr finden.“ Wie sich die „brillante Schwimmerin“ dort vergnügte, steht bei Fontane. Lustig muss es gewesen sein, „wenn sie über den See schoß und die Losung gab ihr zu folgen und sie zu haschen“. Dabei konnte Charlotte auch so melancholisch sein. Kurz nach dem Tod ihres zweiten, wohl am meisten geliebten Mannes zum Beispiel. Fontane stellte es sich so vor: „Dann saß eine Witwe, die Krautentochter, am Fenster und sah in die Schneelandschaft hinaus, die lange Linie der Pappelweiden hinunter, aus deren Gipfeln einzelne Krähen in den dunkelgeröteten Abendhimmel aufflogen.“

Alles wie an diesem Sonntag, nur dass noch kein Schnee gefallen ist. Welch eine verträumte Szenerie. Wie lange das Boot, halb mit Wasser gefüllt, wohl da schon im Teich liegen mag? Eine Entenfamilie, eben noch ruhend im Gras, flüchtet ins Wasser, so scheu, als kämen hier niemals Menschen her. In der Ferne bestrahlt die Sonne ein rotes Brückchen. Alte Eichen und Linden stehen da, unter denen schon die Krautentochter spazierte. In einer Ecke im Park, fast versteckt hinter Efeu und Zypressen, liegt ein Grabstein. „Clara von Wüllknitz, geboren am 10. September 1826, heimgegangen am 1. November 1850.“ Das war die Enkelin der Krautentochter, die, so heißt es, eines nicht natürlichen Todes gestorben sei. Geld mag in dieser Familie reichlich vorhanden gewesen sein, das Glück machte sich rar.

Schloss Hoppenrade fand neue Herren, der letzte, Georg Freiherr von Werthern wurde 1945 enteignet. Dann wohnten Flüchtlingsfamilien im Schloss, eine Gaststätte war im Seitenflügel, auch ein Konsum. „In den 70er Jahren haben hier sogar mal einige Künstler gehaust“, sagt ein Einheimischer. „Wild“ hätten sie dort mit ihren Gästen, darunter war auch der Dichter Heiner Müller, gefeiert. Nach der Wende entdeckte Klaus Fehsenfeld, Chef einer Berliner Werbegesellschaft, das arg lädierte Herrenhaus, verliebte sich darin und kaufte es der Gemeinde ab. Sukzessive hat er es restauriert. Probleme mit den Dorfbewohnern habe es nicht gegeben, vielleicht, weil er den Leuten „mit erheblichem Respekt“ begegnet sei. „Am Anfang hat man mich wohl nicht ganz ernst genommen“, fügt er hinzu, „ich bin ja immer nur in einem alten Golf vorgefahren.“ Einige Ortsbewohner fanden im Rahmen der umfangreichen Sanierungsarbeiten im und rund ums Schloss Arbeit. „Der hat das systematisch angepackt und mit viel Liebe gemacht“, erzählt Bernd-Christian Schneck, Bürgermeister der Gemeinde Löwenberger Land, zu der auch der 120-Seelenort Hoppenrade gehört. Die Leute seien froh darüber, dass das Schloss jetzt wieder so schmuck aussehe, heißt es.

Aber ist es nicht schade, dass man das Herrenhaus nicht besichtigen kann? Ein Café im Garten, das wäre doch etwas. „So etwas muss sich rechnen“, sagt Schneck. Früher habe es im Ort eine kleine Kneipe gegeben, aber auch die musste mangels Gästen aufgeben. Hoppenrade ist einfach zu klein fürs Geschäft. Nicht mal eine Telefonzelle gibt es im Ort.

Ein paar Kilometer weiter brummt die weitläufige Schloss- und Gutslage Liebenberg. Das könne man nicht vergleichen, sagt Schneck. Da steckt viel Kapital der Deutschen Kreditbank drin. Und Willi Kujat sagt: „Haben Sie die Preise in Liebenberg gesehen? Das können sich die Einheimischen doch überhaupt nicht leisten.“

So wird Hoppenrade ein stilles Idyll bleiben. Die üppigen Efeugarnituren an den Fassaden des Schlosses werden nach den Dreharbeiten wieder verschwinden. „Wir haben alles begrünt“, heißt es bei der Filmfirma. Auch der Pavillon am Teich wird wieder abgebaut. Und einer runder Tisch nebst Sesseln, verziert mit Löwenfiguren, wird in irgendeiner Requisitenkammer verschwinden. Dabei passt das Ensemble so gut in den Park. Sieht aus wie solider Stein und erst, wenn man dranklopft, merkt man: Es ist nur Pappmaché. „Lassen Sie's doch stehen“, schlägt man vor. „Ich glaube, der Besitzer mag es lieber schlicht“ , sagt der Filmausstatter. Verwunschen eben. Ganz so wie Fontane.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false