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Eifel: Kreisrund sind alle Seen

Vulkankegel, Urpferde, Blockmeere, Eishöhlen und Korallenriffe: Wer durch die Eifel wandert, kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Skeptisch schaut das kleine Mädchen auf das Pferd. „Da konnte doch kein Mensch drauf reiten“, sagt es kopfschüttelnd. Kein Wunder, das blasse, gedrungene Tier ist höchstens so groß wie ein Schwein und hat nicht mal eine Mähne. Halb versteckt es sich hinter einer hohen Palme, auf der ein Affe sitzt. Unten döst ein Krokodil. „So hat es hier in der Eifel vor vielen Millionen Jahre wahrscheinlich ausgesehen“, sagt Dagmar Lönard, Geologin im Maarmuseum Manderscheid. Ein Flachmeer breitete sich aus, wo nun Wälder, Felder, Hügel und Dörfer sind. Damit Kinder sich die Vergangenheit leichter vorstellen können, hat man sie tropisch inszeniert.

Die Schätze des Museums aber sind jene Fossilien, die man in der Nähe im Eckfelder Maar gefunden hat. Ein trächtiges Urpferd zum Beispiel. „Die Umrisse des Fötus sind klar zu erkennen“, sagt Dagmar Lönard stolz. In einer Vitrine prangen die filigranen Zweige einer Fächerpalme, ein Frosch ist da und hier, sagt die Geologin, „sehen Sie die älteste Honigbiene der Welt“. 45 Millionen Jahre alt soll das Insekt sein. Zur Sammlung gehört auch eine im wahrsten Sinne des Wortes steinalte Laus, die allerdings gerade unterwegs ist und durch verschiedene Forschungseinrichtungen tourt. Aufgrund des Fundes könne man nachweisen, dass bereits Dinosaurier unter den Quälgeistern leiden mussten, erzählt die Expertin. Eine Sensation. Kein Wunder, dass alle nun das Fossil begehrten und man nur hoffen könne, dass es zurückkommt ins kleine Manderscheider Museum und dort „dauerhaft ausgestellt werden kann“.

Die Eifel steckt voller Wunder – und ist vor allem im Westen faszinierend schön. Hügeliges Land mit dunkelgrün bewachsenen Vulkankegeln, dazwischen Raps- und Roggenfelder, mit bunten Blumen gesprenkelte Wiesen, Buchenwälder und Fichtenforste. Der gut 300 Kilometer lange Eifelsteig schlängelt sich – von Aachen bis Trier – hindurch.15 Etappen sind es, aber jene zwischen Hillesheim und Gerolstein gehört sicher zu den schönsten. Am Rother Kopf kommt man zum Beispiel vorbei. Knapp 500 Meter hoch ist der Gipfel und spendiert einen 360 Grad Panoramaausguck. Weit übers Land kann der Blick schweifen – und bleibt dann haften in Dottergelb. Denn unten dehnen sich Ginsterbüsche aus, und nur ein paar violette wilde Nelken verteidigen dazwischen ihren Platz. „Das ist hier wie in der Toskana“, sagt der Geologe Peter Bitchene versonnen. Und will uns trotzdem gleich wieder ins Dunkle locken.

Helm auf den Kopf, Taschenlampe in die Hand, und schon geht es in eine Höhle. Früher hätte sich auch im Sommer Eis darin gebildet, erklärt der Experte. Das wurde dann dorthin geschafft, wo man es gerade brauchte. „Auch auf dem Aachener Kongress 1815 wurden Speisen und Getränke der Anwesenden mit diesem Eis gekühlt“, weiß Bitschene. Über die Jahrzehnte hat sich das Gefüge des Berges gelockert, so dass die Luft zirkulieren und sich kein Eis mehr bilden kann. So erkennt man im Innern gut die kreisrunden Umrisse der Mühlsteine, die hier einst aus dem Fels gebrochen wurden. „Lange Zeit wurden in der Eifel Mühlsteine für die ganze Welt gemacht“, sagt Bitschene. Ein paar wurden offenbar nicht verladen und liegen nun als bemooste Zeitzeugen im Wald.

