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Schloss Petzow, nurmehr Kulisse – für Fernsehproduktionen im Sommer und zu jeder Jahreszeit für Spaziergänger, die den Schinkel-Bau bestaunen und den von Lenné angelegten Park genießen.

© gws

Werder: Schloss mit Riegel

Das Herrenhaus derer von Kaehne am Schwielowsee überdauerte DDR und Wende. Bis 2003 war es ein Hotel, nun liegt es verrammelt da.

Ein Kleinflugzeug kreist über dem Schloss. Ein Interessent? Das Anwesen am Schwielowsee steht schließlich seit langem wieder zum Verkauf. Oder ist es doch nur ein besonders Neugieriger? Über einen Mangel an Besuchern kann sich Schloss Petzow eigentlich nicht beklagen. Zwar wünschen sich Anwohner und Heimatverein von Petzow, einem Ortsteil von Werder an der Havel, noch viel mehr Gäste – allerdings nicht nur am Schloss, sondern vor allem im Schloss.

Denn der Schinkel-Bau aus dem Jahr 1825 ist seit Jahren verrammelt und verriegelt. Eine ähnliche Situation, wie sie „Schlossherr“ Axel Hilpert derzeit erleben muss. Dem heute 64-jährigen Ex- Stasi-Oberst, Miteigentümer von Schloss Petzow und dem benachbarten Resort Schwielowsee, wird nämlich vom kommenden Montag an der Prozess gemacht. Wegen Subventionsbetrug in Zusammenhang mit Immobiliengeschäften sitzt er seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft. Doch das ist eine Geschichte für sich, über die in den kommenden Tagen an anderer Stelle zu lesen sein wird.

Auch ohne dass die hochfliegenden Pläne mit Fünf-Sterne-Hotel und Spitzenkoch des nun stark gehandicapten Investors verwirklicht sind, ist das Schinkel- Schloss in dem von Peter Joseph Lenné angelegten Park einen Ausflug wert, zumal es just vor den Toren Berlins liegt.

Um gleich allen Einwänden die Spitze zu nehmen: Natürlich handelt es sich bei Schloss Petzow nicht um ein Schloss im strengen Sinn, sondern „lediglich“ um ein Herrenhaus. Aber wie es halt so war auf dem Dorf – jedes bessere Haus mit „Herrschaften“ wurde da fix zum Schloss. Das Herrenhaus derer von Kaehne, die dereinst Schinkel den Bauauftrag erteilten, könnte allerdings prächtiger und durchaus schlösserhaft dastehen, wenn es nicht diese unrühmliche Geschichte der späten Wendezeit gäbe.

„Nun, früher war hier immer was los. Manchmal zu viel“, erinnert sich eine ältere Bewohnerin von Petzow, die eben ihren morgendlichen Rundgang im Lenné- Park absolviert. Das Haus war nach der Enteignung 1946 den DDR-Gewerkschaften übergeben, als Schulungs- und Erholungsheim genutzt worden. „Im Sommer kamen auch Ausflügler schon in aller Frühe, um sich die besten Plätze am Strand zu sichern. Für Kinder waren dort Zelte aufgebaut.“ Die Frau deutet auf einen nun verkrauteten, von Maulwurfshügeln übersäten Grasstreifen zwischen Haus und See.

Ein geplantes Betonbettenhaus konnte in den 80ern nur deshalb knapp vermieden werden, weil das Baumaterial zur gleichen Zeit für einen Plattenbau in Rheinsberg benötigt wurde. Nach 1990 wurde Petzow bis 2003 als Hotel und Restaurant genutzt. „Aber seit der Dingsda alles gekauft hat, den sie da jetzt eingesperrt haben, ist nüscht mehr los.“ Axel Hilpert hatte das Anwesen von einem bayerischen Investor gekauft, dessen Pläne von einem Spitzenrefugium ebenfalls geplatzt waren.

Schauplatz für Herz-Schmerz-Serien und mehr...

