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Istanbul: Und überall wächst Aladin

Großer Basar, Topkapi-Palast, Blaue Moschee: Istanbul hat zu allen Jahreszeiten viel zu bieten. Doch im Frühling blühen dazu tausende Tulpen

Im Park von Emirgan, hoch über dem Bosporus, blüht ein ungewöhnlicher Tulpengarten. Stadtauswärts auf der europäischen Seite an Istanbuls Meerenge gelegen wie an der allerschönsten Riviera. Wer glaubt, dass nur die Niederlande eine Tulpenreise wert sind, der war noch nicht in der türkischen Kulturhauptstadt. Dicht an dicht wie ein feuerfarbener Teppich aus orientalischen Mustern stehen die Blütenköpfe und ziehen sich prachtvoll, strotzend hügelan und hinab unter den Bäumen des Parks. Nie vorher haben Tulpen so elegant und schwungvoll angeordnet den Frühling begrüßt.

Bei so viel Opulenz hat der Orient seine Finger im Spiel und erfüllt damit gleich die schönsten Erwartungen. Denn bei aller Hinwendung Istanbuls zur Moderne reizen am meisten doch die duftenden Märkte, die alten Sultansgemächer und köstlichen Speisen. Istanbul rührt ans Gefühl. Der Bosporus, der die Stadt in ein Stück Europa und Asien teilt, darf als die Hauptschlagader des Lebens hier gelten. Flink kreuzen die Fähren zwischen behäbigen dicken Pötten, die sich von der Ägäis ins Schwarze Meer schieben. In Emirgan, wo sonst mehr als 120 verschiedene Pflanzenarten das landschaftliche Bild ausmachen, gehört der Park als historische Grünanlage aus dem 16. Jahrhundert seit fünf Jahren in der zweiten Aprilwoche allein der Tulpe.

In diesem Jahr ist das Tulpenfestival der angemessene Auftakt für Istanbuls feierliches Jahr. Alle Welt schaut auf die Stadt. Wer im April kommt, erlebt sie ganz erfrischt und sollte sich ihr mal über die Gärten nähern. Gibt es ein poetischeres Frühlingsthema? Abgesehen von den Kulturschätzen, Märkten und quirligen Straßen wird Istanbul stadtauswärts Richtung Schwarzes Meer immer reizvoller und eleganter, spielt hinreißend orientalische Riviera. Auch im Emirgan-Park, denn dort steht ein Holzhaus aus osmanischer Zeit, in dem man Tee trinken und zu Mittag essen kann, wenn man sich an den Tulpen sattgesehen hat.

Die Tulpe. Die Einzigartige. „Lale“ nennen sie die Türken. Gerade mal zwei Wochen gibt sie sich ihrem Blütenrausch hin. Und dabei duftet sie noch nicht einmal. Das macht sie seit jeher noch begehrenswerter, distanzierter, irgendwie zickiger. Istanbul besinnt sich seiner berühmtesten Blume und feiert sie derart heftig, dass nicht nur die Parks, sondern auch die Seitenstreifen der Autobahnen in voller Blüte stehen. Auf Plätzen und Grünstreifen schaukeln dann die bunten Köpfe der Blumen: spitz, ausgefranst, schlicht, gefüllt an den Ufern von Marmarameer, Goldenem Horn und Bosporus in der Meeresbrise.

Istanbul im Frühling ist eine Wonne. Der Himmel ist blau, der Bosporus glitzert in der Sonne. Das ist genau die richtige Zeit, mit einem der Fährboote so weit wie möglich in Richtung Schwarzes Meer zu fahren oder irgendwo auszusteigen, um in einem der Cafés am Ufer in der Sonne zu sitzen und zu einem Glas Tee eine Handvoll dieser honigsüßen Blätterteigröllchen zu knuspern.

Die Tulpe und die Türken sind ein Liebespaar. In der nach ihr benannten Tulpenära wurde sie von den osmanischen Herrschern vergöttert und von Poeten und Künstlern verehrt. Sie zog ein in die kostbarsten Paläste und Moscheen der Stadt. Man muss nur mal eine Führung durch den Topkapi-Palast machen. Da findet man ihr Abbild auf Schritt und Tritt. Die Tulpe schmückt die Stadt derart selbstverständlich, dass die Istanbuler sie lange kaum noch wahrnahmen. Sogar ihre Aufzucht und Weiterentwicklung überließ man den Holländern, nachdem diese ihrer habhaft geworden waren und damit Geschichte schrieben.

In Holland machte die Tulpe Furore, wurde zum Verkaufsschlager. In Istanbul ist sie einfach nur Teil des Kulturgutes. Necmettin Kasimoglu ist schon 84 Jahre alt und Istanbuls ältester Gärtner. Im Stadtteil Anadoluhisari (auf der asiatischen Seite) gehört ihm eine Landschaftsgärtnerei. Der studierte Landschaftsarchitekt war früher Chef aller Grünanlagen Istanbuls und hat in den siebziger Jahren die ersten Tulpen aus Holland reimportiert. So konnte es schließlich nicht weitergehen. Die Blumen waren fast in Vergessenheit geraten.

Heute, viele Jahre später, werden immer noch Tulpenzwiebeln aus Holland beschafft für das Blütenfeuerwerk im April. Die weitaus größere Anzahl kommt jedoch aus dem türkischen Konya. Nicht weit davon und mehr als tausend Meter hoch in den Bergen Ost-Anatoliens wächst nämlich wie schon vor Hunderten von Jahren die wilde Tulpe. Ihr Abbild findet man im Großen Basar auf allerlei Vasen und Teller gemalt. Aus dieser Urtulpe erwuchsen alle nachfolgenden Tulpengenerationen.

