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© Mauritius

Fiesta-Tour: Spanien: Alles auf der Pfanne

Wenn Spanien feiert, wird auch geschlemmt: Bei einer kulinarischen Fiesta-Tour erleben Besucher urig-ulkiges Brauchtum

Paella, Serrano-Schinken, Manchego- Käse, Wein aus der Rioja: Viele Urlauber haben in Spanien die iberische Küche lieben gelernt. Wer sie in vollen Zügen auskosten möchte, sollte zum Schlemmern eine der zahlreichen „Fiestas gastronómicas“ besuchen. Nicht nur Gourmets kommen bei diesen kulinarischen Volksfesten auf ihre Kosten – sie sind für Touristen auch eine einzigartige Gelegenheit, den Menschen und ihren Traditionen näher zu kommen.

Eigentlich schmecken die Anchovis am besten auf ganz normalem Brot mit Tomaten, versichert Conchita Sureda. Die 55-jährige Katalanin kommt aus L’Escala, einem kleinen Fischerdorf an der Costa Brava, das unter Feinschmeckern bekannt ist. Denn hier werden die besten spanischen Anchovis – eingelegte Sardellen – gemacht. Doch obwohl Conchita die Anchovis am liebsten auf Brot isst, möchte sie an diesem Tag etwas Besonderes machen. Sie misst ihre Kochkünste mit 24 anderen Frauen aus L’Escala, von denen jede den Preis für das beste Anchovi-Gericht gewinnen will. Immer Anfang September feiert das Dorf sein Anchovi-Fest, und dabei darf ein Kochwettbewerb nicht fehlen.

Aus ganz Spanien kommen die Besucher nach L’Escala, um die salzig-fischigen Köstlichkeiten zu probieren. Conchita legt sich ins Zeug: Geschickt schneidet sie Porree und Pilze klein und brät sie mit Olivenöl in einer Pfanne an. Dann kommen zwölf zarte Anchovi-Filets hinzu, und alles wird mit Sahne und Pfeffer zu einer Masse vermixt. „Jetzt ab in den Ofen, und fertig ist die Anchovi-Pastete“, sagt Conchita zufrieden.

Im Anchovi-Museum, wo der Kochwettbewerb entschieden wird, steht ein Tisch bereits voll mit Tellern. Es gibt Anchovis als Salat, als Kanapees, in Form von Spaghettisoßen, als Pizzafüllung und sogar als Plätzchen, Kuchen oder im Schokoladenpudding. Einige der Hausfrauengerichte gleichen kulinarischen Kunstwerken, die auch dem Auge etwas bieten. Während die Jury darüber streitet, wer in diesem Jahr das beste Anchovi-Gericht gezaubert hat, vergnügen sich am Dorfstrand Hunderte von Besuchern oder stehen Schlange, um Rotwein und Anchovis mit Tomatenbrot zu ergattern. Einige setzen sich mit den salzigen Leckereien direkt in den Sand. Andere hören sich die alten Seemannslieder der Lokalband an, während sie Probierhäppchen genießen.

Weniger salzig, aber dafür noch bunter geht es weiter südlich an der spanischen Mittelmeerküste in Sueca zu. Hier duftet es nach Kaninchen, Bohnen, Reis und Tomaten. Behutsam legt José Jiménez das in Stücke geschnittene Fleisch in die mit heißem Olivenöl gefüllte Pfanne. Es zischt und spritzt, die Zuschauer gehen einen Schritt zurück. Danach gibt der Koch aus Valencia Garrofón, eine spanische Bohnensorte, hinzu und brät alles gut an.

Immer wieder rückt José Jiménez das Feuerholz unter der riesigen Pfanne zurecht, damit sie überall gleich viel Hitze bekommt. Alles muss perfekt sein, wenn man sich im September auf dem Paella-Kochwettbewerb unter freiem Himmel mit den besten Paella- Köchen der Welt messen will. Die meisten sind Spanier, aber auch Japaner, Ekuadorianer, Italiener und Deutsche sind in Sueca, einem Küstendorf 30 Kilometer südlich von Valencia, schon angetreten.

