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Künstlerglück. Seit 1972 lebt und arbeitet Barbara Weil auf Mallorca, widmet sich Malerei und Skulptur.

© Stefan Quante

Mallorca: Zum Glück gibt es Pinien

Ideen aus aller Welt: Was Wahl-Insulaner auf Mallorca auf die Beine stellen.

Wo sind nur die Golfbags? Noch vor ein paar Jahren war das meistverbreitete Übergepäckstück am Flughafen von Palma de Mallorca die schwere Tasche mit Eisen und Hölzern. Inzwischen sind es trapezförmige Koffer mit zweirädrigem Inhalt. Dabei gibt es längst ein breites Angebot an Fahrradverleihen – der größte unter ihnen nennt eine stattliche Flotte von mehr als 2000 Flitzern sein Eigen.

Natürlich können es die Golfer und Radler zahlenmäßig nicht mit den Ballermännern aufnehmen, die auf die Insel strömen. Und erst recht nicht mit den zahllosen Stammurlaubern, die immer wieder kommen, weil Mallorca so facettenreich ist und es auch nach vielen Besuchen immer noch etwas Neues zu entdecken gibt. Dafür sorgen vor allem auch Zuwanderer.

Der 49-jährige gebürtige Kölner Guido Eickelbeck lebt nicht schlecht vom Trend zum Rad. Seine Kunden und, zunehmend, Kundinnen kommen aus aller Welt, buchen ihn als Tourguide, persönlichen Coach und Organisator – für mehrere hundert Euro am Tag: „Ich betreue auch viele Manager. Die sind meist ziemlich fokussiert, wollen genaue Trainingsstrukturen sowie Tagespläne haben und legen auch großen Wert darauf, hier mindestens ein Rennen zu fahren.“

Das Castell Son Claret bei Calvià lockt mit feiner Küche

Viele seiner Klienten werden über die besten Hotels Mallorcas an ihn vermittelt. Auch vom recht neuen Castell Son Claret bei Calvià am Fuße des Tramuntana-Gebirges. Das aufwendig restaurierte Landschloss aus dem 18. Jahrhundert hat seit wenigen Jahren deutsche Eigentümer – Christine und Klaus-Michael Kühne, er seines Zeichens deutscher Speditionskönig, Milliardär, Hobbyhotelier und seit Januar auch mit 7,5 Prozent an der HSV Fußball AG beteiligt.

Das feine Haus sollte nach früheren Plänen auch einen Golfkurs verpasst bekommen. Platz dafür wäre auf dem 132 Hektar Grundstück ohne Weiteres gewesen. Aber dafür gab es von der Provinz Calvià keine Genehmigung – zum Glück, muss man wohl sagen.

Es wäre allerdings auch ein Tipp für die Radler, wenigstens an einem Abend das Son-Claret-eigene Restaurant Zaranda zu testen. Mit Fernando Pérez Arellano steht hier einer der vielen Jungstars der spanischen Kochszene am Herd. Einen ersten Michelin-Stern hat er quasi aus dem Stand erobert, und es hat den Anschein, als sei sein Potenzial noch nicht ausgereizt.

Wie so viele Neu-Mallorquiner hat der gebürtige Madrilene seine Laufbahn ganz woanders begonnen – in Irland. „Wo auch immer ich danach gearbeitet habe – Dublin, London, Valence, Neapel –, stets wurde ich gefragt, ob ich Mallorca kenne.“ Irgendwann war es so weit und Arellano siedelte samt Team auf die Baleareninsel über – wo er nie zuvor gewesen war. Und er hat es bisher nicht bereut.

Sternehotel mit Sternekoch. Das Castell Son Claret bei Calvià
Sternehotel mit Sternekoch. Das Castell Son Claret bei Calvià

© Stefan Quante

Protzvillen, Schwarzbauten und ein korrupter Bürgermeister

Nur ein paar Kilometer weiter, in Port d’Andratx, wohnt und arbeitet eine Wahl-Mallorquinerin aus einer anderen Generation – die aus Chicago stammende 81-jährige Barbara Weil. Ihr „Studio Weil“ am Ende des kleinen Hafens ist Galerie und Atelier zugleich. Interessierten zeigt die höchst unterhaltsame Kreative nach Terminvereinbarung gerne ihre Arbeiten und beantwortet geduldig auch Fragen, die eher dem Gebäude als ihrer farbenfrohen, facettenreichen Kunst gelten.

