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Reise: Buntes bleibt draußen

Das Hotel Cerês in Binz auf Rügen setzt Maßstäbe mit schlichter Eleganz. Schlicht und puristisch, kein Schnickschnack, nirgends.

Binz hat alles, was ein Seebad braucht: feinen Sandstrand, eine fast vierhundert Meter lange Seebrücke, Restaurants, Cafés, Läden. Sogar mit schönen Beispielen der Bäderarchitektur kann der vor rund hundert Jahren als „Sorrent des Nordens“ gelobte Ort auf Rügen aufwarten. Seit der Wende wurde vieles – nicht immer gelungen – renoviert und eine Menge Neues, oft Mittelmäßiges gebaut. Binz wuchs – und verlor. Wo ist die Eleganz?, fragen viele Besucher. Das rekonstruierte Kurhaus an der Promenade, einst Juwel der Bäderarchitektur, vermittelt sie nicht. Zu hoch, zu groß, zu klotzig erscheint das Hotel. Unweit davon aber steht nun ein Gebäude an der Seebrücke, vor dem man sich fast verneigen möchte. Schneeweiß ist es und wirkt mit seinen drei Stockwerken und der Glaskuppel beinahe zierlich. Ein Bau wie aus dem klassizistischen Formenbuch. So harmonisch das Hotel Cerês von außen wirkt, so überraschend ist es innen. Ein ästhetisches Juwel ist zu bewohnen.

Wo bis zum Jahre 2000 nur eine provisorische Ladenzeile stand, hat sich der Architekt Moritz Lau-Engehausen einen Traum verwirklicht. Ein Hotel, zu hundert Prozent nach seinem Geschmack. Dass er es nun auch selbst betreibt, war eigentlich nicht vorgesehen. Aber potenzielle Interessenten wünschten hier und da Veränderungen, und Lau-Engehausen wollte keine Kompromisse eingehen. Schon die Anzahl der Zimmer und Suiten, mehr als fünfzig sind es nicht, rufen bei Wirtschaftlichkeitsprüfern Sorgenfalten hervor. Aus ökonomischen Gründen hätten es 120 Zimmer sein müssen, sagt der Architekt. Der Platz dafür sei da gewesen. Vier Stockwerke statt drei, zum Beispiel, hätte man bei gleicher Höhe bauen können. Aber dann wäre es nichts gewesen mit einer Deckenhöhe von bis zu viereinhalb Metern. Und die sollten es eben sein. „Man bewegt sich anders in hohen Räumen“, sagt Architekt Lau-Engehausen, der auch international gearbeitet hat. Groß und weit wirken die Zimmer besonders wegen der riesigen Fenster, deren Stores im Winterweiß der Wände gehalten sind.

Alles ist schlicht und wirkt puristisch durch den Hell-Dunkel-Kontrast. Dunkle Eichenböden, platinfarbene Metalle, schwarzer chinesischer Sandstein. Eine Lampe in Milchkaffeebraun ist gerade noch erlaubt, ein Hauch von Grau darf sein. Kein Schnickschnack, nirgends. Es gibt auch keine Bilder. „Die Gäste sagen, endlich mal ein Hotel, wo keine Kunst hängt“, freut sich Lau-Engehausen und fühlt sich bestätigt. Denn Bilder seien nun mal Geschmackssache, und in den meisten Hotels dieser Welt hingen sowieso nur Kunstdrucke dritter Wahl.

Lau-Engehausen will erste Wahl. „Die Bebilderung erfolgt durch die Natur“, sagt er und gestattet seinen Gästen auch auf den Fluren Ausblicke nach draußen. In vielen modernen Fünf-Sterne-Hotels ist ein Flachbildschirm an der Wand inzwischen Standard. Im Cerês steht ein Flatscreen-Standgerät auf einem Sideboard. Nur mittelgroß, aber dafür aus der dänischen Designerschmiede von Bang & Olufsen.

Doch was ist, wenn der Ostseehimmel hinter den hohen Fenstern grau und regenverhangen ist? Wird man dann nicht miesepetrig im schlichten Ambiente? Wünscht man sich nicht warme Farben und einen Sessel zum Reinkuscheln statt so ein optisch ansprechendes, jedoch nicht eben bequemes Designmöbel? Der Architekt steht bei jedem Wetter zu seinem Konzept. „Nichts soll aufregen, der Raum soll Ruhe und Entspannung geben“, sagt Lau-Engehausen. Der Gast, so könnte man das interpretieren, soll hier mit sich selbst ins Reine kommen. Und wenn er Unterhaltung möchte, geht er eben zum (sehr guten) Essen ins Restaurant „Negro“ oder in die Lounge. Das Hotel wolle „nicht den Markt bedienen“, sondern setze auf individuelle und kosmopolitische Gäste, sagt der Architekt. Mit anderen Worten: auf Menschen, die ihren Lebensstil gefunden haben und den auch im Urlaub genießen wollen.

Dem puristischen Konzept folgt auch das Spa. Kreisrund ist der Salzwasser- Pool, die vier Saunen haben keine Fantasienamen, sondern sind schlicht mit den Temperaturangaben bezeichnet: Tief, Mittel, Nass- Nebel und Heiß-Trocken. Nicht mal eine Sanduhr gibt es an der Saunawand. Weil sie stilistisch nicht passt? „Nein“, sagt eine Spa-Mitarbeiterin lächelnd. Man habe bewusst darauf verzichtet, weil die Gäste nicht auf eine Uhr starren sollen. Sie sollen selbst wahrnehmen, wann sie genug von der Hitze haben.

Das Cerês setzt den lebenserfahrenen Gast mit Geschmack voraus. Und ein Familienhotel will es gar nicht erst sein. Sandige Kinderfüße passen kaum auf das dunkle Eichenholzparkett. Im Sommer bietet das Hotel 15 Strandkörbe an, „aber wir können sie nicht immer vermieten“, sagt Lau-Engehausen. Die Gäste gehen wohl eher spazieren oder erkunden die Insel, als am Strand rumzulümmeln.

Das im Sommer 2007 eröffnete Hotel, bereits mit diversen Designpreisen ausgezeichnet, könnte in einer Metropole wie London, Paris oder Rom zur schicken Adresse werden. In Binz hingegen muss der Gast das kühle Interieur im Kontrast zu Budenzauber und Strandleben erst mal verarbeiten. Gut möglich, dass mancher da fremdelt. Aber Vorsicht, es ist ein Hotel mit nachhaltiger Wirkung. Und so kann es passieren, dass man sich später in den heimischen vier Wänden ein wenig unwohl fühlt. Alles zu bunt, irgendwie.

Hotel Cerês am Meer, Strandpromenade 24, 18609 Ostseebad Binz; Telefon: 03 83 93 / 666 70, im Internet unter: www.ceres-hotel.de, Doppelzimmer mit Frühstück ab 190 Euro, verschiedene Arrangements. Die Pauschale „Sturmzeit“ zum Beispiel beinhaltet drei Übernachtungen in der Supe riorkategorie mit Frühstücksbuffet und drei Vier-Gänge-Menüs, 345 Euro pro Person im Doppelzimmer.

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