Exemplare mit so fantasievollen Namen wie Aladin oder Alibaba gab es schon im 17. Jahrhundert. Für die Züchtung eines besonders schönen Exemplars wurde einem Gärtner zu osmanischen Zeiten ein Yali zum Geschenk gemacht. Yalis, das sind die herrlichen osmanischen Holzvillen auf Stelzen am Bosporusufer, von denen leider nur wenige noch erhalten sind. Die anderen sind im Laufe der Jahre abgebrannt oder einfach verrottet. Je weiter man auf der europäischen Seite stadtauswärts Richtung Emirgan-Park fährt, desto mehr Yalis findet man noch.

Wer außer Emirgan auch den Hidiv- Garten auf der asiatischen Seite Istanbuls besucht, der sieht Tulpenornamente wie in Emirgan, das man auf der gegenüberliegenden Bosporusseite im sanften Frühlingsdunst erahnen kann. Ganz zu Unrecht liegt die asiatische Seite Istanbuls immer ein wenig im Schatten der europäischen. Dabei ist es sehr lauschig dort und ursprünglich, und bei Sonnenuntergang hat man den allerherrlichsten Blick auf die Silhouette des Topkapi-Palastes auf der anderen Flussseite. Vollromantiker lassen sich dann von Üsküdar (Asien) zum kleinen Leanderturm übersetzen, der nah am Ufer mitten im Strom auf einer winzigen Insel liegt. Oben gibt es eine Bar und einen kleinen umlaufenden Balkon, auf dem man die Nacht einläuten kann.

Zwischen Hidiv-Park und Üsküdar steht ein wundervoll restauriertes schneeweißes Yali-Hotel. Das Hotel Aija im Stadtteil Kanlica hat nur 15 Zimmer, und nachts hört man das Wasser des Bosporus ans Ufer schwappen. Gleich nebenan ist ein Schiffsanleger, von dem aus man leicht die Uferseite wechseln kann. Sowieso ist Kanlica ein zauberhafter kleiner Ort an Wasser und Hang gelegen.

Ein rauschebärtiger Antiquitätenhändler bittet zum Tee herein und verscheucht gleich eine dicke Katze, die auf einem Tulpenkissen (!) schlummert. Hier steht die Zeit still und der Ort spaziert vorbei. Einmalig schön sitzt man nach dem Tulpenrausch im Hidiv-Garten später im Yogurdu-Café und löffelt den köstlichen hausgemachten Joghurt (wahrscheinlich der beste in Istanbul) unter einem Berg von Puderzucker hervor, lässt riesige Tanker und winzige bunte Holzboote auf der Meerenge vorbeiziehen.

In diesem Jahr werden in Istanbul fast hundert verschiedene Tulpensorten blühen. Wie viele Touristen die Kulturhauptstadt wohl erobern? Auf jeden Fall sind im April die Schlangen vor den Moscheen und Palästen nur halb so lang. Fürs Tulpenfestival waren 300 gärtnerische Helfer Ende vergangenen Jahres unterwegs, um auf jeweils einem Quadratmeter 80 Zwiebeln zu versenken. 13 Millionen insgesamt. 13 Millionen Einwohner zählt auch Istanbul offiziell (geschätzt werden 18 Millionen).

Als die Holländer zum ersten Mal das Tulpenfestival von Istanbul besuchten, waren sie verblüfft und konnten es gar nicht fassen. So, wie die Türken ihre Tulpen als ornamentale Bilder im Park wachsen ließen, das hatten sie noch nie gesehen. Sogar tanzende Derwische kann man am Bosporus zum Blühen bringen.

ANREISE

Nonstop ab Berlin fliegen Germania, Sun Express, Turkish Airlines und Pegasus Airlines nach Istanbul. Ab 183 Euro (Turkish Airlines).

In der Stadt sind Taxis und Fähren zu empfehlen.

UNTERKUNFT

Wohnen kann man hier auf zwei Erdteilen. Auf europäischer Seite:

Hotel Yesil Ev (Telefonnummer: 00 90 / 212 / 517 67 85, Internet: www.istanbulyesilev.com). Eine Alt-Istanbuler Residenz zwischen Hagia Sophia und Mavi Moschee gelegen, ganz im Stil des 19. Jahrhunderts ausgestattet. Doppelzimmer mit Frühstück ab 220 Euro.

Four Seasons Hotel (Telefon: 00 90 / 212 / 402 30 00, Internet: www.fourseasons.com/istanbul); umgebautes Gefängnis mit 65 Zimmern in der Altstadt. Sehr schön, sehr teuer: Doppelzimmer ab 486 Euro

Auf asiatischer Seite:

Hotel Ajia (Telefonnummer: 00 90 / 216 / 413 93 00, Internet: www.ajiahotel.com). Schickes Boutique-Hotel mit 15 Zimmern direkt am Bosporus. Doppelzimmer mit Frühstück ab 210 Euro.

FÜHRUNGEN

Wer sein Istanbul-Programm ganz nach seinen Interessen gestalten lassen will, kann sich an Gemini Tourism wenden, einen lokalen Veranstalter. Man spricht Deutsch (Telefon: 00 90 / 212 / 324 20 90, Internet: www.geminitourism.com).

PAUSCHALEN

Kaum ein Veranstalter, der keine Städtereisen an den Bosporus im Programm hat. Bei Öger Tours beispielsweise kostet eine Reise zum Tulpenfest (18. bis 30. April) mit drei Übernachtungen / Frühstück in einem Drei-Sterne-Hotel (Erguvan) in der Altstadt 460 Euro inklusive Flug ab Berlin-Tegel.

AUSKUNFT

Tourismusbüro, Rungestraße 9, 10179 Berlin; Telefonnummer: 030 / 214 37 52; auf der ITB in Halle 3.2

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