Ein Kleinod im Gesamtensemble von Schloss und Park ist das sogenannte Waschhaus.
Ein Kleinod im Gesamtensemble von Schloss und Park ist das sogenannte Waschhaus.

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Ja, am Dach könnte mehr als eine Reparatur nicht schaden, an einigen Stellen der Vorderfassade ist der Putz abgeplatzt, einige Scheiben sind eingeschlagen. Schlimmeres verhindern offenbar Wachschutz und Alarmanlage. Den noch recht ansehnlichen Blick vom Park aus – über die Ansicht vom Innenhof her decken wir mal den Mantel des Schweigens – hat das Herrenhaus wohl ZDF-Fernsehproduktionen zu verdanken, die eine brauchbare Kulisse für Herz-Schmerz-Serien wie „Bianca – Wege zum Glück“ benötigten. Erst im vergangenen Sommer musste das Schloss ein Altenheim für die ZDF-Komödie „Lotta und die großen Erwartungen“ darstellen.

Und wie sieht es drinnen aus? „Ich war nun schon jahrelang nicht mehr drin, aber es soll leer sein. Als sie das Hotel und die Gaststätte zugemacht haben, hat der Hilpert ja alles verkloppt. Auch Betten und Matratzen, da sind sie sogar aus Polen gekommen“, erinnert sich die Frau. Späht der Besucher durch die Fenster im Erdgeschoss, sieht er Parkettböden, die alt und etwas wellig, aber sonst anscheinend in Ordnung sind. Bei einer Berliner Altbauwohnung würde man „stark renovierungsbedürftig“ ins Exposé schreiben. „Wär’ schön, wenn mal was passieren tät“, sagt die rüstige Spaziergängerin von Petzow und strebt quer durch den Park dem idyllischen Haussee zu.

Der 15 Hektar große Schlosspark wurde 1838 von Peter Joseph Lenné gestaltet. Fast möchte man glauben, in dieser Jahreszeit sei die Anlage optisch noch ansprechender – ohne den Blätterwald der alten Buchen, Erlen und Akazien eröffnet sich dem Besucher der Blick nicht nur auf den kleinen Haussee mit seinem Schilfgürtel, sondern auf den gesamten Schwielowsee bis hinüber nach Caputh.

Auf sanfter Anhöhe im Park steht seit 2001 wieder der kurz nach Kriegsende eilig verscharrte Obelisk, der 1837 zum 200. Jubiläum der Ankunft der aus Böhmen geflohenen Familie von Kaehne errichtet worden war. Warum verscharrt? Im Dorf wird kolportiert, es sei möglicherweise in vorauseilendem Gehorsam geschehen, um angesichts der einrückenden Rotarmisten Spuren der „Junker“-Familie zu beseitigen. Erst 2001 „erinnerten“ sich Dorfbewohner an das Versteck – der Obelisk konnte wieder aufgestellt werden.

Unweit der markanten Stelle, am Weg zum rekonstruierten „Waschhaus“, liegt die Gruft der alten Gutsherren. Nach erheblichem Vandalismus war die Grabstelle zu DDR-Zeiten zugeschüttet, erst jüngst ausgegraben und leidlich wiederhergestellt worden.

Ein Kleinod im Gesamtensemble von Schloss und Park ist das sogenannte Waschhaus. Noch im Jahre 1996 eine traurige Ruine, wie alte Fotos belegen, wurde die Rekonstruktion des Häuschens aus EU- und Landestöpfen finanziert und dient seit 2001 als Heimatmuseum. Es ist nicht nur die Dorfgeschichte dokumentiert, sondern eine wissenschaftlich fundierte, auch von Fachleuten viel beachtete Ausstellung zur „Kultur des Wäschewaschens“ verleiht zusätzlichen Reiz.

Ach ja: Wer sich fürs Schloss interessiert, sollte übrigens nicht auf das so trefflich restaurierte „Waschhaus“ am Haussee spekulieren. Es gehört der Stadt Werder, nicht etwa dem „Schlossherrn“.

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