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St. Barths auf den Kleinen Antillen. Die Insel gilt als Fluchtpunkt von allerlei Hollywood-Prominenz, was die Kreuzfahrtgemeinde jedoch nicht weiter stört. Hier ein Blick auf den Hauptort Port Gustavia.

© picture alliance / Bruce Colem

Fisher Island: Tanzstunde auf Deck 10

Inselhüpfen in der Karibik – ein Klassiker. Auf der „Azamara Journey“ wird die Reise dabei sehr amerikanisch.

Beim Auslaufen aus Miami sehen wir rosafarbene Flamingos. Langsam gleitet die „Azamara Journey“ an Fisher Island vorbei, der Insel der Millionäre. „Diese Leute leben doch im Gefängnis ihres Geldes“, sinniert Marta aus Kopenhagen leise vor sich hin. Marta trafen wir bereits gestern im Hotel Ritz Carlton Cococnut Grove, das beliebt ist wegen seiner sogenannten Pre-Cruise-Angebote, die die europäischen Kreuzfahrt-Passagiere mit Jetlag schon mal auf kommende Seewonnen einstimmen.

Marta sehen wir später wieder bei einem Vortrag über St. Barths, der Insel der vermeintlich Schönen und Reichen. Es ist der erste Seetag auf dieser Reise von Miami nach Miami, die uns Tag für Tag eine neue karibische Insel bescheren wird. Mit 17 Knoten Geschwindigkeit nähern wir uns den amerikanischen Virgin Islands. Das Wasser im Pool beträgt 27Grad, die Lufttemperatur auch. Viele Passagiere freuen sich auf eine Tanzstunde im „Looking Glass“ auf Deck 10, ganz weit oben, wo man von raumhohen Fenstern hinab aufs ruhige smaragdgrüne Meer schauen kann.

Merengue sollen wir lernen. „You feel it“, beschwört der Tanzlehrer diejenigen Gäste, die soeben versuchen, Gefühl für jene elektrisierenden Rhythmen zu entwickeln, denen sie auf dieser zwölftägigen Reise durch die Karibik noch oft begegnen werden.

Abends steht erst einmal ein Klavierkonzert im bordeigenen Theater auf dem Programm. Der Pianist trabt im Paillettenjackett auf die Bühne. Neben uns wird etwas gehässig getuschelt: Gibt er noch richtige Konzerte oder tritt er „nur“ noch auf Kreuzfahrten auf? Wie auch immer, der Pianist macht mächtig viel Dampf; er schmiert die Oktaven auf dem Instrument nur so herunter.

Die Insel St. John, Teil der U.S. Virgin Islands, ist bereits zu sehen, als wir aufwachen. Es sei die ultimativ „loveliest island“, schwärmen die Stewards, die uns den Kaffee bringen. St. John war früher in dänischer Hand – wohl deshalb hat auch eine fröhliche Truppe aus Dänemark diese Kreuzfahrt gebucht. Die Dänen und viele der anderen, vorwiegend amerikanischen Passagiere stehen auf ihren Veranden und halten in den Händen das wichtigste Requisit auf See und auch beim Einlaufen: ein Fernglas, das jeder Gast leihweise in seiner Kabine vorfindet, die hier überall eine Suite ist.

Eine offene Pferdekutsche fährt uns über die Insel zur Cruz Bay. Unser Kutscher strahlt: „Hier lässt sich’s gut leben – an den letzten Hurrikan kann ich mich kaum noch erinnern.“ Endlich, freut er sich, laufen die Schiffe diese Insel wieder an. Zur Zeit der Finanzkrise sei hier nichts los gewesen. Die Amerikaner hatten kein Geld mehr übrig für Kreuzfahrten, doch seit dem vergangenen Jahr sei wieder alles anders. Ein Sonnenhut im Shop gegenüber der Pier kostet auch schon wieder 50 Dollar.

Als das Schiff ausläuft, geht die Sonne unter und man hängt den Gästen exotische Blütenkränze um. Mit Gnocchi, Parmesan und viel, viel Knoblauch lockt das Büfett im Windows Café auf Deck 9. „No woman, no cry“, singt ein Bob Marley-Doppelgänger dazu, und bei „I will survive“ fliegen schließlich die Notenblätter der Bordband weg. Das Schiff hat Fahrt aufgenommen. Der „Drink des Tages“ enthält viel Rum und die „Best Ager“, also die Gäste in den besten Jahren, verabschieden sich schon bald zu den Klängen von „By the Rivers of Babylon“ in Richtung ihrer Kabinen.

