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© Caro/Oberhauser

Brüssel: Einladung nach Europa

Jeder, der Brüssel einmal durch die Augen wirklicher Brüssel-Kenner und -Liebhaber betrachten möchte, kann bei den "Tof-People" vorbeischauen. "Tof" ist im Belgischen ein Ausdruck der Begeisterung.

Burckhard Doempke beantwortet die Frage, wo er nach Feierabend in Brüssel am liebsten ein Gläschen trinkt, eindeutig: "Bei mir zu Hause, wo der Wein- und Bierkeller gut bestückt ist. Falls jemand Lust hat zu probieren, bitte vorbeikommen. Anruf oder E-Mail genügen." Der freiberufliche Konferenzdolmetscher ist seit mehr als 35 Jahren in Brüssel tätig. Doch seine Einladung an Besucher der Stadt bedeutet nicht, dass er ein Stubenhocker ist. Ganz im Gegenteil. Der 63-Jährige kennt vor allem die Gastronomieszene der europäischen Hauptstadt wie kaum ein Zweiter. Er schätzt das Leben in Brüssel. "Die Toleranz, die hier herrscht, ist schon einmalig", sagt er. Und weil er das anderen Menschen zeigen will, hat er sich der Initiative "Tof-People" angeschlossen.

Jeder, der Brüssel einmal durch die Augen wirklicher Brüssel-Kenner und -Liebhaber betrachten möchte, kann bei den "Tof-People" vorbeischauen. "Tof" ist im Belgischen ein Ausdruck der Begeisterung. (Toff oder toffte war übrigens auch in den 50er und 60er Jahren unter Jugendlichen vor allem im Ruhrgebiet ein beliebter Begriff für etwas, das man knorke oder dufte, also ausgezeichnet fand.) Unter dem Namen Tof-People haben sich jetzt 270 begeisterte Europäer zusammengeschlossen, die alle in Brüssel leben und ihren Enthusiasmus für die Stadt gern mit Besuchern teilen möchten. Sie erzählen über ihr Leben und ihre Lieblingsplätze in der belgischen Metropole, haben die aktuellsten Tipps und laden zum Erfahrungsaustausch ein.

Wie Karina Lott. Die 30-jährige Rechtsanwältin arbeitet seit circa einem Jahr für eine große deutsche Anwaltskanzlei in Brüssel. "Mein Beweggrund, bei dieser Aktion mitzumachen, war vor allem, dass ich Brüssel für eine spannende und interessante Stadt halte und mich hier sehr wohl fühle. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Vorstellung, die außerhalb von Brüssel über die Stadt besteht, sich doch regelmäßig in Pommes, Manneken Pis und dem – zugegebenermaßen architektonisch nicht sehr reizvollen – Europaviertel erschöpft."

Andere Impressionen für Touristen

Das eigentlich Faszinierende an der Stadt sei für sie vor allem die Internationalität, die nicht nur durch die Menschen, sondern auch an jeder Straßenecke sichtbar werde und zu einem ganz besonderen Flair der Stadt beitrage. "Aber auch darüber hinaus ist die Stadt so vielseitig, dass ich bisher keine Probleme hatte, für meine Besucher ein passendes Programm zusammenzustellen. Sei es auf Architektur, Ausgehen, die neue Designerszene oder einfach nur auf die kulinarischen Besonderheiten der Stadt ausgerichtet. Und regelmäßig sind meine Besucher erstaunt darüber, wie viel Brüssel eigentlich zu bieten hat." Die Kasselanerin, die in Saarbrücken studiert hat, wundert es auf jeden Fall nicht, dass sie heute von Freunden viel öfter in Brüssel besucht wird als zu ihrer Studienzeit im Saarland.

Den Anstoß, bei den Tof-People mitzumachen, bekam Karina Lott in den USA. "Als ich vor einiger Zeit in Amerika war, hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen des Chicago-Greeters-Programms (eine Initiative, in der Einheimische Touristen die Stadt zeigen) einen sehr persönlichen und interessanten Einblick durch eine Bewohnerin Chicagos zu erhalten. Dieses Engagement für eine Stadt, das einem Touristen doch ganz andere Impressionen und Erlebnisse ermöglicht, hat mich nachhaltig beeindruckt."

Auch Gunnar Lorenz ist von der Idee ganz begeistert und hat sich spontan entschlossen, als "Botschafter Brüssels" zur Verfügung zu stehen. Der 34-jährige Ökonom arbeitet seit drei Jahren für den Verband der Europäischen Stromindustrie (Eurelectric) in der belgischen Hauptstadt. Und sollten sich die beruflichen Perspektiven wunschgemäß weiterentwickeln, kann sich der Rheinländer durchaus vorstellen, auf lange Sicht in Belgien zu bleiben. "Klar, in die Heimat ist es von hier aus nicht weit. Ich darf Ihnen aber sagen: Meine Besuche werden immer seltener." Das Leben in Brüssel sei so vielfältig, dass er seinen Studienort Köln nicht wirklich vermisse.
 
