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Herzlich willkommen in Kronach! Keine Angst, die Weiber auf der Festung Rosenberg wollen nur spielen, den Dreißigjährigen Krieg, wie alle zwei Jahre bei der "Crana Historica".

© Tobias Gerber/laif

Frankenwald: Wo Lucas Cranach den Pinsel reckt

Kronach im Frankenwald hat einen berühmten Sohn, gutes Handwerk und eine friedliche Festung.

W er schon immer mal wissen wollte, ob er klaustrophobisch veranlagt ist, der sollte sich in die Unterwelt der Festung Rosenberg begeben. Dort, über der fränkischen Kreisstadt Kronach, verästelt sich ein bizarres Netz aus ober- und unterirdischen Gängen, Tunneln, Kellern und Kavernen, die Belagerten jahrhundertelang Zuflucht boten und anrennende Feinde verwirrten. Heute sind einige dieser Versorgungs- und Fluchtwege zu besichtigen, schulterschmal, brustniedrig, zappenduster. Alle zwei, drei Jahre, erzählt der Festungsführer Til Renn, sacke irgendwo unterhalb der Festung Boden ab – ein unbekannter ehemaliger Fluchtgang, der kartiert, fotografiert und dann wieder verschüttet werde.

Die Kronacher Festung Rosenberg war ein steinernes Monsterfort, das niemals eingenommen und verwüstet wurde – und das macht das gut erhaltene Bauwerk heute so attraktiv wie erfreulich zivil. Wo früher fürchterliche Kanonen aus Schießscharten ragten, schimmert es heute weißlich von Tauben- und Schwalbenmist. Und hoch über dem Innenhof des Rosenbergs klemmt ein alter Lederball in einem Ausguck – die Erklärung könnte sein, dass die Festungsherberge darunter gerne von Jugendmannschaften belegt wird, die mal Treffsicherheit beweisen, mal zu Schabernack aufgelegt sind.

Nie erobert. Die Festung Rosenberg, eine der besterhaltenen Anlagen ihrer Art Europas.
Nie erobert. Die Festung Rosenberg, eine der besterhaltenen Anlagen ihrer Art Europas.

© Euroluftbild.de/picture alliance

Weit und hoch überragt die Festung Rosenberg die fränkische Kreisstadt Kronach, breitet sich auf knapp 24 Hektar aus, was ungefähr 40 (kleineren) Fußballfeldern entspricht. Fast 700 Jahre lang dauerte es, bis der Bau der Festung Rosenberg fertig war – es kann also gut sein, dass vor 540 Jahren ein ziemlich ungeratener Steppke namens Lucas Maler heimlich auf der Baustelle spielte, vielleicht sogar zeichnete. In Kronach erwies sich Lucas als rauflustiger Jüngling, den sein Vater immer mal wieder vor Gericht rauspauken musste.

Als er schon ein arrivierter Maler in Weimar und Wittenberg war, nannte er sich nach seiner Heimatstadt Kronach und brachte es als Lucas Cranach der Ältere zu Ruhm und Reichtum, sowie zu seinem Sohn, Lucas Cranach dem Jüngeren, an dessen 500. Geburtstag in diesem Jahr erinnert wird. „Alle Wege zu Cranach beginnen in Kronach“, heißt es in der Stadt stolz.

Man muss schon gut zu Fuß sein

Wo genau das Elternhaus des Lucas Maler war – das ist eins der Rätsel, mit denen sich die Stadtforscher herumschlagen. War’s dort, wo jetzt das Traditionsgasthaus „Zum scharfen Eck“ zum Verkauf steht? Oder war es das Haus, das in den 1970ern abgerissen wurde, um einem neuen Rathaus Platz zu machen? Ein pinselreckender Denkmalcranach, der an dieser Stelle dem Rathaus den Allerwertesten zeigt, schaut jedenfalls so indigniert drein, dass da was dran sein könnte.

Etwas indigniert schaut Cranach der Ältere vom Denkmalsockel vorm Rathaus herab.
Etwas indigniert schaut Cranach der Ältere vom Denkmalsockel vorm Rathaus herab.

