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Einladend. Reetgedeckt lockt dieses Ferienhaus in Ahrenshoop.

© picture alliance / dpa

Ferienhäuser: Knoblauchpresse im Sandkasten

Wer ein Ferienhaus vermietet, kann einiges erleben. Verschwundene Kleiderbügel und Kaffeelöffel gehören zum Regelfall. Als Tauschobjekte lassen Gäste dafür Amputierte Plüschtiere und Kinderspielzeug zurück. Ein Lagebericht.

Ich liebe Ferienhäuser. Jedes ist anders und voller Überraschungen. Jedes ruft dieses Gefühl „Mein eigenes Haus!“ wach – und sei es nur für zwei Wochen. Natürlich ist nicht immer alles top. Es gibt zu wenig Handtuchhaken oder Kleiderbügel, die Leselampe am Bett funzelt trübe vor sich hin. Manchmal hängt einem die Klopapierrolle weit oben im Rücken, so dass allenfalls Akrobaten sie erreichen. Bevor man seine Sachen verteilen kann, müssen bisweilen Trockenblumen, Kerzenhalter oder Keramiktiere erst mal im Schuppen verstaut werden. Nun ja. Ich hatte manches Mal ein wenig was zu meckern ...

In den letzten Jahren hat sich meine Perspektive etwas verändert, hat doch mein Gatte eine umgebaute Scheune mit in die Ehe gebracht. Dort finden in dörflicher Einsamkeit 15 Leute Platz: Familienrudel, Hochzeitsgesellschaften, Therapiegruppen und Männertrinkvereine. Einmal wollte sogar eine Porno-Crew das Haus für Dreharbeiten anmieten. Mein Gatte hatte aber gewisse Befürchtungen, dass man im späteren Film seinen Kamin und das schwarze Ledersofa wiedererkennen könnte.

Manchmal fahren wir auch selber zu unserer Scheune. Jedes Mal mit der Illusion, die Natur und die Ruhe genießen zu können. Jeder Besuch beginnt mit Wutausbrüchen meines Mannes. Dabei schwenkt er abgebrochene Einzelteile in der Hand: Sofafüße, Türklinken oder Lampenschirme. Nur Gutmenschen teilen uns mit, wenn sie etwas zerbrochen haben. Die anderen Gäste verschwinden lautlos und hinterlassen defekte Spülmaschinen, kaputte Mülleimer, Kaffeemaschinen und Gartenstühle.

Mit Flachzange und Eimer verschwindet mein Gatte fluchend im Bad. Ich will gar nicht wissen, was er da macht. Ich genieße für einen Moment den Blick von der Terrasse, bevor ich das durcheinandergewürfelte Kücheninventar sortiere und die Bilder wieder aufhänge, die jemand unterm Ehebett versteckt hat. Auf der Wiese hinterm Haus grasen zwei Rehe. Auf der Verandabrüstung brechen sich Sonnenstrahlen in angetrockneten Rotweingläsern. Darin dümpeln ersoffene Wespen und Zigarettenkippen.

Die Zahl der Weingläser ist um 75 Prozent gesunken. Im Sandkasten liegen die Knoblauchpresse und der kleine Schlüssel, mit dem man die Heizung entlüften kann. Der Walnussbaum ist gründlich abgeerntet. Den Nussknacker in Nikolausuniform haben die Erntehelfer gleich mitgenommen. Überhaupt scheinen einige Gäste hier ihren Haushalt aufzustocken. Die neuen Kleiderbügel sind geschlossen ausgewandert. Kaffeelöffel und Teekannen haben sich angeschlossen. Hatte ich nicht mal eine Uhr und eine Haushaltsschere in der Küche deponiert? Schrank- und Zimmerschlüssel gibt es auch nicht mehr.

Ladegeräte, amputierte Plüschtiere und Kinderspielzeug...

Dafür lassen die Gäste interessante Tauschobjekte zurück: Ladegeräte für Handys, amputierte Plüschtiere und ausgediente Batterien, versteckt im Kinderspielzeug oder in Vasen. Im Bücherregal hat jemand alte Zeitschriften, Möbelkataloge und einen halben Zierkürbis hinterlassen. Auf dem Küchenschrank steht offenbar schon längere Zeit eine Schüssel Reissalat. Im Kühlschrank hat ein Hobby-Angler seine Fleischmaden vergessen. Ich setze sie auf dem Komposthaufen aus.

Manche Gäste sortieren die Möbel neu. Auf der Kinderetage hat jemand einen Pfeiler bemalt. Im Gästebuch finden sich Pflaumenmusrückstände und anatomische Zeichnungen. Auf der Galerie sind Blumentöpfe und Tische so umgestellt, dass man die Rotweinflecken nicht sieht. Kinderbett und Sofa haben den Platz getauscht. Die Zimmerpflanzen hängen traurig in den Töpfen. Sie sind robust, aber wochenlange Dürre mit anschließender Überschwemmung vertragen auch sie nicht.

Der Kachelofen mit eingebauter Sitzecke scheint eine ideale Kletterlandschaft zu sein. „Ach, da sind Kacheln herausgebrochen? Mein Jonathan hätte mir das bestimmt gesagt, wenn ihm das passiert wäre. Bekommen wir jetzt etwa die Kaution nicht zurück?“

Im Etagenbett riecht es süßlich. Kinderpipi? Einige Matratzen finden wir im Schuppen, verziert mit Fußabdrücken. Die Fahrräder im Keller waren den Akrobatikversuchen der Gäste auf Dauer nicht gewachsen. Ein Eventkünstler hat die Skelette zu einer interessanten Skulptur zusammengefügt. Das letzte funktionstüchtige Fahrrad schließen wir ein.

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