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Reifeprüfung. Der Kellermeister hat gut zu tun. 650 000 Liter Wein lagern hinter meterdicken Mauern. Foto: picture-alliance/Bildagentur Huber

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Reise: Ein Keller Flüssiges

Fast 900 Meter lang ist das Gewölbe unter der Würzburger Residenz. Wer hineingeht, darf probieren

Alexandra Memmel hält ihr Glas leicht geneigt in die Höhe. „Zuerst prüfen Sie die Farbe des Weins und schauen recht streng dabei“, sagt sie. „Dann schnüffeln Sie am Wein – und anschließend tun Sie beim Trinken so, als ob Sie etwas prüfen.“ Alexandra Memmel ist Gästeführerin im Weinkeller des Würzburger Residenzschlosses. Jedes Wochenende spaziert sie mit Besuchern durch die weitläufigen und labyrinthisch verschlungenen Kellergänge des ehemaligen „Fürstbischöflichen Hofkellers“, um ihnen prächtige Holzfässer zu zeigen, einen halbtrockenen Rieslaner zu kosten – und ein wenig vom fränkischen Weinbau zu erzählen.

„Der Staatliche Hofkeller allein produziert etwa 650 000 Liter im Jahr. Er gehört zu den vier größten Weingütern Deutschlands“, sagt sie im schummrigen Licht des Gewölbes. Der Hofkeller verfügt über Weinberge in ganz Mainfranken. Dabei sind es wohl oft die besseren Lagen, die nach der Säkularisation aus dem Besitz der Fürstbischöfe, Stifte und Klöster übernommen wurden.

1719 bekam Balthasar Neumann, der Baumeister aus Eger, von Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn den Auftrag, eine neue Residenz in Würzburg zu errichten, und die Vorgabe, vor allem auch einen „vorzüglichen Weinkeller“ einzuplanen.

Wie ein U-Bahn-Tunnel bohrt sich der 891 Meter lange Gewölbegang durch den Untergrund der fürstbischöflichen Residenz. Ganz gradlinig verbindet er die kargen Lagerräume und Quergänge, in denen etliche Weinfässer von 1200 bis 50 000 Liter Größe aufgereiht sind. Seine meterdicken Sandsteinmauern bürgen für kühle Temperaturen, während Hunderte von Kerzen an Fässern, Wänden und Deckenleuchtern eine romantische Stimmung vermitteln. „Napoleon hatte schon 1803 erkannt, dass es einer der schönsten Weinkeller Europas ist“, sagt Alexandra Memmel im Gewölbe der Residenz.

Einst diente der riesige Stadtpalast den Würzburger Fürstbischöfen als Wohn- und Regierungssitz – heute ist er ein Touristenmagnet: Mehr als 300 000 Neugierige besuchen ihn im Jahr, um seine Deckengemälde, Spiegelkabinette und Wandteppiche zu bewundern – und danach den Weinkeller zu besichtigen.

„Leider erwärmen sich die Gewölbe durch die Besucher dermaßen, dass im Nordflügel kein Wein mehr gelagert werden kann“, gesteht die Führerin. Die Produktion finde im Südflügel des Kellers statt, während der Nordteil für Führungen, Filmabende und Lesungen, aber auch Diskonächte und Weinproben genutzt wird.

„Wir haben schließlich 30 Rebsorten in Franken: ob Silvaner, Riesling oder Müller-Thurgau", schwärmt Alexandra Memmel an einem der 50 000 Liter großen „Beamtenfässer“ aus dem Jahr 1784. Der Hofkeller lagerte darin einst den flüssigen Sold der Residenzbediensteten, die traditionell zu einem Gutteil in Wein bezahlt wurden; knappe fünf Liter habe jeder täglich bekommen, sagt sie etwas nachdenklich.

Heute beliefert der Keller unter anderem die Bayerische Staatskanzlei mit guten Tropfen – von den Lagen „Großheubacher Bischofsberg“ bis hin zum „Würzburger Stein“. Dessen Weine haben schon Kurt Tucholsky beeindruckt. „Und Goethe soll bis zu zwei Flaschen davon am Tag getrunken haben“, sagt Alexandra Memmel. „Aber nur zur Inspiration.“

Mehr zu Würzburg erfährt man auch auf der ITB in der Bayern-Halle 6.2 b

Martin Seger

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