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© ARD_Degeto

Da wohnt der Commissario: Führungen zu Originalschauplätzen: Italienische Detektive besondes beliebt.

Detektive sind bei Lesern besonders beliebt. Man kann sich auch an ihre Fersen heften.

Wahre Commissario-Brunetti-Tifosi haben neben jedem neuen Donna-Leon- Krimi stets einen Venedig-Stadtplan zur Hand. Ihm nach! Im Geiste dem Commissario, der seine Fälle ohne Brüllerei und Ballerei löst, über Ponti und Piazze durch die Lagunenstadt zu folgen – zu schön. Andere fahren direkt hin und machen Spurensicherung an den Orten des fiktiven Geschehens. Doch: Wie hieß nur noch die Bar, in der Brunetti sich häufig aufhielt, bevor er seine Frau Paola kennenlernte? In welchem Restaurant arbeitet die Köchin Maria, der er so viele Gaumenfreuden verdankt? Um alle 17 Brunetti-Fälle im Buchformat als Spickzettel mitzuschleppen, bräuchte man einen Sergente vom Format eines Vianello. Autorin Toni Sepeda hilft und hat alle Fälle samt Zitaten und Locations in ein Buch gepackt. Die 13 kurzweiligen Streifzüge der einzigen von Donna Leon autorisierten Führerin haben Karten mit nummerierten Orten des Geschehens. Auch die von den Venezianern als unnahbar fern empfundene Insel Murano fehlt nicht. Sie ist Schauplatz des Falles „Wie durch ein dunkles Glas“, der am 22. Oktober in der ARD gesendet wird.

Machen Sie sofort die Tür auf! Va bene – Paola Brunetti öffnet den Lesern Küchentür, Kochtopf- und Buchdeckel. 91 Rezepte sind versammelt. Wenn das nicht ein Beweis ist, dass Brunetti doch ein Gourmet ist. Einmal bei den Brunettis zu Gast sein dürfen. Allein schon wegen der Dachterrasse!

Kaum 100 Kilometer Luftlinie von Venedig entfernt, in der Hafenstadt Triest, ermittelt weniger spektakulär, dafür aber mit mehr politischer Brisanz, Commissario Proteo Laurenti. 54 Jahre, verheiratet mit Laura, drei Kinder. Die Grenznähe zu Slowenien und Kroatien inspirieren Autor Veit Heinichen dazu, seinen Commissario mit Schmuggel, Attentaten, Mafia und Korruption zu beschäftigen.

Der sechste und jüngste Fall Laurentis, „Die Ruhe des Stärkeren“, zeigt enge Berührung mit den realen Auswirkungen des Schengener Abkommens. Fünf von elf Fällen hat die ARD bisher mit Henry Hübchen verfilmt. Schon stromern Laurenti-Leser und Hübchen-Gucker durch die Gassen der Stadt und lassen sich die Winde um die Nase wehen, für die Triest berühmt ist: mal Maestrale oder Scirocco, mal Libeccio oder Grecale und vor allem der kalte Bora-Fallwind aus Nordost.

Auch die Zutaten für die Triester Küche sind im Verlauf der Jahrhunderte aus allen Windrichtungen in die Töpfe geweht. Köchin Ami Scabar bringt diese mediterranen Aromen mit Traditionen in kreativen Einklang. Das Netz der Verquickung von Roman und Realität zieht sich nun zu: Laurentis Teenager-Sohn Marco macht eine Ausbildung zum Koch im Restaurant von Ami Scabar. Sie ist die Freundin des Autors. Und die Chefin des Sohnes des Commissarios. Blicken Sie noch durch? Feinschmecker Veit Heinichen und Ami Scabar haben die Spezialitäten aus Triest und des Roman-Commissarios zu einem kulinarischen Führer durch Stadt und Umgebung zusammengeführt. Wer das Restaurant Scabar in der Erta Sant’ Anna 63 an den steilen Abhängen oberhalb Triests ohne Navigationsgerät findet, gehört ganz bestimmt zu den fortgeschrittenen Commissario-Detektiven.

Vigàta nennt Autor Andrea Camilleri das Wirkungszentrum seines nicht auf Anhieb sympathischen Commissario Salvo Montalbano an der südsizilianischen Küste. Dass es sich dabei um den Ort Porto Empedocle handelt, haben eifrige Leser längst herausgefunden. Flugs haben die Stadtväter an das Ortsschild den Namen Vigàta angehängt – suchen doch Scharen an Gästen nach Straßen, Bergen, Buchten oder Restaurants aus den bisher elf von fünfzehn ins Deutsche übersetzen Romanen und vier TV-Verfilmungen mit Luca Zingaretti.

Doch, oh Schreck: Die literarisch exakt beschriebenen Wege und Örtlichkeiten führen keineswegs zu tatsächlichen Plätzen. Dieser Verwirrung traten fünf Architekten entschlossen entgegen, machten die realen Schauplätze und Filmdrehorte ausfindig und kombinierten sie mit Fotos und den entsprechenden Romanauszügen. Frischer Fisch ist die kulinarische Leidenschaft des spröden Junggesellen, der am liebsten die Kochkunst seiner Haushälterin Adelina genießt.

„Montalbano bringt zur Not vielleicht zwei Spiegeleier (...) zustande“, gesteht sein Schöpfer Andrea Camilleri. Für den 58-jährigen Commissario muss alles nach Meer schmecken. Das Wichtigste für ihn: schweigend essen. Und niemals einen Espresso oder Digestif danach. Warum? Um den Geschmack des Meeres möglichst lange zwischen Zunge und Gaumen zu erhalten.

Der Geschmack des Meeres ist eingefangen in einem Kochbuch. An welcher Stelle auch immer man dieses aufklappt, schwappt eine Mittelmeerwelle mit ihrem ganzen Reichtum heraus: Seeigel gebacken, Degenfisch gesotten, Meeresschnecken gekocht – für die hiesigen, gemeinen Montalbano-Leser, die bisher über „frutti di mare“ kaum hinausgekommen sein mögen, ein gefundenes Fressen. Zwar möchte der betagte Camilleri seiner Commissario-Schöpfung wohl alsbald ein Ende setzen, vorerst aber geht''s weiter: Junge Frau – Tattoo – Russin – Prostitution in „Die Flügel der Sphinx“. Wen wundert’s da, dass sich nicht nur Commissario Montalbano nach der Leichtigkeit des Seins sehnt.

Uta Petersen

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