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Nicht stören, bitte. Auch ganz in der Nähe, in Brandenburg, findet jeder „seinen“ See. Typisch ist ein Steg dazu, wie hier in Caputh. Foto: Paul Hahn/laif

© Paul Hahn/laif

Erinnerungen: Sommer am See

Kühl, erfrischend und erholsam: In den Ferien wollen (fast) alle ans Wasser. Zum Ausruhen, zum Baden, zum Träumen. Unsere Autoren schwelgen in Erinnerungen.

BAYERISCHES ATLANTIS

Der Forggensee im Allgäu ist nur ein paar Jahre älter als ich. 1954 hatte man damit begonnen, den Lech aufzustauen. Ich trat etwa zehn Jahre später das erste Mal an sein Ufer. Leider konnte ich damals, ich muss so sechs oder sieben gewesen sein, noch nicht schwimmen. Mein großer Bruder und seine älteren Kumpels konnten, und so führten sie für mich, der da am Ufer rumplanschte, ein sagenhaftes Spektakel auf: Sie schwammen ungefähr 100 Meter raus und richteten sich plötzlich im nur noch hüfthohen Wasser auf.

Dicht unter der Wasseroberfläche befand sich dort draußen ein alter Damm mit einer Straße darauf. Manche fabulierten sogar von Häusern, ja ganzen Ortschaften, die bei der Flutung versunken waren. In meiner Fantasie, angefeuert durch Schloss Neuschwanstein, das der Bayernkönig Ludwig II. jenseits des Sees an den Alpenrand hatte stellen lassen, fügten sich diese Geschichten zu einem bayerischen Atlantis zusammen. Ich malte mir aus, wie eine komplett eingerichtete Märchenwelt in leicht erreichbarer Tiefe mit all ihren Schätzen auf meine Entdeckung wartete. Wenn ich doch nur hätte schwimmen können! Andreas Austilat

AUF DEM GRUND DER HIMMEL

Royalblaues Wasser kombiniert mit einem schneeweißen Sandstrand. Karibik? Nein, Lake McKenzie in Australien. Er ist einer von rund 200 Seen auf Fraser Island, einem Unesco-Weltnaturerbe. In der Sprache der Aborigines heißt die Insel „Paradies“. Der Legende nach kann man durch die Seen in den Himmel schauen. Nun gibt es viele Gründe, diesen See besonders zu schätzen. Wer weder Algen noch kleines Getier mag beim Schwimmen, ist hier genau richtig, denn es gibt kaum Lebewesen in dem See.

Das Wasser ist glasklar, fühlt sich weich und warm an beim Schwimmen. Außerdem ist er eine sichere Alternative zum nahen Strand. Dort wimmelt es nämlich nur so von Haien. Allerdings: Auch am Seestrand kann man ungewöhnlichen Tieren begegnen. Den Dingos zum Beispiel, ein vor Jahrtausenden verwilderter Haushund, dem man mit Respekt begegnen sollte. Wer gerne Rekorde in sein Reisetagebuch schreibt, sollte wissen, dass der See mit 90 Metern über dem Meeresgrund der höchstgelegene See auf der größten Sandinsel weltweit ist. Dafür ist es schön friedlich und leer hier. Elisabeth Binder

ERNSTE MÄNNER UNTER SICH

Der See ist tief, bis 60 Meter runter, und das Gerücht besagte, dass irgendwo da unten noch Fliegerbomben mit tückischen Säurezündern vor sich hin rosten. Das Gerücht hatte sogar eine Basis. 1958 hatten sie unten im Sorpe-Stausee ein scharfes Zweieinhalb-Tonnen-Monstrum gefunden, mit dem britische Bomber versucht hatten, den Damm zu sprengen. Von einem Ufer zum anderen zu schwimmen war deshalb nicht nur sportlich, sondern auch von diesem leisen Grusel begleitet, mit dem noch der Ungläubigste ins Loch Ness steigt. Aber nur am anderen Ufer liegt die Ahnung vom Paradies.

Keine Holländer mit Campingstuhl und Thermoskanne – das Sauerland zieht Holländer magisch an als erstes Halbgebirge in Reichweite. Keine giggelnden Hühner aus der Parallelklasse, mit denen Bekanntschaft zu machen sich umfassend nicht lohnte. Nur ernste Männer unter sich, das Abitur in der Tasche, dazu den Einberufungsbefehl oder die Vorladung zur Gewissensprüfung für Verweigerer. Zeit zum Reden. Sonne, Wasser, der harzige Duft der Nadelwälder. Die Mädchen, die es hier rüber schafften, waren in Ordnung. Robert Birnbaum

IM KNALLGELBEN KAJAK

Für viele mag der Wörthersee in Kärnten ein Sehnsuchtsort sein, für mich war er das nie. Er ist idyllisch, aber nicht eben cool, gilt sogar als ausgesprochen warm für einen Alpensee. Aber der Sommerurlaub 1975 ist doch in angenehmer Erinnerung geblieben: wegen der „Forelle“. So hieß das Paddelboot, das die Eltern der kleinen Schwester und mir dort spendierten, angestiftet durch unsere sehnsuchtsvoll-neidischen Blicke auf das Wassersportgerät anderer Jungtouristen, mit dem diese sich prächtig amüsierten.