Bewertet werden Garzustand, Farbe, Geschmack und natürlich der „Socarrat“ der Paella. Diese leicht braunen und knusprig angebratenen Reisreste am Boden der Pfanne gelten für jeden Paella- Liebhaber als geschmacklicher Höhepunkt. Die Bedingungen sind für alle Teilnehmer gleich; Zutaten, Menge und Rezept sind vorgegeben. Gekocht wird die Ur-Paella, die „Paella Valenciana“, die nur Huhn- und Kaninchenfleisch, Tavella, Garrofón, Tomaten, Bergschnecken und natürlich den Bomba-Reis enthalten darf, ein Mittelkornreis mit Herkunftsbezeichnung aus Valencia.

Auch die Gewürze sind vorgeschrieben. Enrique Serván vom Restaurant „Pata Negra“ in Berlin streut unter den prüfenden Blicken der Zuschauer eine Prise süßes Paprikapulver, Safran und Salz in die riesige Pfanne. Jeder Handgriff wird kommentiert – schließlich sind hier in Sueca alle Bewohner Paella-Kenner, und fast alle sind davon überzeugt, dass ihre hausgemachte Paella mindestens genauso gut schmeckt wie die der Profiköche. In Sueca sind gut 400 Reisgerichte bekannt, für jeden Tag des Jahres ein anderes. Sueca liegt mitten im Naturpark La Albufera, einem der größten Reisanbaugebiete Europas.

Während der Safran der Paella nur den gelblichen Ton verleiht, steht das Gewürz im zentralspanischen Consuegra im Mittelpunkt der Feierlichkeiten. Ende Oktober feiert der verschlafene Ort in der weiten Ebene der Mancha sein Safranfest. Dabei könnte die Szene, die so ziemlich alle Don-Quijote-Klischees erfüllt, kitschiger kaum sein: Am Fuße einer von Windmühlen gekrönten Hügelkette findet am Dorfrand die Safranernte statt. Die sonst braunen Äcker haben sich plötzlich in einen lilafarbenen Teppich verwandelt. Nur für drei Wochen im Jahr blühen die Safranrosen. Vor Sonnenaufgang ziehen die Dorfbewohner dann hinaus auf die Felder, um die zarten Krokusblüten zu ernten.

„Keine Minute darf verschenkt werden. Die Krokusblüten, die mit der Morgensonne aufblühen, sterben am Nachmittag“, erklärt Juan Alcazar. Geschickt dreht er die Knospen ab und lässt sie in seinem Strohkorb verschwinden – die Safranernte ist immer noch harte Handarbeit. Im Dorf werden die Körbe mit den violetten Blüten ausgebreitet, um die drei langen, roten Blütennarben aus jeder Blüte zu entfernen. Die Frauen zupfen dabei um die Wette, um zu sehen, wer die Schnellste ist. Unterdessen werden auf dem Dorfplatz für die Besucher manchegische Speisen mit Safran aufgetischt und gekocht.

Nicht weit von Consuegra entfernt findet in der ersten Woche im September im Anbaugebiet Valdepeñas das traditionelle Weinlesefest mit Sangría- Wettbewerben und Weinproben statt, bei denen der köstliche Manchego-Käse nicht fehlen darf. Liebhaber spanischer Weine kommen Ende September auch auf dem Weinfest von Logroño in der Rioja auf ihre Kosten: Jedes Jahr am 21. September startet das Fest mit dem rituellen Traubenstampfen auf der Plaza del Espolón. In Trachten gekleidet zertreten zwei Männer die frisch gelesenen Trauben in einem riesigen Holzbottich bei einem Tanz zum ersten Most des Jahres. ORT 1]ORT 2]ORT 3]ORT 4]ORT 5]ORT 6]

Manuel Meyer

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