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Wo bleibt nur der Euro? Im Gegensatz zu Bewohnern anderer Länder interessiert das in Gibraltar nicht mal die naseweisen Affen.

© imago

Europa: Nie mehr in die Wechselstube

Entdecker, Kreuzfahrer oder Jetsetter, alle preisen den Euro. Er hat das Reisen bequemer gemacht.

König Juan Carlos von Spanien hat ihn, Angela Merkel und auch François Hollande. Die Queen hat ihn nicht, dafür aber Königin Beatrix. Die Königshäuser von Dänemark, Norwegen und Schweden wiederum kommen ohne ihn aus. Der Papst, der Fürst von Monaco und der Zwergstaat San Marino erlangten ihn nur auf Umwegen. Was ist es, was hier so ungleich verteilt ist? Unsere von vielen oft wenig geschätzte Währung, der Euro. Am 1. Januar 2002 hielt das neue Geld in zwölf Ländern Europas Einzug.

Mit Pomp und Gloria. Es war wohl die größte Währungsumstellung aller Zeiten. Weitere Länder kamen hinzu, zuletzt Lettland im Januar. Heute verwenden geschätzte 335 Millionen Bürger in 18 EU-Mitgliedsstaaten den Euro und machen ihn damit nach dem Dollar zur zweitwichtigsten internationalen Reise- und Handelswährung. Zum Alltag gehört er auch bei den sogenannten passiven Euronutzern (ohne eigene Euromünzen) Kosovo und Montenegro. Nach jahrelanger Finanzkrise hat die Währung allerdings viele Fans verloren. Und die Verweigerer fühlen sich bestätigt: Im Vereinigten Königreich, Schweden und Dänemark war sie nie erwünscht.

Vielreisende preisen die durch den Euro sprichwörtliche Reisefreiheit. Seit zwölf Jahren erlaubt er ruhelosen Entdeckern, Kreuzfahrern auf den Weltmeeren und hippen Jetsettern unbeschwertes Reisen in der Eurozone, ohne Umtauschgebühren und -aufwand. Wer heute in Paris, Rom oder Madrid aus dem Flieger steigt, muss nicht erst zum Bankautomaten oder in die Wechselstube eilen, um das Taxi in die Stadt bezahlen zu können. Er hat das richtige Geld schon im Portemonnaie. Und kann ohne Taschenrechner den Espressopreis in Lissabon, Wien oder Athen mit dem heimischen vergleichen.

Was kann man nicht alles mit dem Euro machen

Auch wer weiter in die Welt hinaus will, dem ist nur der Rat zu geben: Pack die Taschen voller Euroscheine! Denn die Eurozone ist größer, als gemeinhin gedacht. Kaum bekannt ist, dass auch tropische Inseln zu den Euroländern gehören, eisige Antarktisgebiete, afrikanische Enklaven, ein Pazifikatoll und mancher berühmte Kleinstaat.

Was kann man nicht alles mit dem Euro machen: Das kleine Gebirgsfürstentum Andorra in den Pyrenäen erkunden und sich wundern, dass die Andorraner zwei Staatsoberhäupter haben: den spanischen Bischof von Urgell und den französischen Staatspräsidenten, Vertreter ihrer großen Nachbarstaaten. Sich im irischen Dublin zu vergnügen, die exotischen irischen Gärten besuchen – und den Briten eine lange Nase machen, die allen Besuchern der Geburtstagsparade der Queen im Juni oder der Tour de France im Juli den teuren Geldwechsel aufzwingen.

Auf den Azoren das Wetterhoch beobachten und auf der Blumeninsel Madeira an üppigen Hortensienhecken entlangspazieren. Die beiden Atlantikarchipele sind portugiesisch und damit Euro-Eiland. Auch das spanische Hoheitsgebiet reicht bis in den atlantischen Ozean. Die Kanaren vor der nordafrikanischen Küste haben einen Karneval wie in Rio, Dünen wie in der Sahara und die letzten Lorbeer-Urwälder.

Aber Spanien bietet noch weit mehr. In Marokko unterhalten die Iberer die beiden Exklaven Melilla und Ceuta, wo sie inmitten der arabischen Welt farbenprächtige christliche Prozessionen zelebrieren. Gibraltar hingegen, der Affenfelsen an der gegenüberliegenden Südspitze Spaniens, verweigert sich als britische Kronkolonie dem Euro ebenso störrisch wie die Briten.