Am Wegesrand zeigen sich immer wieder Relikte der Vergangenheit. Klobige Steine und Felsbrocken haften am Fuße eines Berges, wie erstarrt in ihrer polternden Bewegung. Spielzeug eines Riesen, denkt man, doch Bitschene weiß es natürlich besser: „Ein typisches Blockmeer“, sagt er, „eine eiszeitliche Hinterlassenschaft“. Bei Gerolstein ragen spitze, raue Felsen auf, die Gerolsteiner Dolomiten. Auch eine Burgruine ist da. „Ach ja“, sagt Bitschene, „das habe ich sogar schon in Zeitungsartikeln gelesen, aber es ist natürlich Quatsch.“ Munterley sei keine alte Ruine. „Es ist ein versteinertes Korallenriff."

Man darf sich über nichts wundern in dieser Region. Gerolsteiner Wasser zum Beispiel muss man hier nicht im Supermarkt kaufen. Man kann es einfach im Park des Ortes trinken, gratis versteht sich. Unaufhörlich sprudelt das prämierte Nass dort aus der Helenequelle – und prickelt auf der Zunge wie Champagner. Eine Familie ist gerade dabei, den mitgebrachten Wasserkasten zu füllen, eine Flasche nach der anderen. „Das sehen manche in Gerolstein nicht so gern“, sagt eine Dame von Rheinland-Pfalz Tourismus. Und fügt hinzu, etwas leiser,: „Wenn ich hier wohnte, täte ich es natürlich auch.“

Der Eifelsteig führt auch an Schalkenmehren vorbei. Tief unten liegt ein See. Zwei Menschen schwimmen darin, obwohl das Wasser höchstens 17 Grad warm ist. Aber darum geht es nicht. „Das ist kein normaler See, das ist ein Maar," sagt Andreas Schüller, Leiter des Geoparks Vulkaneifel. 75 Maare gibt es in der Eifel, zehn von ihnen sind mit Wasser gefüllt, bilden also Maarseen. Entstanden sind sie durch Vulkanausbrüche. Die Serie in der Eifel begann etwa vor 700 000 Jahren, die letzten Ausbrüche fanden erst vor 10 000 Jahren statt. Heißes Magna traf damals auf Grundwasser und verursachte gewaltige Explosionen. Lava schoss in die Höhe und legte sich später als Ringwall um die Krater, Grundwasser bildete den See. „Maare“. erklärt Schüller, „sind also nicht zu verwechseln mit Kraterseen, in denen sich Regenwasser gesammelt hat.“ Man lernt eine Menge, wenn man mit Experten durch die Eifel wandert.

Es muss ordentlich gerumst haben hier, denn auf engem Raum finden sich gleich drei Maare. Oberhalb des Weinfelder Maares gibt es einen großen Parkplatz. Oft halten hier auch Busse, deren Passagiere dann den Rundweg um den See nehmen. Es kann schon mal etwas eng werden auf dem beschaulichen Pfad. „Aber wenn Sie morgens um sieben Uhr hier entlang gehen, dann treffen Sie niemanden“, sagt Schüller und lächelt: „Ich tu’ das gern und kehre dann immer ganz geläutert zurück.“

Dazu muss man nicht in die weiße Kapelle gehen, die so verlockend oberhalb des Maarufers steht. Aber, als sei sie ein Magnet, zieht sie jeden Spaziergänger an. Nur diese Kirche ist übrig geblieben vom Dorf Weinfeld. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts existierte es, dann kam die Pest. Das Dorf wurde aufgegeben. Nun ist die Kirche eine Art Wallfahrtsort geworden. Zahlreiche Dankestafeln im Innern belegen es. Für eine wundersame Heilung wird immer wieder gedankt und auch auf Vergebung gehofft. So steht etwa zu lesen: „Allzu groß war mein Begier, verzeih o' Gott und helfe mir.“ Vielleicht hat dieser gestrauchelte Mensch hier auch am Glockenseil gezogen, so, wie es viele Besucher tun. „Ein Mal ist erlaubt, und ein Mal genügt“, sagt Schüller lächelnd.

