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Im Stand noch locker. Bis auf John Lennon (eine Skistunde) hatte keiner von den Beatles je auf Brettern gestanden. Gut für die Doubles, die gute Gage bekamen.

© Obertauern Tourismus

Obertauern: „Hilf mir, ich falle“

In Obertauern drehten die Beatles 1965 den Streifen „Help“. Auf der Piste wurden die talentlosen Tollpatsche durch vier Skilehrer gedoubelt. Heute erinnern sie sich vor allem an die reichliche Gage.

„Help! I need somebody!“ Ja, diese vier Engländer in ihren blauen Vogelscheuchen-Umhängen brauchen dringend Hilfe: Planlos fuchteln sie mit den Skistöcken in der Luft herum und plumpsen mit Zaunlatten an den Schnürstiefeln in den Schnee. „Help me if you can, I'm falling down!“ John, Paul, George und Ringo sollen in Obertauern filmreif Skilaufen – für ihren zweiten Kinostreifen „Help“. Bis auf John (eine Brettl-Fahrstunde) hat noch keiner von ihnen je auf Skiern gestanden. Also müssen Doubles her – vier Skilehrer. Einer davon: Gerhard Krings, damals 24. Er mimt George Harrison.

Vor der ersten Klappe gibt's ’ne fesche Kappe: Beatles-Perücken für die Doubles, spezial angefertigt von Beatles-Friseurin Betty Glasow. Kommentar von Krings: „Da glaubst, du hast Läus.“

Was die Filmcrew im März 1965 auf den 1740 Meter hohen, dünn besiedelten Pass, 90 Kilometer südlich von Salzburg verschlägt, ist heute – in Zeiten warmer Winter – mehr denn je ein schlagendes Argument für den inzwischen ausgewachsenen Skiort: Obertauern gilt als „Schneeschüssel“ Österreichs. Mittendrin in dieser Schüssel liegt der Ort, langgestreckt wie ein Apfelstrudel, umgeben von einem Puderzuckerrand, den schneebedeckten Bergen. Sie sind einmalige 360-Grad-Kulisse und Fundament der sogenannten Tauernrunde: Eine Art Zickzack-Muster aus zahlreichen Pisten und 26 Liften zieht sich hinauf bis auf gut 2500 Meter.

Eine knappe Stunde dauert’s, den ganzen Ort einmal darauf zu „umcarven“. Und weil der meist verschneit ist, endet die Schlussabfahrt nachmittags fast überall als Schussabfahrt im Skikeller. „In Obertauern trägt man Ski immer an den Füßen, nie auf der Schulter“, verkünden die Hoteliers selbstbewusst.

Das gilt für jeden Gast, auch für ungeübte „Brettl-Beatles“ mit hohem „Help- Bedarf“. Denn Obertauerns insgesamt 100 Pistenkilometer sind überwiegend blau und rot, vor allem aber breite „Autobahnen“. Und weil das so ist, heißt eine der Pisten praktischerweise auch so. Die dazugehörige „Autobahnabfahrt“ führt zum Seekarhaus, einem Vier-Sterne-Hotel mit Beatles-Bar. Der Chef: Ex-Double Gerhard Krings, heute 67 Jahre alt, hat hier zwischen Barhockern und Clubsesseln den „Help“-Dreh konserviert – mit einer sehenswerten Fotogalerie und Vitrinen. Darin lehnen die „White Star“-Ski, auf denen er George Harrison mimte.

Und das Mittagsmenü der Beatles vom 15. März 1965 ist auch erhalten – als Speisekarte mit Autogrammen. Ob ihnen „Hühnerbouillon mit Backerbsen“ und „Bratteigkrapferln in Creme“ geschmeckt haben, ist nicht überliefert.