Mayotte: Newcomer in Europa

Göttliche Fügung? Der Papst auf dem 50-Cent-Stück.
Göttliche Fügung? Der Papst auf dem 50-Cent-Stück.

© Vicenzo Pinto, AFP

Die Franzosen tragen den Euro am weitesten in die Welt hinaus. Auf ihren Spuren kann man über den halben Globus ziehen, von der Karibik über den Indischen Ozean bis zur Antarktis. Auf den Antilleninseln Guadeloupe und Martinique kann der Urlauber Calypso, Cocktails und Palmen auf französische Art genießen. Mit dem Hubschrauber kann er auf der Tropeninsel La Réunion über messerscharfe Grate sausen und in tausend Meter tiefe Vulkanlöcher eintauchen. Und dabei hoffen, dass der Helikopter nicht wie Euroland in Turbulenzen gerät, weil in manchen Mitgliedsstaaten teure Rettungsschirme erforderlich sind.

Das Eiland im Indischen Ozean ist französisches Überseedepartment vor der Südostküste Afrikas, 9000 Kilometer vom Mutterland entfernt und damit der südlichste Punkt der EU. Die nahe gelegenen Mayotte-Inseln wurden per Volksabstimmung 2011 zum 101. französischen Department, gehören somit zu den jüngsten Mitgliedern Europas und nutzen seitdem ebenfalls die Gemeinschaftswährung.

Selbst kanadische Inseln kann man mit dem Euro erobern. Der windumtoste Archipel St.-Pierre-et-Miquelon erhielt als Überbleibsel der Kolonie Neufrankreich die Erlaubnis, die europäische Währung zu nutzen. Nur 25 Kilometer südlich von Neufundland gelegen, branden Atlantikwellen an seine Ufer und die 6300 Einwohner müssen mit 120 Frosttagen pro Jahr zurechtkommen. Noch mehr Kälte erleben die wenigen Touristen, die an Bord eines Versorgungsschiffes das Antarktisgebiet Adelieland anlaufen, Rest der früheren französischen Kolonie Madagaskar.

Eisige Antarktisstürme wehen ihnen um die Nase, wenn sie die etwa 30 Wissenschaftler besuchen, die hier in Forschungsstationen überwintern. Und ihre gefriergetrockneten Nudelsuppen mit dem Euro bezahlen. Selten kommen auch Filmteams vorbei, wie 2003 beim Dreh von „Die Reise der Pinguine“.

Wie gelangte das Konterfei von Papst Johannes Paul II auf den Euro?

Mehr als tausend Kilometer südwestlich von Mexiko liegt die einsamste aller Euro-Exklaven. Die ebenfalls französische Clipperton-Insel ist ein unbewohntes Atoll mitten im Pazifik, das nach dem Piraten John Clipperton benannt wurde. Sie wird von Landkrabben und Seevögeln bevölkert, denen der Euro ziemlich schnuppe ist. Ein Zahlungsmittel ist hier streng genommen gar nicht erforderlich. Normalsterbliche dürfen das Eiland ohnehin nicht betreten. Dazu müssten sie erst mal Forscher werden, wie zum Beispiel Jacques Cousteau, der es 1978 auf einer Tauchexpedition erkundete.

Doch zurück zu den Sonderfällen auf dem europäischen Kontinent: Wie gelangten die Konterfeis von Fürst Rainier von Monaco, Papst Johannes Paul II. und vom heiligen Marinus auf den Euro? Die dazugehörigen drei Kleinstaaten Monaco, Vatikanstadt und San Marino sind nicht Teil der EU und prägen dennoch eigene Euromünzen. Das kam so: Der Monegassische Franc war an den Französischen Franc gebunden, die Vatikanische und die Sanmarinesische Lira an die Italienische Lira gekoppelt.

Als Franc und Lira wegfielen, waren die Zwergstaaten gezwungen, ihre Währung aufzugeben und erhielten von der EU die Genehmigung, eigene Euromünzen anzufertigen. Mit den Köpfen ihrer berühmten Herrscher gleich noch etwas Werbung zu machen, lag da natürlich nahe. San Marino in Mittelitalien gilt übrigens als älteste bestehende Republik der Welt. Im Jahr 301 soll ihr Gründer, der Steinmetz Marinus, vor den Christenverfolgern auf einen Berg geflohen sein und dort eine christliche Gemeinschaft gegründet haben. Er errichtete ein beeindruckendes Kloster, das heute viele Besucher anzieht. Es ist also nicht übertrieben, auszurufen: Fast die ganze Welt ist Euroland!

Helgard Below

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