Das taten wir zwei dann auch bald, ziemlich stolz, dass wir nicht mit einer aufblasbaren Plastikwanne herumschippern mussten, sondern in einem schnittigen knallgelben Gummi-Kajak mit drei Luftkammern, dem nicht gleich bei jeden Bodenkontakt das „Titanic“-Schicksal drohte. Ein Luxusmodell! Ein leichtes Plastikpaddel wäre mir da unangemessen erschienen, ich bestand auf einem schweren Holzmodell – eine Entscheidung, die ich noch heute bei jeder Paddeltour verfluche. Denn die „Forelle“ lebt, hat die Aller, die Spree und manches andere Gewässer gesehen, sogar die Brandung an der bretonischen Küste bewältigt, war immer dabei, wenn ich sie brauchte – nur leider nicht beim Segeltörn, der den Urlaub 1975 krönen sollte.

Ein Freund hatte in diesen Wochen dort einen Segelkurs belegt und mich bei einem Ausflug seiner Schule von Pörtschach nach Velden mit an Bord genommen. Eine Strecke von rund acht Kilometern, auf der Hintour ein kurzweiliges Vergnügen. Zurück allerdings gerieten wir in eine Flaute, lagen endlos auf dem See fest. Mit der „Forelle“ wäre ich schneller gewesen. Andreas Conrad

IN DER MITTE EIN SCHWANENHAUS

Nun hat der Stadtgraben sogar einen Beach. Natürlich ist das kein richtiger Strand, sondern nur ein künstlich angelegtes Sandareal. Rotgestreifte Liegestühle stehen dutzendweise rum. Da kann man sich, mit einer Caipirinha in der Hand, reinfläzen und auf Sommer machen. Auch die alte Lessingstadt Wolfenbüttel will trendy sein. Ziemlich albern an dieser Stelle. Man darf sowieso nicht baden in dem Teich, der aufgrund respektabler Ausmaße aber allemal als See durchgehen könnte. Als Kind erschien er mir riesig.

An vielen Sonntagvormittagen ging der Vater mit mir rundherum. In einer halben Stunde war das nicht zu schaffen. Man musste auch immer wieder stehenbleiben und staunen, denn der Stadtgraben hatte einiges zu bieten. In der Mitte gab es ein sogenanntes Schwanenhaus, mit Törchen, Türmchen und Erkern. Es wohnten allerdings nur Enten drin. An einem Ende des Teichs sprudelte eine mehrere Meter hohe Fontäne. All das ist, zum Glück, auch heute noch so. Der Stadtgraben lässt Spaziergänger ruhig, heiter und ein bisschen versonnen werden. Mich hat er geprägt. Seen, die ich nicht in angemessener Zeit zu Fuß umrunden kann, ignoriere ich. Sogar, wenn man darin baden kann. Hella Kaiser

KEINE BÄREN IM BUSCH

Dreimal haben wir den Abzweig verpasst. An der schmalen ausgefahrenen Schotterpiste tief im kanadischen Busch finden wir schließlich doch den versteckt liegenden holprigen Forstweg. Lange Schüttelkilometer später sind Bear Lake und die rustikale Hütte erreicht. Standort für eine Woche. Dichter Tannen-Urwald rundum. Kein Laut, keine Bewegung. Bis auf die Libellen auf der Wasseroberfläche. Selbst die beiden Großstadtkinder sind sprachlos angesichts der Szenerie. Auspacken!

Nein, zunächst die Schlafsäcke und den Proviant, dann erst das Angelzeug. Selten waren die Jungs so schnell. Dann gibt’s kein Halten mehr. Doch eingedenk der Stille geht das Vorbereiten der Ruten ohne Mucks vonstatten. Während Vater Holz sammelt, häufen sich stark unterdrückte Erfolgsmeldungen – Fisch um Fisch wird angelandet. Es reicht für heute, mehr können wir nicht essen. Forelle satt! In der Dämmerung, bei knisterndem Feuer, die unvermeidliche Frage: Warum heißt der See eigentlich Bärensee? Na ja, hebt der Vater an, da war vor vielen Jahren dieser Jäger hier am See, der saß abends am Feuer, und weil er nicht aufpasste und seine Essensreste rumliegen ließ, geschah es… Die Woche verläuft mit höchster Disziplin, spannenden Ausflügen in den Busch – und viel Fisch natürlich. Bären allerdings – Fehlanzeige. Gerd W. Seidemann

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