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Nur für Schwindelfreie. Blick von der Aussichtsplattform auf der Bastei über die Elbe.

© Florian Sanktjohanser/pa

Sächsische Schweiz: Sieh an, der Künstler hat geschummelt

Der Malerweg: Auf den Spuren von Caspar David Friedrich in der Sächsischen Schweiz.

Heute fände Caspar David Friedrich mal wieder keine Muße auf der Bastei, obwohl es Montag ist und regnet. Ausflügler schieben sich über die Steinbrücke am Aussichtspunkt nahe Rathen. Kaum einer beachtet das Schild, auf das eines der bekanntesten Werke Friedrichs gedruckt ist. Genau hier soll der König der Romantiker die Skizze zum Ölgemälde „Felsenlandschaft im Elbsandsteingebirge“ gezeichnet haben.

Man erkennt das Neurathener Felsentor, aber die Brücke, damals noch aus Holz, ließ Friedrich weg. Der Meister nahm sich bei seinen Bildern aus der Sächsischen Schweiz künstlerische Freiheiten – so wie auch die Planer des Malerwegs. Im Jahr 2006 beschilderte der Tourismusverband den ersten Fernwanderweg durch die Sächsische Schweiz, Broschüren mit Stempelkarten wie für Pilgerwanderungen wurden gedruckt, Pensionen und Hotels als Kooperationspartner gewonnen. 2007 wählte ihn das Wandermagazin prompt zum schönsten Wanderweg Deutschlands.

„Wir haben alle Höhepunkte eingebunden, der Weg sollte möglichst abwechslungsreich sein“, erklärt Yvonne Brückner vom Tourismusverband Sächsische Schweiz. „Das Wandererlebnis war uns wichtiger als die Geschichte der Künstler.“ Und so ist der moderne Malerweg ein 112 Kilometer langer Rundweg zu den Höhepunkten der Sächsischen Schweiz geworden. Mit dem historischen Pfad, auf dem die Künstler einst durch die Wildnis wanderten, hat er wenig gemein.

Romantiker begeisterten sich für die düsteren Schluchten

Bildschön ist er trotzdem – oder gerade deshalb. Denn einige der einst idyllischen Pfade sind heute Teerstraßen. Und auf grandiose Aussichtspunkte wie jenen auf dem Schrammstein-Gratweg wagten sich die Künstler damals nicht. Zu undurchdringlich schien ihnen die Wildnis.

Felsenhöhle Kuhstall. Hier versteckten Bauern im Dreißigjährigen Krieg ihr Vieh.
Felsenhöhle Kuhstall. Hier versteckten Bauern im Dreißigjährigen Krieg ihr Vieh.

© Florian Sanktjohanser/pa

Aber die Romantiker begeisterten sich ohnehin mehr für die düsteren Schluchten. Eines ihrer liebsten Motive fanden sie dort, wo heute der moderne Malerweg beginnt. Die Lochmühle im Liebethaler Grund mit Wasserfall und Steinbrücke habe einst als Inbegriff der Romantik gegolten, schreibt Manfred Schober in seinem kunsthistorisch interessanten „Malerweg-Wanderführer“. Heute verfällt sie.

Einige Kilometer weiter treffen Wanderer auf das zweite Lieblingsmotiv, den Uttewalder Grund mit dem Felsentor. Hier hat Caspar David Friedrich angeblich eine Woche campiert, um die Magie des Ortes festzuhalten. „Die erste Etappe wird leider kaum begangen, dabei ist sie eine der schönsten“, sagt Thomas Mix. Der Nationalparkführer wird selten für den Malerweg gebucht: „Die Tour ist einfach zu gut ausgeschildert.“

Wenn doch mal jemand eine Führung will, packt er einen Bilderrahmen und ein paar laminierte Kunstdrucke in den Rucksack. So zeigt er seinen Kunden, wo die alten Meister die Skizzen für ihre Gemälde und Kupferstiche gezeichnet haben. Alleine finden die Besucher diese Orte nur schwer. Bisher wurden erst zwölf Infotafeln entlang des Wegs aufgestellt, die jeweils ein Bildmotiv erklären.

Ein Abstecher zum Museum im Schweizer Haus loht sich

Deshalb lohnt es, sich auf der zweiten Tagesetappe Zeit für das Museum im Schweizer Haus auf der Bastei zu nehmen. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die wichtigsten Künstler wie Adrian Zingg, der das Elbsandsteingebirge mit seinen Werken bekannt gemacht hat. Und sie zeigt, dass die Maler über die Jahrhunderte hinweg immer wieder die gleichen Orte abgebildet haben.

Die Festung Königstein, Bad Schandau oder das Prebischtor, im Nachmittagsgold und bei Mondschein, als Kupferstich, Stahlstich, Ölgemälde. Im Vordergrund palavern Herren mit Zylinder und Gehstock und Damen im Festtagskleid, auf der Elbe bauschen sich die Segel der Boote. Die Felstürme, Schluchten und Wälder des Elbsandsteingebirges waren wie geschaffen für romantische Sehnsüchte.

Und wo die Natur nicht dramatisch genug war, half man nach. So wurden der Amselfall und der Lichtenhainer Wasserfall gestaut, gegen Bezahlung wurde die Schleuse geöffnet, und ein Sturzbach ergoss sich über die Felsen. Das Schauspiel können Wanderer noch heute erleben.

Oberhalb des Lichtenhainer Wasserfalls führt der Weg weiter zum „Kuhstall“. Die Höhle auf dem Neuen Wildenstein verdankt ihren ungewöhnlichen Namen den Bauern, die dort im Dreißigjährigen Krieg ihr Vieh vor den Schweden versteckt haben. Auf dem Torbogen sind noch schwarz die Namen von früheren Besuchern zu lesen.

Das größte natürliche Felstor Europas war einst der krönende Abschluss der Route

Über die Himmelsleiter, einer kaum schulterbreiten Metalltreppe, steigt man auf das Dach des „Kuhstalls“, eine Felsplattform, auf der einst die Burg eines Raubritters stand. Er schätzte wohl auch die Aussicht bis hinüber zum kleinen Winterberg und zum großen Zschand, wenn auch aus anderen Gründen. Heute bedeckt wieder dichter Wald das weite Tal.

Hier in der Kernzone des Nationalparks bleibt die Natur sich selbst überlassen. Farne wuchern zwischen umgestürzten Birken. Selbst in die Felstürme der Zyklopenmauer krallen sich Birken und Kiefern, Heidekraut sprießt auf den kleinsten Vorsprüngen.

Der historische Malerweg führte hinter kleinem und großem Winterberg weiter bis zum Prebischtor. Das größte natürliche Felstor Europas war der krönende Abschluss der Route. Danach stiegen die Künstler hinab ins Dorf Herrnskretschen, das heutige Hrensko in Tschechien, und fuhren mit dem Schiff auf der Elbe zurück nach Dresden. Heute ist der Weg ab der Grenze gesperrt.

Dahinter liegt ein Naturschutzgebiet, das Rückzugsraum für gefährdete Tierarten wie den Uhu ist. Der moderne Malerweg biegt daher nach Schmilka ab und führt auf der linken Elbseite zurück nach Pirna.

Unterwegs steigen die Wanderer auf den Wolfsberg, den Papststein und den Gohrisch. Und sie erklimmen über steile Eisentreppen den Pfaffenstein mit der 42 Meter hohen Felsnadel Barbarine. Die Aussicht wäre jedes Mal ein Gemälde wert.

Florian Sanktjohanser

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