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Felder, wie gemalt. Noch heute terrassieren viele Bauern ihr Land, so wie hier, beim Dorf Bilad Sayt. Foto: mauritius images

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Reise: Der Sultan wohnt im neunten Stock

Wüste, Oasen, Gebirge und Strände: Oman hat viel zu bieten. Wer das Besondere will, schläft im Sechs-Sterne-Hotel – oder unterm Sternenhimmel

Ratlos steht das Touristenpärchen mit ihrem Jeep in einem ausgetrockneten Flussbett und studiert den Reiseführer. Wadi Dayqah heißt das Ziel. Es gilt als eines der schönsten Täler in Oman. Doch die Wegbeschreibung in dem Buch ist kaum zu gebrauchen. Im Nu ist der Geländewagen umringt von Bewohnern der nahen Oase Khabbah. Fremde finden nur selten den Weg in den versteckten Ort, der vier Autostunden von der Hauptstadt Maskat entfernt liegt.

Die Männer fragen nach dem Woher und Wohin, bald zwanzig Hände strecken sich zum Gruß entgegen. Von Deutschland haben sie gehört, von der Hauptstadt Berlin und dem Fußballer Michael Ballack. Sie laden die Besucher ein in den klimatisierten Versammlungsraum. Frauen haben hier normalerweise keinen Zugang, doch für die junge Touristin wird eine Ausnahme gemacht. Als Zeichen der Gastfreundschaft bieten die Männer Kaffee und Früchte an, die in Khabbah wachsen.

Dann führen sie die Gäste durch die Oase mit ihren üppigen Gärten und einfachen Lehmhäusern. „Wir sind ein armes Dorf“, sagt Khalifa fast entschuldigend. Stolz zeigt er seinen Garten, in dem Bananen, Limonen, Mangofrüchte und Dattelpalmen wachsen. Mehrere, auf Hügeln errichtete Wachtürme überragen den Ort, Relikte aus einer Zeit heftiger Stammeskriege. Doch diese blutigen Fehden sind vorbei, Oman ist heute ein friedliches Land.

Seit 1970 regiert Sultan Qaboos den Staat. Der Herrscher wird auch in dem Dorf Khabbah hoch geschätzt. „Er ist sehr beliebt, weil er viel für sein Volk getan hat“, berichtet Khalifa. Als Qaboos seinen Vater Said bin Taimur stürzte, befand sich Oman auf dem Niveau der Dritten Welt. In dem Land ohne Strom gab es nur drei Koranschulen, zwei Kliniken und zehn Kilometer Teerstraße.

Der alte Sultan betrachtete das von Aufständen heimgesuchte Land als seinen Privatbesitz und schottete es vor westlichen Einflüssen ab. So verbot er Sonnenbrillen und Transistorradios. Auch Radfahren war untersagt. Durch die Einkommen aus dem Ölgeschäft hat das Land in den vergangenen 30 Jahren einen sagenhaften Aufschwung erlebt. Die Lebenserwartung stieg von früher 46 auf 70 Jahre an. 2000 Schulen wurden gebaut, auch für die Kinder von Khabbah.

Der Abschied von den Bewohnern des Dorfes ist herzlich. Dann schaukeln die Besucher mit dem Jeep weiter durch steiniges Gelände. Nach einer halben Stunde ist das Wadi Dayqah erreicht, es liegt versteckt hinter einem Palmenhain. Tonnenschwere, herabgestürzte Gesteinsbrocken aus Granit versperren den Weg ins Innere der Schlucht, die von mehrere hundert Meter hohen, senkrechten Felswänden begrenzt wird. Weiter geht es hier nur zu Fuß.

In mit Regenwasser gefüllten natürlichen Bassins, in denen Frösche quaken, planschen Kinder des nahegelegenen Dorfes. Es ist Freitag, in Oman ein arbeitsfreier Tag. Einige Männer machen im Wadi Picknick und ziehen an ihren Wasserpfeifen. Zu den Gebetszeiten knien sie auf ihren Badetüchern in Richtung Mekka nieder und preisen Allah.

Mehrere hundert Wadis gehören zu Oman. Manche sind weniger als hundert Meter breit und nur wenige Kilometer lang, andere messen 200 Kilometer und mehr. Fällt Regen, verwandeln sich die im Sommer oft ausgetrockneten Täler in reißende Flüsse.

