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Reise: Der Pastor bringt Kaffee Fontanes Birnen-Ballade machte Ribbeck bekannt.

Nun entwickelt es sich zum Kleinod im Havelland. Die Kirche ist schmuck, bald öffnet das Schloss

Das Storchenpaar dort oben auf dem schlanken Backsteinturm der alten Brennerei hat zwei seiner Jungen aus dem Nest geworfen. „Vielleicht, weil sie nicht genug Futter finden, es ist ja viel zu trocken in diesem Jahr“, mutmaßt ein Einheimischer. Sonst aber ist die Welt in Ordnung in Ribbeck. Der Ort, durch Fontanes Birnbaum-Ballade bekannt geworden, entwickelt sich zum Kleinod im Havelland. „Es ist ein typisches brandenburgisches Angerdorf, mit Kirche, Feuerlöschteich und Häusern mit Gärten drumherum“, sagt Sonja Hermann, Geschäftsführerin des Kulturvereins Ribbeck e. V. Doch während ähnliche Flecken in der Mark düster vor sich hindämmern, wirkt Ribbeck bunt und quicklebendig.

Dass es so ist, liegt an Menschen wie Frank-Norbert Möhring. Seit 30 Jahren ist er Pastor in der Gemeinde. Einer, der sonntagvormittags in der schmucken Dorfkirche predigt – und nachmittags schon mal Kaffee ausschenkt. Tische und Bänke stehen dann vorm orange leuchtenden Gotteshaus, es gibt frischen, selbst gebackenen Kuchen.

Natürlich wollen alle den Birnbaum sehen. Seit dem Jahr 2000 steht wieder einer da, als Ersatz für jenen, den 1911 ein Sturm umgeworfen hatte. Dicke Prachtexemplare allerdings reifen nicht an dem Nachfolger, „eher so kleine, verknubbelte“, sagt Möhring. Dafür aber eine ganze Menge, und das sei gut, denn manche Leute pflückten eben gern eine ab.

Im Vorraum der Kirche geht es munter und irdisch zu. Allerlei wird zum Verkauf angeboten. Fontane-Bücher, aber auch Scheibengardinen „Birne Ribbeck“, Erdbeermarmelade, Topflappen oder handbemalte Baumwolltaschen. Auf einer prangt das neobarocke Schloss Ribbeck. Eine goldene Kugel wie auf dem Stoffstück hat es in Wirklichkeit nicht, aber sonst kann sich seine gerade fertig restaurierte blassgelbe Fassade sehen lassen. Im kommenden Sommer soll das Herrenhaus, seit Ende 2005 im Besitz des Landkreises Havelland, als Fontane- Museum und Veranstaltungsort mit Festsälen und Restaurant eröffnen. Fast 7000 Quadratmeter stehen im Gebäude zur Verfügung.

Dass von 1952 an mehrere Jahrzehnte ein Altenheim im Schloss war, wird dann niemand mehr vermuten. Ein Relikt allerdings, um das es nach Auskunft von Sonja Hermann, „viele Diskussionen gab“, wird bleiben. Ein Wandrelief, zu DDR- Zeiten gefertigt, wird zu betrachten sein. Darauf ist der Gutsherr als feister Mann dargestellt, der sich die Birne wohl lieber selbst in den Mund schieben will. Der vermeintlichen Szene von 1790 ist eine andere von 1956 gegenübergestellt. Da reichen Kinder alten Menschen die Früchte. Des Künstlers Motto: Gut und gerecht ist die Welt, nachdem „Junkerland in Bauernhand“ geriet. Mit der Entscheidung für den Verbleib des Reliefs (das zurzeit behutsam restauriert wird) zeigen die Ribbecker, wie souverän man mit Geschichte umgehen kann.

In der alten Dorfschule ist ein Café eingezogen, in dem auch einfache Speisen serviert werden. Daneben gibt es ein kleines Museum, in dem Schulpulte stehen und man anhand von Dokumenten sehen kann, was ein Lehrer zu Fontanes Zeiten so alles leisten musste. „Läuten der Glocke, täglich um halb zwölf Uhr mittags, Heizen der Schulzimmer, mit vorherigem Zerkleinern des Holzes und Sorge tragen für Reinigung des Schulzimmers durch die Schulkinder“, zum Beispiel.

Unweit der „Alten Schule“ hat die Kirche ihren weitläufigen, zwei Hektar großen Garten zum schön bepflanzten Park gestaltet. Auch biblische Arten sind hier kultiviert – und die Kirche macht ein Lehrstück daraus. „Urtica urens“ etwa steht auf einem Schild, und darunter ein Bibelzitat: „Und siehe, lauter Brennnesseln standen darauf, und er stand voller Disteln, und die Mauern waren eingefallen.“ Das Wort Brennnesseln ist unterstrichen, dadurch wissen die Besucher, was sich hinter Urtica urens verbirgt. „Aber eben erst, wenn sie die Bibelstelle gelesen haben“, freut sich der Pfarrer.

Ribbeck hat einen Barfußpfad angelegt, auf dem die zwei Kilometer bis zum Kinderbauernhof Marienhof durch havelländische Wiesen gestapft werden können. Ein Fahrradverleih animiert zu Entdeckungsreisen auf dem hier vorbeiführenden Havelländischen Radweg, und wer mit dem eigenen Drahtesel gekommen ist, kann diesen bei Bedarf in der angeschlossenen Werkstatt selbst auf Vordermann bringen.

Das Dorf entwickelt sich mehr und mehr so, wie es sich Carl Friedrich von Ribbeck wünschte, als er 1998 an den Ort seiner Kindheit zurückkehrte. Hat er von einem Leben im Schloss geträumt? Viele Erinnerungen habe er nicht, sagt er, der acht Jahre alt war, als die Familie fliehen musste.Weihnachten fällt ihm ein. „Immer bekamen erst die Arbeiter ihre Geschenke, und dann erst wurden wir Kinder beschert“, sagt er. Das habe ihn als Sechsjähriger geärgert. Heute sähe er die Dinge natürlich in einem anderen Licht...

Inzwischen lebt er mit seiner Familie in einem gediegenen Wohnhaus, das er sich nahe dem Schloss errichten ließ. Wichtiger für den Ort: Er hat die alte Brennerei restauriert. „Aus der havelländischen Birne kann man keinen ordentlichen Brand herstellen“, sagt er. Aber für aromatischen Birnenessig sei die Sorte gut. Von anfänglichen Ressentiments einiger Dörfler gegen die „Rückkehr des Adligen“ scheint nichts übrig geblieben. „Man sieht ja, was er für Ribbeck tut“, sagt eine Einheimische.

Ribbeck ist ein Dorf zum Staunen, eins zum Übernachten – leider – noch nicht. Eine Ferienwohnung der Kirche bietet die einzige Logiermöglichkeit. Ein kleines nettes Hotel, in dem man morgens die Hähne krähen hört, fehlt. Doch bald, so ahnt man, wird sich einer finden, der es aufmacht. Und die Gäste zum Frühstück mit Birnenkonfitüre beglückt.

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