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Bei den Griechen gibt es immer mal wieder Streik.

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Griechenland: Auf Streik ist Verlass

Dieser Tage erleben Griechenland-Urlauber Extra-Abenteuer: Impressionen von einer Kykladeninsel.

Hast du drei- oder viermal bei derselben Verkäuferin eingekauft, bist du ein bekanntes Gesicht. Man ist sich nicht mehr fremd und beinahe vertraut miteinander. Und schon gibt es keinen Kassenbon mehr. Das Thema „Steuerhinterziehung“ spielt dann keine Rolle.

Mancherorts werden auch in Griechenland Pfandflaschen verkauft. Eine schöne Errungenschaft in einem Land, das Umweltschutz nicht kennt. Allerdings fördert dieser Fortschritt einen ungeheuren Bürokratismus zutage. Man geht zur Kasse, zeigt seine leeren Pfandflaschen, wird nach einem fragenden Blick und kurzem, irritierten Innehalten zur Ladenleiterin beordert. Die ist befugt, ein Formular handschriftlich auszufüllen. Damit läufst du wieder zur Kasse und erhältst das Pfand in bar zurück. So war es jedenfalls in den vergangenen Jahren.

In diesem Jahr freust du dich auf dieselbe Prozedur, hast allerdings nicht mit dem Fortschritt im Land gerechnet. „Neue Regel!“, wird dir entgegengeschmettert, als du dich darüber beklagst, dass du in diesem Jahr das Pfandgeld erst in Verrechnung mit einem Einkauf zurückerstattet bekommst. Der imaginäre Rollladen wird runtergeschlagen, die lästige Schmeißfliege „Kunde“ ist ausgeschlossen vom weiteren privaten Plausch zwischen den Angestellten.

Eine dritte Studie. Du zeigst Interesse an einem Schmuckstück im Schaufenster. „Ena leptó!“, sagt die Verkäuferin lächelnd, was so viel heißt wie „einen Moment“. Korrekt übersetzt bedeutet es aber schon „eine Minute“. Das heißt, du hast dich auf eine kleine Ewigkeit einzustellen. Dann kommt auch schon, wie gerufen, eine Bekannte der Verkäuferin vorbei. Eein Wort gibt das andere, die Fröhlichkeit steigt, sie verlieren sich vergnügt im Palavern. Du gibst auf und gehst.

Griechenland befindet sich im Ausnahmezustand. Wir entnehmen es den Berichten unserer Zeitungen. Dass die Veränderung der Sitten dazugehört, erfährt man erst im Land selbst. Gastfreundschaft war gestern. Tourismus ist heute. Ein Geschäft, nicht mehr. Dienstleistung aber gilt offenbar als verschmähtes Fremdwort aus den USA. Die Griechen machen weiter wie gehabt, vom Krisengerede will keiner was hören, der nächste Generalstreik wird schon vorbereitet.

Anderthalb Tage vor dem Rückflug informiert eine E-Mail darüber, dass der Inselflieger rund vier Stunden später abheben soll. Der Besucher hat sein Notebook dabei, ist also bald informiert und folgert scharfsinnig, dass er nun seinen Anschlussflug von Athen nach Berlin nicht wird erreichen können. Also mit dem Schiff nach Athen, eine zusätzliche Übernachtung gebucht. 85 Euro für ein drittklassiges Zimmer ohne jeden Komfort bezahlt. Auf irritierte Nachfrage erhält der Besucher Schulter zuckend die Antwort, Athen sei nun mal eine teure Stadt.

Und so bummelt man einen Tag in Athen herum. Macht einen Spaziergang um die Akropolis, findet ein schönes Café, wundert sich über selbstbewusste Preisgestaltung. Ein Cappuccino: 4,80 Euro. Nicht schlecht. Auf dem Nebentisch hat jemand die deutschsprachige „Griechenland-Zeitung“ liegen gelassen. Eine Meldung auf der Titelseite erregt Heiterkeit. Unter der Überschrift „Schwarzbauer-Protest“ heißt es: „Der Verein der Besitzer von Schwarzbauten rief in Heraklion auf Kreta zu einer Protestkundgebung auf. Der Verein will sich u. a. gegen die Zahlung von Bußgeldern für die illegal errichteten Gebäude zur Wehr setzen und verweist darauf, dass Politiker ,lediglich Versprechungen abgeben, aber nichts bewegen‘.“

Kurz darauf erfährt man auch den Grund für die Verspätung des Inselfliegers: Das Bodenpersonal am Athener Flughafen streikt für vier Stunden. Damit nicht genug: Angestellte des Flughafenzubringers laufen an diesem Mittag auf einem anderen Protestmarsch mit. So ist es einem kleinen Zettel an der Bushaltestelle im Zentrum Athens zu entnehmen. Mit Mühe erreicht man die U-Bahn. Ein Ticketschalter ist geschlossen, an einem anderen verweigert der Verkäufer zunächst den günstigeren Sondertarif für zwei Personen. Barsch und ungalant werden die gewünschten Tickets dann doch noch herausgerückt.

Und dann am Internationalen Flughafen – ach, Schwamm drüber!

Wochen zuvor lasen wir in einer Zeitung, griechische Ministerien wollten künftig Touristen sogenannte Streik-Entschädigungen zahlen und zusätzliche Kosten für Übernachtung und Verpflegung übernehmen. Ein verspäteter Aprilscherz? Die Probe kann nun gemacht werden. Eine erste Mail an die griechische Fluggesellschaft ist schon mal unbeantwortet geblieben. Briefe an die Ministerien sind in Arbeit.

Wie lautet der Kommentar des griechischen Krimischriftstellers Petros Markaris? „Wir leben seit dreißig Jahren in einem Sumpf und haben geglaubt, dass es ein Kurort ist. Es ist aber kein Kurort, es ist ein Sumpf. Doch die Illusion des Kurorts lebt noch.“

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