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Doppelte Heimat: In zwei Welten zu Hause

Israel Kaunatjike kam 1970 nach Berlin – und blieb.

Wenn er zu Besuch in seiner alten Heimat Namibia ist, vermisst Israel Kaunatjike vor allem sein Fahrrad. Denn damit flitzt er normalerweise durch seine neue Heimat, Berlin, und „kommt so herrlich schnell von einem Ort zum andern“. Obwohl: Von neuer Heimat kann man eigentlich gar nicht mehr sprechen. Denn Israel Kaunatjike lebt seit fast 40 Jahren in Berlin. Die Stadt ist sein Zuhause geworden, „der tollste Ort der Welt.“

1964, mit gerade mal 17 Jahren, musste er Namibia Hals über Kopf verlassen: Als Mitglied der South West African National Union (Swanu), der ersten politischen Partei des damaligen Südwestafrika, hatte sich Kaunatjike aktiv gegen die Apartheid eingesetzt. Über Botsuana, Tansania und Ägypten floh er nach Polen, zwei Jahre später, 1970, nach West-Berlin. Dort schloss er sich der Antiapartheitsbewegung an, fand schnell Kontakt zu Deutschen. „Das war die Hippiezeit damals“, erinnert sich Kaunatjike. „Da waren die Leute einfach sehr offen und locker.“

Er war zwei Mal verheiratet, hat drei Töchter – und ist heute mehrfacher Großvater. An Berlin schätzt er vor allem die reiche Kulturszene und „dass jeder Mensch hier seine Nische findet“. Kaunatjike selbst verkauft auf Märkten afrikanisches Kunsthandwerk. Und auch seinem politischen Engagement ist er bis heute treu geblieben: Er besucht Schulen, um Jugendlichen die Geschichte Namibias nahezubringen. Auch ihre dunklen Kapitel wie den Krieg von 1904, bei dem das Volk der Herero, zu dem auch Kaunatjike gehört, von den deutschen Kolonialherren fast völlig ausgelöscht wurde. Gemeinsam mit dem Regisseur Martin Baer hat er hierüber den Dokumentarfilm „Weiße Geister“ gedreht.

Hin und wieder besucht er seinen Bruder, der in Namibia eine Farm besitzt – und kann sich nicht dagegen wehren, dass dann manchmal der kulturverwöhnte Berliner in ihm durchkommt. „Unter der Woche gehen die Menschen hier einfach viel zu früh ins Bett“, seufzt Kaunatjike. „Und die Szene in Windhoek habe ich in einer Stunde durch.“ Was er mag, ist die Gelassenheit seiner Landsleute, den ruhigeren Rhythmus, den das Leben hier anschlägt.

Ein paar Jahre noch, dann geht Israel Kaunatjike in Rente – und zurück nach Namibia? Seine Antwort ist die eines echten Weltbürgers: „Fifty-fifty Berlin und Namibia, das wäre perfekt.“

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