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Levi: Ein Iglu voller Sterne

In Levi, dem Retortenort, haben sie wirklich alles geschaffen, was zu einem gelungenen Winterurlaub in arktischer Kälte gehört. Nichts fehlt, alles ist so perfekt, wie es geht, wenn man Zivilisation mit Akribie in die Wildnis bringt. Das muss man nicht mögen, doch es hat was.

Gerade noch rechtzeitig hat es geschneit. Das stört die Rentiere in ihrem Gehege allerdings nicht. Geradezu stoisch, irgendwie typisch finnisch, stehen sie in der Gegend. Es ist überhaupt alles typisch finnisch hier in Levi, hoch oben im Lappländischen. Original lappländisch die Rentiere und Huskys, die die Schlitten, das typische Verkehrsmittel der Nord-Finnen, durch die Wälder ziehen. Wo übrigens auch Santa Claus wohnt. Ihn haben wir schon am Vortag gesehen auf einem dieser typisch lappländischen Weihnachtsmärkte im echt finnischen Dorfzentrum von Levi. Doch er hat nicht viel gesagt, gab sich wortkarg, wie der Finne nun mal ist.

Erja Kenttälä hingegen, die Betreiberin einer Rentierfarm, ist kommunikativer. Doch die Geschäftsfrau ist an diesem Morgen etwas unzufrieden mit ihrer Außendarstellung. Sie ärgert sich und entschuldigt sich dafür, dass sie es nicht mehr geschafft hat, für die Besucher die typische Tracht der Samen anzulegen. Ob sie denn Samin sei, also Lappin, wird Erja gefragt. „Nein, das nicht“, sagt Erja, „aber irgendwie gehört es doch dazu.“ Dann erzählt sie von ihrer Farm, die hier reichlich versteckt im Wald liegt. Schon seit einem Dutzend Jahre führt sie das kleine Unternehmen. Aus dem ehemaligen Bauernhof haben sie und ihr Mann, der sich im wesentlichen um die Tiere kümmert, einen properen touristischen Betrieb gemacht. „Die Besucher kommen gern, um Rentiere einmal aus der Nähe zu betrachten und anzufassen.“ Dass das Fleisch der Tiere in den drei hofeigenen Gaststätten auch auf den Tisch kommt, tut der Begeisterung keinen Abbruch.

Auch in Levi, dem 800-Seelen-Ort, kann man sich nicht immer auf die weiße Pracht pünktlich zum Saisonstart verlassen. Doch die Schneekanonen schneien den Winter schnell herbei. Und mit Ausdauer, 24 Stunden am Tag. Denn kalt genug ist es auf jeden Fall. Diese Blasinstrumente liefern sozusagen die Begleitmusik zum Besuch im, wie es in der Werbung heißt, „beschaulichen Lappland“.

So richtig beschaulich muss es tatsächlich damals gewesen sein. Vor 30 Jahren, als Levi eine Ansammlung von sieben Häusern war. Nicht ohne Stolz weist Touristikmanager Jussi Töyrylä darauf hin, dass Levi heute 22 000 Betten in hunderten Chalets im Blockhausstil bietet und 2,5 Millionen Übernachtungen im Jahr registriert. Mit Restaurants, Skipässen und allem anderen was Levi zu bieten hat, flossen so im Vorjahr stattliche 200 Millionen Euro in die Kassen. Und Jussi wird ganz euphorisch, wenn er vom Businessplan für 2020 berichtet: 35 000 Betten sind vorgesehen und 50 Prozent der Besucher sollen dann aus dem Ausland kommen.

Da gilt es, schon mal die Verkehrsanbindung zu verbessern. In Kürze, sagt Jussi Töyrylä, werde es gar einen Nonstopflug von Düsseldorf nach Kittilä geben. Dann könne man gegebenenfalls am späten Nachmittag noch ein lecker Altbier am Rhein trinken und stehe schon knapp drei Stunden später auf einer erleuchteten Piste in Levi.

Apropos Pisten: Für Düsseldorfer mögen die 300 bis 400 Höhenmeter eine gewaltige Herausforderung sein. Der halbwegs geübte Skifahrer hingegen hat so eine Strecke in etwa drei Minuten abgerutscht. Für Leser in Düsseldorf noch der Hinweis: in etwa vergleichbar mit der Abfahrt in der Neußer Skihalle. Nun gut, auch den alpinen Assen des World-Cup- Wanderzirkus hat der Berg erst neulich wieder für ein paar Rennen gereicht. Die einzige „schwarze“ Abfahrt darf schon als Herausforderung gelten.

Doch es gibt eben auch Loipen hier. Lange Langlaufloipen. Und deshalb kommt man doch eigentlich nach Finnland, oder? Gewiss, die ausgewiesenen Schneemobilrouten sind noch um ein Vielfaches länger, doch darüber wollen wir mal hinwegsehen. Es gibt ja die Alternative, mit Rentier- oder Hundegespannen durch Wald und Flur zu brausen. Fast lautlos, besonders dann, wenn die Hunde einmal nicht unter Flatulenzen leiden. Was allerdings leider nicht oft vorkommt...

Und es gibt weitere Möglichkeiten, die Natur, den Zauber im Norden Finnlands zu erleben. Etwa in einer gläsernen Unterkunft, einer Hütte in Form eines Iglus – nur mit klarem Glasdach. Kristiina Kylmälahti hat sich solche Zauberwürfel etwas außerhalb von Levi bauen lassen. Dazu gehören auch eine Sauna im Haupthaus und ein Freiluftpool. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass in der Sauna ein Kühlschrank steht, aus dem man sich während des Saunierens Bier nehmen kann, kein Alt, sondern finnisches Lappin Kulta (und daran gewöhnt man sich ruckzuck), dann ist so ein Bad im Dunkeln und in der Kälte großartig. Es ist allerdings nicht ganz billig: 300 Euro kostet das Schlafen im Iglu. Dafür hat der Gast in klaren Nächten einen grandiosen Blick auf den Sternenhimmel. Und mit etwas Glück wabern auch die grünen Schwaden des Nordlichts vorbei.

In Levi, dem Retortenort, haben sie wirklich alles geschaffen, was zu einem gelungenen Winterurlaub in arktischer Kälte gehört. Nichts fehlt, alles ist so perfekt, wie es geht, wenn man Zivilisation mit Akribie in die Wildnis bringt. Das muss man nicht mögen, doch es hat was.

Übrigens: In unserer letzten Nacht hat es dann noch mal richtig kräftig geschneit. Ohne Kanonen. Echter Schnee legte sich auf echte Rentiere in einsamer Landschaft. Das gibt es nämlich auch in Lappland. In Levi kann man das schon mal vergessen.

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