Attraktion Snowkiting

Wer heute Hunger hat in Obertauern, der landet nicht in einer der alpenweit verbreiteten, vollverglasten Massenabfütterungsstationen mit angeflanschter Gondelbahn-Haltestelle, sondern auf einer der 26 gemütlichen Hütten und Almen. Niemand muss in klobigen Skistiefeln Spaghetti Napoli (Geschmack pappig, Preis happig) von der SB-Kasse zum Tisch jonglieren. Stattdessen serviert etwa Mutter Schilchegger im „Sonnenhof“ eine XXL-Portion Kaiserschmarrn, hält vor der TV-Übertragung des Weltcup-Slaloms kurz inne und erzählt ein wenig von vergangenen Siegen ihres Sohnes Heinz.

Das weckt den Ehrgeiz des Jungen am Nebentisch. Der Zwölfjährige fordert seinen Vater zum Rennen, kürt sich selbst frech schon mal zum „Herminator“ und seinen Papa zur Slalomschnecke, die es bei Rennen nie aufs Treppchen schaffen wird. Kurz darauf: high noon am Kirchbühellift, einer von vier Pisten mit Zeit- und Geschwindigkeitsmessung – der schnellsten Gaudi im Skigebiet Obertauern. Der Junior stemmt sich als erster durchs Startertor. Schon nach den ersten Schwüngen ist klar: die Ideallinie sieht anders aus. Der „Papanator“ will's ihm gleich danach zeigen. Die Piste ist frei, jetzt gilt's! Trotz leichter Schneepflug-Angstbremse: 22,30 Sekunden, diese Zeit wirkt verdammt schnell auf der elektronischen Anzeigetafel im Ziel.

Als die Beatles genau diese Piste im März 1965 runterrutschen, sieht das deutlich anders aus. „Die haben sich total tollpatschig angestellt“, erzählt Herbert Lürzer, damals Double von Paul McCartney, „deshalb mussten wir in diesen Vogelscheuchen-Umhängen mit Fackeln den Hang runter, über Hügel springen und uns hinter Bäumen verstecken, denn in dem Film werden die Beatles ja von irgendwelchen Verrückten verfolgt.“ – „Gut bezahltes Gehampel“ nennt Lürzer das heute, denn es gab pro Tag 1000 Schilling. Dafür konnte man damals ein Paar Ski mit Stiefeln kaufen.

Von allen Beatles sei Paul der bestgekleidete gewesen, erinnert sich sein Double und erzählt von der Jacke mit Nerzkragen, die er für die Drehs von McCartney bekam. Auch wenn Fans die Drehorte stürmten, ließ sich der Beatle gerne vertreten: „Ich hab' dann seine Autogrammkarten mit ‚Herbert Lürzer' unterschrieben, aber völlig unleserlich, erinnert sich das Double und grinst: „Da glauben einige bestimmt bis heute, sie hätten einen echten McCartney.“

Außer auf Ski sind die Pilzköpfe auch auf Schlitten und Skibobs in den Schnee gesegelt. Sprichwörtlich durch den Schnee segeln jedoch können Wintersportler hier erst heute – per Snowkite. Der Schnupperkurs bei Fred beginnt mit der Erkenntnis, dass man an einer Bar nicht nur trinken, sondern auch steuern kann, denn Bar heißt die Lenkstange des Schneedrachens. Nach einer Stunde Luv- und Lee-Theorie dürfen wir in Schnee stechen und ziehen dafür eine Art schwarze Windel mit Haltebügel an. Daran eingehakt zieht uns das Segel übers Übungsplateau, zunächst sicherheitshalber auf dem Hosenboden und dann endlich aufrecht mit untergeschnallten Ski. Mit Windstärke 4 durch den Schnee kreuzen – ein Temporausch der besonderen Art.

Wenige Meter weiter beginnt Obertauerns Après-Ski-Rummel. Ohne Obstler-Druckbetankung und Sangria-Eimer. „Wir wollen keinen Ballermann im Schnee“, sagt Herbert Lürzer, heute unter anderem Betreiber der Lürzer Alm. Musikalisch haben hier Udo Jürgens und DJ Ötzi die Lufthoheit. Aber so richtig Stimmung kommt erst bei einem Oldie auf, den grölen alle zwischen 17 und 70 mit: „Help, I need somebody, heeeeeelp!“

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