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Ökologisch korrekt. Auf den Fidschi-Inseln wird die Natur geschont. Was die Erde hergibt, nutzen die Menschen auf vielfältige Weise – wie vor Hunderten von Jahren.

© Patrick Frilet/laif

Fidschi: Die Götter mögen’s leise

Auf den Fidschi-Inseln dominiert Tradition. Dazu gehören Gebete, farbenfrohe Gewänder – und scharfe Gerichte.

Mereisi schnitzt an einer Skulptur. Mit dem Messer in der Hand sitzt sie im schneeweißen Sand am Strand von Namaquaqua und schneidet einzelne Fasern aus einem mannshohen Holzblock. Stück für Stück entstehen die primitiven Konturen eines Gesichts: breite Lippen, schmale Augen, platte Nase, hohe Stirn. „Ich bearbeite eine Schwarzwurzel vom Baumfarn. Mein Onkel hat sie mir aus dem Dschungel mitgebracht“, erzählt die 26-jährige Fidschianerin stolz. Das halbfertige Kunstwerk sieht aus, als sei es aus Hunderten Splittern zusammengepresst. Vielleicht wird es bald in einem schicken Urlaubsresort stehen. Schwarz wie die Nacht starren die sogenannten Balambalas dort die Touristen an und erschrecken mitgereiste Kinder.

Mereisis Arbeitsplatz liegt an der Korallenküste im Süden von Viti Levu. Mit 10 000 Quadratkilometern ist die Insel die größte der 332 Fidschi-Eilande – und die ursprünglichste. Drei Viertel der Bevölkerung Fidschis leben hier, der Großteil in den flachen Küstenstädten, die die Insel sprenkeln. Allen voran die Hauptstadt Suva im Süden mit der attraktiven Hafenpromenade Stinson Parade, dem abendlichen Tummelplatz für Liebespaare, und dem Open Air Markt an der Usher Street, auf dem Einheimische Paradiesvogelblumen, Ananas und Papageienfische feilbieten. Nirgendwo zeigt sich das moderne Fidschi-Leben so beeindruckend wie hier.

Ganz anders sieht es in Lautoka aus. Die zweitgrößte Küstenstadt Viti Levus lebt von den gewaltigen Zuckerrohrplantagen, die den Inselnorden bedecken. Als die Engländer den Südseestaat 1874 kolonialisierten, holten sie für die Zuckerrohrernte billige Arbeitskräfte aus Indien ins Land. Auch nach der Unabhängigkeit Fidschis im Jahr 1970 ist der Norden Viti Levus weitgehend indisch geprägt geblieben. Saris und Brokatkissen schmücken Lautokas Schaufenster. Außerhalb, an der Küstenstraße Kings Road, prahlt jedes noch so kleine Dorf mit einem Hindutempel oder einer Moschee.

Wenige Schritte hinter den Städten beginnt das gebirgige Inselinnere. Im tropischen Regenwald schreien Affen, rabengroße Fledermäuse hängen wie Weihnachtskugeln an Palmenzweigen, Männer, die Macheten über der Schulter tragen, tauchen urplötzlich auf und entschwinden rasch wieder im Busch. Manchmal zeigt sich zwischen Bananenstauden, Farnen und Bambus ein winziges Dorf wie Navala, bebaut mit schlichten Hütten aus Palmwedeln. Männer und Frauen im Sulu, dem traditionellen Wickelrock, schreiten die Dorfwege entlang, im Haar eine feuerrote Hibiskusblüte.

„Schau, was ich heute mitgebracht habe“, flüstert die 26-jährige Tikki ihrem Mann zu und stellt einen Palmenkorb voller Blüten und Blätter auf den Boden vor ihrer Hütte. Darin sorgsam sortiert: Blätter des Wasserapfels gegen Kopfweh, Brotfrüchte für eine Diät, Hibiskus für Wundverbände und Goldpflaume gegen Husten, Fieber und Appetitlosigkeit. Die schwarzgelockte Frau war am Morgen aufgebrochen, um Kräuter im Dschungel zu sammeln. „Nächstes Mal nehme ich dich mit, dann kannst du für unser neues Haus einen Balambala schlagen", sagt sie ihrem Mann noch und lacht.

Die gastfreundlichen Fidschianer waren Kannibalen

Der Mann von Tikki sitzt gemeinsam mit einigen Nachbarn auf geflochtenen Bananenmatten rund um eine riesige Holzschüssel. Unter ihnen befindet sich der Häuptling, der Tui. Im Wasser der Schüssel schwimmen Wurzeln des Pfefferstrauchs. Der alte Priestertrunk, Kava genannt, kam früher nur bei Zeremonien zum Einsatz. Inzwischen ist er das Nationalgetränk der Fidschis, mit dem jeder Dorfbesucher in einem Ritual empfangen wird. Eine hohe Ehre.

Stillschweigend lauscht die heute geladene Runde dem Gemurmel des Tui, der soeben die Götter grüßt. Dann hält er einem der Gäste eine gefüllte Kokosschale vor die Nase. Der klatscht in die Hände, schmettert ein begeistertes „Bula“, das fidschianische Wort für Willkommen, leert sie in einem Zug und grinst – die Einheimischen sind den strengen pfeffrigen Trunk gewohnt.

Während Mereisi an der Coral Coast, Viti Levus beliebteste Urlaubsregion, weiter an ihrer Skulptur schnitzt, reiten John und Aca ein paar Kilometer weiter westlich den Natandola Beach auf und ab. Die beiden Männer aus Sanasana führen Urlauber auf ihrem Pferd über den pudrigen Sand der sichelförmigen Bucht. Damit verdienen sie sich ein paar Fidschi-Dollar. „Eine alte Zuckerrohrbahn ruckelt durch Plantagen und Dörfer die Küste entlang und bringt uns fast täglich Besucher“, sagt der 50jährige Aca zufrieden. „Manche laden wir sogar in unsere Familie zum Lovo-Essen ein.“

Schon vor Jahrhunderten wurden Speisen der fidschianischen Küche in einem Erdofen zubereitet. Doch damals waren die Zutaten andere, viele Bewohner frönten dem Kannibalismus. Mit dem Einzug der Briten änderte sich das, nicht aber die Zubereitung an sich: Man gibt einen Korb aus Kokosblättern, gefüllt mit frisch gefangenem Fisch, Tarowurzeln und Brotfrucht, auf glühende Steine in einem Erdloch und bedeckt alles mit handtuchgroßen Taroblättern.

In den Urlaubsresorts ist das Lovo längst ein festes Ereignis. Dort befeuern Einheimische aus dem Inseldorf den Erdofen. Am Abend sitzt man dann bei Kerzenschein unter freiem Himmel, lässt das zarte Fleisch auf der Zunge zergehen und sinniert über die vergangenen Strandtage: auf den vorgelagerten Yasawa-Inseln, wo Brooke Shields im Kinoklassiker „Die Blaue Lagune“ die Hüllen fallen ließ oder auf den Mamanucas, die so grün sind, als hätte der liebe Gott einen Farbtopf über ihnen ausgekippt.

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