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Haltungsnote eins. Diese Szene aus dem Film „Die letzten Gigolos“ zeigt Peter Nemala bei seiner Arbeit. Nach zwei, drei Tänzen muss er die Partnerin wechseln.

© promo

Eintänzer auf Kreuzfahrten: „Es ist schön, Kavalier zu sein“

Gut aussehend, stilvoll, charmant: Peter Nemala, 76, begleitet als Eintänzer ältere Damen auf Kreuzfahrten. Ab Donnerstag ist er in der Dokumentation "Die letzten Gigolos" in den Kinos zu sehen.

Herr Nemala, am kommenden Donnerstag kommt der Film „Die letzten Gigolos“ in die deutschen Kinos. Gedreht wurde auf der „Deutschland“. Eine Dokumentation. Auch in Wirklichkeit arbeiten Sie als Eintänzer an Bord. Gerade sitzen Sie mir beim Interview in Berlin gegenüber, sehr gut aussehend mit Ihren 76 Jahren. Sie sind, wie bei Ihrem Job, überaus akkurat gekleidet: Anzug, Krawatte und sogar das passende

Einstecktuch. Für eine Schiffspassage müssen vermutlich eine Menge einpacken. Wie viele Krawatten nehmen Sie zum Beispiel mit an Bord?

So zwischen 18 und 20 Stück, die ich mir zu Hause in Ruhe aussuche. Passend zu den Hemden und für jede Stimmung. Dann müssen drei Anzüge mit und natürlich ein Smoking.

Legen die Damen an Bord Wert darauf?

Klar, ein gepflegtes Äußeres und gute Kleidung, das gehört zu einer luxuriösen Kreuzfahrt. Da gibt es ja auch Vorgaben von der Reederei. Ich will mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb wähle ich auch ein Einstecktuch, das ist ja sonst leider ein bisschen aus der Mode gekommen. Frauen haben einen scharfen Blick, sie achten auf alles. Die Bügelfalte der Hose muss in jedem Fall sitzen, das ist ganz wichtig. Man wird mich nie in ungebügelter Hose sehen, das ist so ein Markenzeichen, da achte ich drauf, mir ist nichts egal. Ich bügle übrigens auch meine Hemden selbst. Das geht schnell, in fünf Minuten habe ich eins fertig.

Die „Deutschland“, das Schiff auf dem Sie waren und auf dem auch gedreht wurde, steht zum Verkauf. Sie werden dann auch nicht mehr als Tänzer gebraucht.

Ja, eigentlich sollte die nächste Tour Anfang Februar losgehen. Nun sind alle Reisen bis auf Weiteres abgesagt. Das Schiff ankert vor Gibraltar. Sehr schade. Es ist etwas Besonderes. Ich kann mich gut erinnern, wie wir in Rio de Janeiro zwischen mehreren dieser riesigen 4000er Schiffen lagen. Wir fühlten uns wie auf einer schönen Jacht. Da war zum Kai der rote Teppich ausgelegt, und ein Mann in Livree reichte Champagner. Alles hatte Stil. Die Passagiere der anderen Schiffe wären am liebsten sämtlich zu uns gekommen. Das ist schon was anderes, so ein Zwanziger-Jahre-Ambiente, wenn da vier, fünf Mann das Messing polieren. Zum Glück gibt es noch andere Schiffe, auf denen Eintänzer gefragt sind. Meist sind es englische und amerikanische Schiffe. Auf der „Queen Mary 2“ gibt es sogar sechs.

2011 sind Sie das erste Mal als Eintänzer mitgefahren. Und nun kommen Sie mit Ihrem Job sogar ins Kino. Gefällt Ihnen der Titel des Films: „Die letzten Gigolos“?

Überhaupt nicht. Ich finde, der Titel hat so einen Touch in Richtung sich prostituierender Mann. Andererseits gibt es eben dieses bekannte Lied. Und der Titel soll neugierig machen. Realistisch gesehen trifft er den Nagel auf den Kopf.

Sicher sind Sie an Bord ein gefragter Mann. Laut Statistik reisen immer zahlreiche Frauen mit. Warum eigentlich?

Eine Kreuzfahrt kann eine Frau allein gut machen. Sie wird an Bord nicht angemacht oder sonst wie belästigt und kann sich sicher fühlen. Vielleicht haben die Frauen auch früher so einen Schiffstrip mit ihrem Mann gemacht, dann trauen sie sich später auch allein. Oder sie reisen mit einer Freundin, das kommt auch vor.