© Tobias Gerber/laif

In der Stadtmauer nebenan ist zu besichtigen, wie Natur sich in die Kultur einmischt – einen Birkenstamm, der sich erfolgreich aus den Sand- und Bruchsteinen gezwängt hatte, haben sie kurzerhand abgesägt. Schräg gegenüber, an der Nordfassade eines Hauses aus den 50er Jahren, scheint Wladimir Putin auf einem Wandgemälde als Bettler verewigt zu sein, dem Sankt Martin die Hälfte seines Mantels reicht. Täuschend, diese Ähnlichkeit!

Es empfiehlt sich in Kronach, rumpelnde Rollkoffer anzuheben und gut zu Fuß zu sein. Die Straßen und Wege der historischen Stadtviertel sind mit Kopfstein gepflastert, und wer sich – sagen wir – vom Ufer der Haßlach im Westen zur Festung im Norden aufmacht, muss etliche Stufen klettern. Kronach setzt sich bis heute aus den Vorstädten entlang der Flüsse Rodach, Haßlach und Kronach zusammen, ihnen schließt sich die historische Unterstadt an, von der sich die herrschaftliche Oberstadt und Festung mit Mauern, Pforten und Toren ziemlich steil absetzen. Ober sticht unter. „Geh’ nicht in die Unterstadt, mach’s wie Deine Brüder“, sang einst der heute fast vergessene Franz Degenhardt, als ob er sich von Kronach hätte inspirieren lassen.

Alles aus Sandstein

Bis heute bemühen sich die Verantwortlichen des Gemeinwesens um sozialen Ausgleich. „Das ist ein wichtiger Brückenschlag zwischen Unterer und Oberer Stadt“, so kommentierte ein Stadtoberer neulich den Beschluss, künftig einen Weihnachtsmarkt neu zu beleben, der sich über beide Stadthälften erstreckt. Traditionell verkaufen Bauern aus der Region ihre Produkte in der Oberstadt unter der Ehrensäule, zwischen Finanzamt und Johanneskirche. Wurst, Käse, Obst, Gemüse.

Typischer Dialog, neulich Käufer und Verkäuferin abgelauscht (und vom Frankenwäldlerischen ins Hochdeutsche übertragen): „Ja grüß dich, lange nicht gesehen! Eine Ewigkeit ist das her!“ „Das stimmt.“ „Wir sollten mal wieder ein Klassentreffen machen.“ „Aber das haben wir doch noch nie gemacht.“ „Stimmt auch wieder.“

Hellbeiger Sandstein ist der dominierende Werkstoff, der für Kirche, Häuser und Festung verwendet wurde – vor den Toren der Stadt soll es in den besten Mittelalterzeiten bis zu 20 Sandsteinbrüche gegeben haben. Wie von Einschüssen getroffen zeigen sich die Mauersteine, die zu armlangen und kniehohen Quadern verarbeitet wurden, bevor sie von Fuhrwerken zu den Baustellen geschleppt wurden. Umgeschlagen und mit Ochsenkraft und Flaschenzügen hochgehievt wurden sie mittels Mauerzangen, welche einigermaßen sicher in jene Kropflöcher griffen, die uns heute so martialisch vorkommen.

Auch die Pfarrkirche St. Johannes ist auf und mit Sandstein gebaut – wer um den sakralen Bau herumspaziert, kann zwischen den Kropflöchern geheimnisvolle Signaturen, Initiale oder Symbole entdecken, die an die Werkmeister erinnern, vielleicht aber auch an Stifter und Sponsoren, die sich um den Kirchenbau verdient gemacht haben. In der Kirche ist ein schöner, lebens- und generationsumspannender Brauch zu besichtigen – wir können eine Kerze zu Ehren des Verstorbenen anzünden, den die Gemeinde zuletzt beerdigt hat.

Zwei im Weggla

Zwei im Weggla
Zwei im Weggla

© Uli Schulte Döinghaus

Wir können uns aber auch vor dem Altar nebenan am Foto eines Babys erfreuen, das hier zuletzt getauft wurde. Draußen vor dem ausladenden Pfarrhof parkt ein VW-Multivan, der die sinnenfreudige Katholizität der Region wunderbar spiegelt – vorne, auf der Ablage des Beifahrers, lagern Gesangbücher, fromme Breviere und Bibeln. Hinten, im Kofferraum, stapeln sich Kisten mit Kulmbacher Bier.