Bunt, vielseitig und abwechslungsreich

Bisher engagieren sich sechs Deutsche bei der Initiative, die vom belgischen Tourismusamt ins Leben gerufen wurde. Bis auf Burckhard Doempke sind sie alle um die 30 und als Manager, leitende Angestellte oder Selbstständige beruflich fest in Europas Hauptstadt verankert. Doch auch die "Tof-Botschafter" aus den anderen EU-Ländern sind für Kontakte empfänglich. Neben ihrer Muttersprache können alle mindestens Englisch und Französisch parlieren.

Und wo treibt es die deutschen Tof- People in ihrer Freizeit so hin, was können sie Brüssel-Besuchern empfehlen? Karina Lott fühlt sich am wohlsten in Ixelles, dem Stadtteil, wo sie auch wohnt. "Mein Lieblingsstadtteil – bunt, vielseitig und abwechslungsreich. Ob bei einem Kaffee auf der Place Boniface, beim Spaziergang im quirligen Matongé-Viertel oder beim Einkaufen am Markt an den Etangs d’Ixelles – hier gibt es zu jeder Tages- und Nachtzeit immer Interessantes zu entdecken."

Ihr haben es außerdem die Bars und Restaurants an der Place Boniface, im Café Belga an der Place Flagey und in der Innenstadt an der Place St. Gery angetan. "Und – wenn das Wetter mitmacht – natürlich mittwochs die Place Chatelain und donnerstags die Place Luxembourg."

In Brüssel, der vermeintlichen Hauptstadt der Spesenritter, kommen auch Freunde des guten Essens auf ihre Kosten. "In Ixelles habe ich meine Favoriten an der Place Boniface, das 'Belgo Belge' und das 'Citizen', in Chatelain und Umgebung das 'Café Panisse' und 'Mama Roma'." Und die Preise? "Es verwundert viele, aber vom Preis-Leistungs-Verhältnis hebt sich Brüssel von den meisten europäischen Hauptstädten wohltuend ab", sagen die Tof-Leute übereinstimmend. Nun ist die Konkurrenz auch groß: Rund 2000 Restaurants finden sich auf 161 Quadratkilometern (etwa die Größe von Treptow-Köpenick).

"Moules & Frites"

Die Frage nach der belgischen Küche beantwortet Gunnar Lorenz etwas zögerlich. "Nun, typisch belgisches Essen ist nicht jedermanns Sache. Es ist doch etwas mächtig." Nicht zuletzt wegen der Fritten, die bei kaum einem Gericht fehlen. Neben dem belgischen Nationalgericht "Moules & Frites" (Muscheln mit Pommes) kann er Lapin (Kaninchen) à la Gueuze empfehlen, in Bier geschmort. Gueuze ist ein natürlich fermentiertes belgisches Bier aus der Brüsseler Region.

Abends hat es Lorenz das Viertel St. Gery in der Nähe der Börse angetan. "Dort gibt es reichlich Anlaufstellen. Zuerst ein Drink im 'Mappa Mundo' oder 'Roi des Belges' und später ins 'Café Central' oder 'L’Archiduc'. 'Lune de Miel' bietet übrigens gute und preiswerte thailändische und vietnamesische Küche. Auch Sablon ist ein interessantes Viertel, auch wenn es etwas versnobt ist, mit vielen Kunst- und Antiquitätengeschäften." Für den späten Abend empfiehlt er "Bazaar", eine Disco mit gemischter Musik, und am späten Sonnabend, so zwischen ein und fünf Uhr: "The Fuse", etwas für die Technoenthusiasten. Weniger von Touristen als vielmehr von "Expats", den Expatriaten (außerhalb des Vaterlands Lebenden), frequentiert ist das Viertel um die Place du Châtelain. An Restaurants mag Lorenz hier "Les Files des Jules" (baskische Küche) und "Cosi" (italienisch).

Burckhard Doempke freut sich zurzeit nicht nur auf Brüssel-Besucher: "Bald gibt es wieder frische Muscheln. Im Restaurant de La Bourse werden die besten serviert, aus Zeeland, zu erschwinglichen Preisen. Ich empfehle die Zubereitung mit Knoblauch, 'Moules à l’Ail'." Denn: Kochen tut er für seinen Besuch nämlich nicht.

Wer mehr zur Initiative "Tof-People" wissen möchte, kann sich auf der Internetseite www.brusselstofpeople.eu informieren. Dort findet man die "Botschafter" der Stadt und wie man mit ihnen in Kontakt treten kann.

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