Sind viele reiche Witwen unter den Passagieren?

Nicht unbedingt. Aber da sind viele Leute, denen es wirtschaftlich sehr gut geht. Manche sind ja Monate auf dem Schiff. Es gibt welche, die bleiben ein ganzes Jahr an Bord.

Sie auch?

Nein, das längste waren drei Monate. Mehr will ich auch nicht. Mir geht es natürlich gut an Bord, ich hab eine Außenkabine, alles ist vom Feinsten, das Essen natürlich exquisit. Aber man sehnt sich bald nach einfacher Kost, nach Vollkornbrot mit Quark zum Beispiel. Ich habe mir auch schon mal eine Linsensuppe aus der Mannschaftsküche bestellt.

"Annäherungsversuche kann ich nicht zulassen"

Ihr Leben an Bord ist ja nicht nur Vergnügen, sondern auch Arbeit.

Ja, das kann recht anstrengend sein. 15 bis 20 Tänze pro Abend kommen zusammen. Da kommt man ganz schön ins Schwitzen. Manchmal ziehe ich daher zwei Unterhemden übereinander, damit das Oberhemd keine Schweißflecken bekommt. Ich darf auch nicht so oft mit derselben Frau tanzen, zwei, maximal drei Mal. Ich muss das ein bisschen verteilen. Die anderen Frauen beobachten, was auf der Tanzfläche passiert und werden sonst etwas eifersüchtig. Man muss an Bord für jeden ansprechbar sein, das ist auch anstrengend.

Gibt es weitere Kriterien für den Job, außer dass man gepflegt aussehen und gut tanzen können muss?

Nun, man muss Single sein. Wenn ich eine Frau hätte, ginge das nicht. Wir hätten dann eine gemeinsame Kabine – und die anderen Damen würden sich fragen, was wir da machen. Das klappt nicht.

Die meisten Ihrer Tanzpartnerinnen an Bord sind vermutlich älter als 60?

Genau, aber manchmal sind auch Jüngere dabei. Es gibt zum Beispiel mal Expedientinnen aus Reisebüros an Bord, die müssen ja kennenlernen, was sie verkaufen sollen. Man merkt dann den Unterschied. Die sind behender und drehen sich viel schneller.

Gibt es seitens der Damen manchmal Erwartungen, dass mehr passieren könnte als nur ein Tanz?

Klar, das kommt vor. Man tanzt ja nicht nur, man unterhält sich auch. Man lernt sich kennen. Und wenn man weiter hinhören würde, gäbe es da schon Annäherungsversuche. Aber das geht nicht, das kann ich nicht zulassen. Da muss ich clever abbiegen, ohne die Frau zu verletzten.

Hauptsache, Sie tanzen gut. Wie halten Sie sich fit?

Ich laufe schnell ...

Sie joggen?

Nein, ich gehe in schnellem Tempo. Ich liebe Gartenarbeit, und ich fahre Rad. Dazu das Tanzen, das ist natürlich auch gut für die Kondition. Ich habe es auch mal im Fitnessstudio mit Gewichtheben versucht. Aber das habe ich schnell wieder gelassen. Ist auch nicht notwendig. Ich muss mich auf dem Schiff ja nicht ausziehen.

Was ist Ihr Lieblingstanz?

Wiener Walzer. Da ist alles so festlich, und die Damen haben besonders schöne Kleider an. Wenn sie dann den Donauwalzer bestellen, ist das die Krönung, der dauert so herrlich lange.

Warum finden Sie das Tanzen so gut?

Es gehört zum gesellschaftlichen Leben. Die Frauen geben den Herren die Gelegenheit, Kavalier zu sein. Sie warten etwa unten an der Treppe, um dem Herrn die Hand zu reichen, damit er sie hinaufbegleitet. Oder man hilft der Dame in den Mantel. Natürlich kann jede ihren Mantel selbst anziehen, darum geht es nicht. Es ist eine schöne Geste, Kavalier zu sein. Früher hat die Dame ein Taschentuch fallengelassen, heute macht das keinen Sinn mehr. Ein Papiertaschentuch kann man ja nicht aufheben.

Das Gespräch führte Hella Kaiser.

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