Unweit des gemütlichen Gasthofs Üdersdorfer Mühle ist der Eifelsteig gleichzeitig der Lieserpfad, jener Weg, den Buchautor Manuel Andrack vor fünf Jahren zur schönsten Wanderetappe der Welt erkor. Tatsächlich ist der Weg links des Lieserflusses wunderbar abwechslungsreich und bietet bald nach jeder Kurve eine neue Überraschung. Nach einer Biegung ragt im dunkelgrün bewaldeten Tal ein versteinertes Korallenriff auf. Nein, nein. Diesmal ist es wirklich eine Burg. Oder genauer gesagt, zwei: Die Manderscheider Oberburg und die Niederburg, beide im 12. Jahrhundert entstanden. Beide wurden von den Franzosen zerstört, die Oberburg 1673, die Niederburg über ein Jahrhundert später. Sie wird nach und nach restauriert und hat schon wieder recht trutzige Gestalt angenommen. Man kann dort oben Kaffee trinken – und sich sogar trauen lassen.

Palmen, Urpferde und Affen sind natürlich nicht zu verachten. Aber möchte man sie ausgerechnet in der Eifel zurückhaben? Hat die Natur nicht Schöneres erschaffen? Rehe äsen nun auf Lichtungen, Kühe weiden auf saftigen Wiesen, und am Himmel kreisen schwarze Milane. Doch, Achtung: „Die Vulkane schlafen nur“, hatte Peter Bitchene gesagt. Sie werden wieder aufwachen. Man weiß nur nicht, wann. Vielleicht in 10 000 Jahren, vielleicht auch schon in naher Zukunft.

Vielleicht sollte man auf Nummer sicher gehen und die Reise nicht allzu lange aufschieben. Der Eifelsteig harrt seiner Wanderer. Gut ausgeschildert, übrigens.

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ANREISE

Mit der Bahn zum Ausgangspunkt der Wanderung, zum Beispiel nach Gerolstein. Die Fahrt dauert mindestens sechs Stunden und kostet für eine Strecke ohne Ermäßigung 120 Euro. Wer die Wanderung pauschal gebucht hat, bekommt beim Veranstalter ein Wikinger-Bahnspezial für 75 Euro für die Hin-und Rückfahrt von jedem deutschen Bahnhof.

VERANSTALTER

Wer lieber in der Gruppe wandert, kann eine Eifelsteigtour – von Einruhr bis Manderscheid – bei Wikinger buchen. Die achttägige Reise inklusive sieben Übernachtungen mit Halbpension und Reiseleitung kostet 695 Euro pro Person im Doppelzimmer. Informationen: Wikinger Reisen, Hagen, Telefonnummer: 023 31 / 90 47 42, Internet: www.wikinger.de

Die Fremdenverkehrsämter haben diverse Arrangements inklusive Gepäcktransport für Individualreisende aufgelegt. So kosten etwa sechs Übernachtungen mit Frühstück, Lunchpaketen etc. pro Person im Doppelzimmer 369 Euro. Infos: Telefon: 065 51 / 965 60, Internet: www.eifelsteig.de

ÜBERNACHTUNG

Landhaus Müllenborn, Auf dem Sand 45, Gerolstein, Telefon: 065 91 /958 80, im Internet: www.landhaus-muellenborn.de, Übernachtung mit Frühstück ab 48 Euro;

Ringhotel Calluna, Zur Büschkapelle 5, Gerolstein, Übernachtung mit Frühstück ab 57 Euro;

Hotel Augustinerkloster, Hillesheim, mit Pool und Wellnessbereich, Einzelzimmer mit Frühstück ab 89 Euro, Doppelzimmer ab 129 Euro;

Üdersdorfer Mühle, Üdersdorf, Telefonnummer: 065 96 / 900 99 19, ländliche Pension/Restaurant mit fünf Doppelzimmern, Übernachtung mit Frühstück pro Person 27 Euro. Auch für eine Einkehr (Produkte aus eigener Herstellung) sehr geeignet.

AUSKUNFT

Eifel Tourismus, Prüm, Telefon: 065 51/965 60, im Internet:

www.eifel.info

www.gerolsteiner-land.de,

www.wanderwunder.info

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