zum Hauptinhalt
Ringelpiez geht immer. Wenn die Sonne scheint, muss Animation nicht kompliziert sein. Foto: mauritius images

© mauritius images / imagebroker

Reise: Das Kind bestimmt

Neckermanns „familywelt“ will anspruchsvollem Nachwuchs gerecht werden.

Auf den ersten Blick sieht das aus wie die übliche Markenkosmetik, mit der sich Reiseveranstalter einem veränderten Buchungsverhalten ihrer Kunden anpassen: Thomas Cook Reisen und Neckermann Reisen – zwei Marken unter einem Firmendach – haben ihre bisher zehn verschiedenen Zielgruppen-Rubriken vom „Club Vital“ über „Kids Club“ bis „Cook’s SportClub“ auf fünf sogenannte Erlebniswelten reduziert. Diese finden sich auch in den Katalogen von Öger Tours, der jüngsten Neuerwerbung der Thomas Cook-Gruppe. Eine der Erlebniswelten ist die „familywelt“, neudeutsch im Sprachenmix und mit kleinem „f“ geschrieben. Bei näherem Hinsehen verbirgt sich dahinter ein ausgeklügeltes Kinder-Betreuungssystem.

„Das ist ein hoch differenziertes Programm“, sagt Axel Hübner, bei Thomas Cook / Neckermann sozusagen der Vater der Familienangebote. „Wir unterscheiden dabei sogar zwischen Jungen und Mädchen.“ Zu der Erkenntnis, dass beide Geschlechter schon mal unterschiedliche Bedürfnisse beim Spielen haben, hätte es nicht der umfangreichen Marktforschung bedurft, die der Schaffung der „familywelt“ vorausging. Sie brachte jedoch interessante Aufschlüsse über die Zielgruppe der Familien, zu der 35 Millionen Menschen in Deutschland zählen – „ohne Oma und Opa“, wie Hübner sagt. Und die Gruppe ist alles andere als homogen.

Die von der Reisebranche mit Angeboten hofierte Schar der Alleinreisenden mit Kind ist verschwindend klein und beträgt laut Hübner nur ein Prozent der Urlauber. Neben jungen Familien haben es die Ferienmacher mit Familien inklusive Großeltern zu tun, mit Großfamilien, bei denen drei oder mehr Kinder mitreisen, mit Patchwork-Familien (Hübner: „Das wird gelebt und ist nicht nur ein Modewort“) – und mit Best-Age-Familien. „Das Kernalter deutscher Familienvorstände reicht von 33 bis 55 Jahren“, betont Hübner. „Der Opa von früher ist der Vater von heute.“

Und der ist anspruchsvoll. Mit über einen Kamm geschorener Kinderanimation, das haben die Marktforscher den Reisemanagern unmissverständlich klargemacht, ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. „familywelt“, setzt auf Differenzierung: Es gibt unterschiedliche Gruppen mit entsprechender Betreuung für Urlauberkinder von drei bis fünf Jahren (Gruppe Teddies), für Sechs- bis Achtjährige (Gruppe Minis), für die Kinder von neun bis zwölf (Gruppe Wavers) und für die bei den meisten Familienprogrammen vernachlässigte Gruppe der pubertierenden Heranwachsenden zwischen 13 und 16 Jahren (Clubbers). In 14 Hotels werden sogar in Zusammenarbeit mit einem Sponsor, der die Betreuungsräume ausstattet, die Allerkleinsten bespaßt, Babys und Kleinkinder von sechs bis 35 Monaten.

Die jungen Animateure (Hübner: „Ab 30 wären sie nicht mehr glaubwürdig“) kümmern sich um ihre Kundschaft an sechs Tagen in der Woche zwischen 10 und 12 Uhr 30 sowie 15 und 17 Uhr 30. Nicht nur Spaß und Spiel haben die Animateure im Repertoire, sondern auch „durchaus vergnügliches Lernen“ (Hübner), Kinderyoga zum Beispiel oder in zehn ausgewählten Hotels Englisch- Schnupperkurse für Drei- bis Zwölfjährige. Motto: Englisch am Pool – das ist cool.

Kinder und Animateure essen auch gemeinsam. „Damit die Eltern auch mal in Ruhe einen Ausflug machen können“, sagt Hübner, „ist einmal pro Woche Ganztagsbetreuung angesetzt.“ Noch mehr: An sechs Abenden pro Woche wird eine Kinderdisco oder eine Show veranstaltet; dann werden die Kinder bis 22 Uhr betreut. Bei allen Angeboten ist die Teilnahme natürlich freiwillig: „Wenn jemand sein Kind nur an einem Tag bringt oder nach zwei Stunden wieder abholt, ist das in Ordnung“, versichert Hübner.

63 Hotels in zehn Ländern von Deutschland über Griechenland bis Spanien bieten jetzt die „familywelt“ an. Bis auf die Babybetreuung, die sechs Euro am Tag kostet, sind die Kosten dafür im Reisepreis eingeschlossen. Das müsse heute so sein, betont Hübner: „Ohne All inklusive ist fast nichts mehr für Kinder zu verkaufen.“

Horst Schwartz

Zur Startseite