Denn der faszinierende Betonbau wurde von Daniel Libeskind entworfen. „Entstanden ist es, kurz nachdem er 1999 das Jüdische Museum in Berlin gebaut hatte – als seine Arbeit gerade noch so bezahlbar war.“ Sie selbst wohnt seit 1972 auf Mallorca. Damals gehörte Port d’Andratx noch den Fischern und brotlosen Künstlern, nicht den falschen und echten Millionären, die daraus das „Düsseldorfer Loch“ gemacht haben – in geschmeidiger Kooperation mit einem korrupten Bürgermeister (gegen Bares gab es Baugenehmigungen im Landschaftsschutzgebiet).

Stört sich die Künstlerin nicht am Anblick der vielen Protzvillen, Schwarzbauten und Bausünden auf dem gegenüberliegenden Felsen? „Zum Glück habe ich ein paar große Pinien – da sehe ich das nicht“, sagt sie mit einer abwertenden Handbewegung.

Wer kommt, sollte ein Kunstwerk zurücklassen

Als Libeskind noch bezahlbar war, baute er das Studio Weil.
Als Libeskind noch bezahlbar war, baute er das Studio Weil.

© Lars Gräbner

Noch weitgehend unentdeckte Künstler kann man in Andratx selbst treffen. Im 2001 eröffneten CCA, einem 4000 Quadratmeter großen Zentrum für zeitgenössische Kunst, bekommen junge Bildhauer und Maler Gelegenheit, für jeweils einen Monat zu wohnen und zu arbeiten. Einzige Bedingung der Gründer, eines dänischen Galeristenpaars: Wer kommt, sollte ein Kunstwerk zurücklassen. Und dann gibt es noch die Wechselausstellungen bereits arrivierter Künstler.

Da ist aktuell zum Beispiel der seit zwei Jahren in Berlin lebende Künstler Aguirre Schwarz. Für seine scheinbar monochromen Arbeiten werden die Wände der riesigen Ausstellungshalle farbig gestrichen. Erst im ultravioletten Lichtschein einiger alter Solarien kommen Porträts, Muscheln und Palmen zum Vorschein. Nach getaner Arbeit treffen sich die jungen Monatsstipendiaten und die ausstellenden Künstler zum gemeinsamen Kochen auf der riesigen Terrasse mit atemberaubendem Blick ins bergige Hinterland. Kunst und Natur in selten gewordenem Einklang.

Nur ein paar Buchten weiter befindet sich eine gänzlich andere Welt, das Dorado der Neu-Neureichen: Port Adriano. Naturnah ist hier nicht mehr viel. In der 2012 nach Entwürfen des französischen Designers Philippe Starck eröffneten Marina finden an den Liegeplätzen mit eigenem Tankanschluss selbst bis zu 100 Meter lange Jachten Platz. Deren Eigner beglücken die Fachgeschäfte im weißen Gebäude an der Mole auch schon mal mit Aufträgen für mehr als 100 000 Euro teure Bordrutschen für die lieben Kleinen.

Kunstinteressierte kommen in Port Adriano auf ihre Kosten

Wer mit schmalerem Budget unterwegs ist, findet nebenan vielleicht seinen Spaß an einer Currywurst in der „Sansibar Wine“, einem Ableger des Sylter Originals. Oder auch nicht, denn die überteure Wurst wird in der Qualität von jeder Berliner Bude um Längen geschlagen.

Kunstinteressierte kommen in Port Adriano schon eher auf ihre Kosten. In der „Ahoy! Port Gallery“ von Michael und Renate Pentzien finden sich Gemälde von Katrin Förster und Jordi Mollà, Skulpturen von Lin Utzon, Likörelle von Udo Lindenberg und Fotos von Gunter Sachs. Auf einem ist Renate Pentzien selbst zu sehen – sie hatte Sachs in den achtziger Jahren in Kalifornien kennengelernt, ihm als Model gedient und an seinem Fotoband „Licht’Bilder“ auch hinter der Kamera mitgewirkt.

Seit gut 20 Jahren lebt die gelernte Journalistin mit Unterbrechungen auf Mallorca. Ein Bummel mit dem kommunikativen Multitalent durch Palma gibt facettenreiche Einblicke in das Inselleben. Als sie Mallorca entdeckte, steckten selbst in den schönsten Hauptstadtpalästen die Schlüssel außen in der Tür. Die arglosen Bewohner erklärten ihr das Phänomen so: „Wenn wir da sind, lassen wir die Schlüssel draußen – für unsere Freunde und Verwandten. Und wenn wir nicht da sind, damit unsere Nachbarn hineinkönnen, falls sie etwas brauchen.“ Die Zeiten haben sich geändert.

Stefan Quante

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