Oman hat sich erst in den 1990er Jahren dem Tourismus geöffnet. Die meisten Hotels reihen sich entlang den langen Sandstränden der Hauptstadt Maskat. Das Al Bustan Palace Hotel gilt als das luxuriöseste des Landes. Die von Weihrauch geschwängerte Sechs-Sterne-Herberge gehört dem Sultan, der die oberste neunte Etage für sich reserviert hat.

Viele Ausflüge ins Landesinnere lassen sich von Maskat aus bequem in einem Tag unternehmen. Beliebt sind Touren zu den Lehmfestungen Nakhl und Rustaq, in die hübsche Oase Birkat al-Mauz, zur Ruinenstadt Tanuf oder nach Nizwa.

Von dem alten Fort über der quirligen Stadt Nizwa fällt der Blick auf das bis zu 3000 Meter hohe Jebel Akhdar Gebirge. Auch im Hochsommer ist es dort oben nie heißer als 25 Grad, und oft weht ein frischer, kühlender Wind. Unterhalb des Gipfels bietet sich eine grandiose Aussicht hinab in eine tausend Meter tiefe Schlucht, die als „Grand Cañon“ von Oman bezeichnet wird.

Eine ganze andere Landschaft zeigt sich südöstlich des Hochgebirges. Nahe der Stadt Ibra erstreckt sich die Wahiba-Wüste bis zum Arabischen Meer. Weiße Schäfchenwolken werfen Schatten auf die rostroten Dünen, die nach dem letzten Regen von zartem grünen Flaum überzogen sind. Bunt gescheckte Ziegen klettern über die Sandberge und rupfen an den Grasbüscheln. Am Rande einer holprigen Piste, die ins Innere der Wüste führt, liegt das ausgebleichte Gerippe eines Dromedars. Gegen Abend kommt ein Sturm auf, der wie ein heißer Föhn bläst. Der mehrere hundert Meter emporgewirbelte Sand taucht die Sonne in diffuses Licht. Aus einer Staubwolke taucht plötzlich ein Beduinenjunge auf, der mit sechs ungestümen Kamelen der untergehenden Sonne entgegen reitet.

Die unwirtliche Wahiba-Wüste ist die Heimat Tausender Beduinenfamilien. Sie leben weit verstreut in Zelten oder ärmlichen Hütten aus Palmzweigen. Der Staat hat ihnen zwar feste Häuser angeboten, doch viele lehnten ab. Das Dromedar als Lasttier hat jedoch ausgedient. Die Beduinen von heute fahren klimatisierte Jeeps und telefonieren mit dem Handy.

Die Wahiba ist im Vergleich zur Sahara nur ein Sandkasten, die Gefahren sind jedoch nicht zu unterschätzen. „Ohne Erfahrung oder einen guten Führer sollte man sich nicht hinein wagen“, warnt Reiseführer Selim. Gerne imponiert er den Touristen, wenn er mit seinem Jeep über die etwa 100 Meter hohen Dünen brettert. „Vorher eine Minute lang den Luftdruck aus dem Reifen lassen und niemals im Sand bremsen“, verrät er.

Eine Nacht in der Wahiba-Wüste zu verbringen, ist ein besonderes Erlebnis. Touristen können in einem der Camps übernachten, sei es im Zelt, in Palmenhütten oder einfach unterm Sternenhimmel. Vor dem Schlafengehen kontrolliert Selim, ob sich nicht ein Skorpion im Nachtlager versteckt hat.

Im Sommer wird es in der Wahiba- Wüste unerträglich heiß. „Dann ziehen sich die Beduinen aus dem Inneren der Wüste zurück“, berichtet Selim. Selbst in der Hauptstadt Maskat kann das Thermometer in dieser Zeit bis auf 50 Grad steigen. Wohlhabende fliehen dann in Omans südliche Provinz Dhofar an der Grenze zum Jemen. Die arabische Halbinsel wird hier vom Monsun berührt. Die Temperatur sinkt drastisch, es regnet oft. Das staubige, ausgetrocknete Land verwandelt sich in einen grünen Garten Eden. Sonnenhungrige Europäer kommen in dieser Zeit nicht auf ihre Kosten. „Vom Hotel aus kann man das Meer wegen des Nebels nicht erkennen, und der Strand ist wie weggewaschen", berichtet Steven van Cappanolla, Manager im Hilton Hotel von Salalah. Doch die arabischen Gäste genießen das feuchte Klima. „Die finden das romantisch“, erzählt Cappanolla.

Ulrich Willenberg

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