Daran ist aus Kronacher Sicht nur auszusetzen, dass es kein einheimisches Bier ist – das „Kaiserhofbräu“, das ein paar Steinwürfe entfernt am Ufer der Kronach gezapft und ausgeschenkt wird, ist ein wackeres Bier, das sehr gut mit fränkischen Bratwürsten harmoniert. Deren Zubereitung und Darreichung gehört dringend unter Denkmalschutz: Holzkohle und Rost sind Standard, das Ergebnis ist paarweise im Weggla zu reichen – weiter verbreitet in Franken: drei im Weggla –, also in der Schrippe. In Kronach ist dergleichen vor der Brücke zu genießen, die zu Bahn und Post führt.

Wenn es sich anbietet – und dafür sind Märkte und Feste im Fränkischen Wald eigentlich immer gut! –, gibt’s die Bratwöscht auch ambulant an Marktständen, zum Beispiel dann, wenn verkaufsoffener Sonntag und „Tag des Handwerks“ ist. Den nutzen Einheimische, um ihre Gewerke zu präsentieren. Etwa der ortsansässige Töpfer Markus Schäuble, der neulich unter den tränenverhangenen Augen seines Publikums Tassen und Töpfe im Ofen glasierte, nicht ohne weite Teile der nördlichen Oberstadt zeitweise unter Qualm zu setzen. „Dafür gibt’s hier nur Unikate zu kaufen“, versicherte Schäuble grinsend.

Wichtigster Arbeitgeber ist die Frankenwaldklinik

Ein paar Läden weiter, in der Amtsgerichtsstraße, freute sich die fesche Goldschmiedin Christina Ditsche über die gute Zusammenarbeit der Kronacher Handwerker: „Heute soll gezeigt werden, wie wir gemeinsam zu Werke gehen.“ Sie selbst kooperiert mit den Inhaberinnen von „Schwe Stern“, einer renommierten Maßschneiderei, die sich auf die Anfertigung von Trachtenmode, etwa Dirndl, konzentriert. Einige Exponate werden im Schaufenster der Schwestern bewusst absurd gezeigt – statt Puppenköpfen thront Bocksgehörn auf den Ankleidefiguren.

Handwerk hat goldenen Boden, auch für Goldschmiedin Christina Ditsche.
Handwerk hat goldenen Boden, auch für Goldschmiedin Christina Ditsche.

© usd

Wer in Kronach keinen Gastronomie-, Handwerks- oder Einzelhandelsbetrieb führt, der pendelt entweder nach Coburg oder Bamberg, arbeitet bei einem heimischen Autozulieferer oder beim immer mal wieder kippelnden Unterhaltungselektroniker Loewe. Wichtigster Arbeitgeber ist die Frankenwaldklinik. Dass Fachkräfte immer knapper werden, bewies neulich – ausgerechnet am umsatzfreudigen „Tag des Handwerks“ – der Aushang eines örtlich renommierten Cafés: „Wegen Personalmangels heute geschlossen“.

Niederländer, die nach Kronach kommen, staunen nicht schlecht

Längst Geschichte ist die gewerbsmäßige Flößerei – ein Gewerbe, das Kronach jahrhundertelang zu Ansehen und Wohlstand verhalf. Weil die flößbaren Flüsse Haßlach, Kronach und Rodach aus den fränkischen Wäldern quasi auf die Stadt zulaufen, bot sich an, hier einen Holzumschlagplatz und den Start von Floßgeschäften einzurichten, die Baumstämme über Main und Rhein bis nach Holland transportierten.

Nachgeborene Niederländer, die es heute nach Kronach verschlägt, kommen aus dem Staunen nicht heraus. Ein Großteil der Pfähle, auf denen das historische Amsterdam ruht, wurde im Frankenwald geschlagen, vertäut und von Kronacher Flößern verfrachtet.

Von dieser Zeit erzählen einige ehemalige Floßherrenhäuser, die entlang der Haßlach erhalten geblieben und saniert wurden, teilweise in der historischen Oberstadt, zum Beispiel in der Amtsgerichtstraße 21. Das dreigeschossige Eckgebäude mit Satteldach ist im Erdgeschoss spätmittelalterlich, darüber ragt bis zum Giebel Zierfachwerk aus dem 17. Jahrhundert, in das ein prachtvoller Eck-Erker eingebunden ist. Heute beherbergt das ehemalige Floßherrenhaus ein Hotel mit Brauereigaststätte „’s Antla“, das Entlein.

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