Die weiteren Stationen auf der Karibik-Reise

Am Büfett begegnen wir Kreuzfahrtdirektorin Heike Berdos. Die Deutsche bezeichnet die „Azamara Journey“ als ein „schönes Boutique-Hotel“, dessen Konzept ganz einfach sei: Service, Service, Service für die 710 Passagiere. Dazu: Ruhe, Entspannung, keine Animation, kein Kinderlärm.

Ruhe und Luxus, das ist Alltag in Gustavia auf St. Barths. Hollywood-Prominenz urlaubt gern auf der Insel und – man hätte es ahnen können – auch Sabine Christiansen wurde bereits gesichtet. Boutiquen von Cartier, Hermès und anderen Nobelmarken säumen die Einkaufsstraßen. Vor französisch anmutenden Brasserien sitzen schon bald viele der „Azamara“-Passagiere, um sich einen Pastis zu genehmigen. Doch der größte Luxus ist es, hier einen Stadtstrand zu finden, abseits von Schicki und Micki, an dem sich auch Otto-Normal-Kreuzfahrer willkommen fühlt und ein Stündchen Karibik genießt.

Wir nähern uns der Insel Dominica und sehen – grün. Riesig sind ihre Ausmaße, hoch ihre Berge. Christoph Columbus war es, der ihr einen europäischen Namen gab. Unerschlossen noch die Regenwälder dieser Insel, doch dank EU-Fördergeldern zieht sich inzwischen der Waitukubuli National Trail fast 200 Kilometer lang von Nord nach Süd über die Insel. Es besteht also Hoffnung, dass hier zumindest den gierigen Fängen der Tourismusindustrie die Grenzen aufgezeigt werden.

Als wir in Basseterre, der Hauptstadt der Inselföderation St. Kitts und Nevis (Kleine Antillen), anlegen, haben die Passagiere die für sie wichtigste Information für ihren heutigen Landgang bereits dem Bordprogramm entnommen: Hier zahlt man in US-Dollar. Was offenbar sehr beruhigend ist für die vielen Amerikaner an Bord. Songs von Rihanna besorgen die Musikberieselung in den Einkaufsmeilen der Stadt, die schier überschwappt: Heute liegen gleich drei Kreuzfahrtschiffe im Hafen und alle Passagiere sind offenbar gleichzeitig unterwegs. Schmuck ist offenbar das magische Wort hier und entsprechende Geschäfte werben bereits direkt an der Pier um Kreuzfahrergeld. Da kommt doch fast so ein wenig Butterfahrt-Gefühl auf.

Damit beim Captain’s-Dinner Gläser und Geschirr auf den Tischen bleiben, fährt die „Azamara Journey“ Kurs Nordwest, um einem Sturm auszuweichen. Zwei Seetage noch bis Miami. Wegen der Landgänge haben wir noch nicht ein einziges Mal die täglich angepriesene „elegant teatime“ auf Deck 10 genossen. Das gilt es nun nachzuholen. Die Stewards tragen weiße Handschuhe, Harfenmusik umplänkelt die Gäste, auf Etagèren finden sich Lachs-Sandwiches, petit fours und Scones. Das Teegeschirr aus Bone-China ist hauchdünn, das Ambiente grau-blau, edel. Währenddessen sind aus der nahen Küche des Prime C Restaurants Schläge zu hören. Ob etwa das kostbare KoberindFilet mürbe geschlagen wird? Die Speisekarte lässt nicht darauf schließen. Vielmehr werden hier Köstlichkeiten à la carte serviert wie: Lobster, Ziegenkäsesoufflee, Filet Mignon an Cherry Tomato Confit; und Amy aus der Ukraine wird dazu wieder mal melancholische Weisen harfen.

Am letzten Abend geht unser griechischer Kapitän, der gern Diogenes zitiert, mal selbst „aus der Sonne“, sprich aus dem Rampenlicht, als es gilt, die fleißige Crew ins rechte Licht zu rücken. Alle guten Geister des Kreuzfahrtalltags werden auf die Bühne des Theaters geholt, um ihren wohlverdienten Applaus entgegenzunehmen. Deren Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, denken wir, mag wohl kaum genügend gewürdigt werden mit, auf amerikanischen Schiffen obligatorischen, Trinkgeldern von 12,50 Dollar pro Tag und Person, die auf alle Crewmitglieder gerecht aufgeteilt werden.

245 Seemeilen liegen noch vor uns bis nach Miami, wo es vorbei an rosa Flamingos, Millionärs-„Gefängnissen“ , zurückgehen wird nach Hause, zum Flugplatz, aber am liebsten gern noch für ein paar Tage zurück ins Hotel. Zu einem „Nachprogramm“, vor uns das Meer und die wieder zur nächsten Karibik-Reise auslaufende „Azamara Journey“. Auf dass damit der Passagiere Abschiedsschmerz vom Schiff ein wenig gemildert werde.

Dagmar Zurek

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