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Luxus in Teak. Touren auf der „Anatara Song“ führen in ein beschauliches Thailand. Das Schiff startet in Bangkok – und kehrt nach drei Tagen wieder dorthin zurück. Foto: laif

© Marcus Vogel/laif

Reise: Gebetstücher für Buddha

Zwischen Bangkok und Ayutthaya, der alten Hauptstadt Thailands, fließt der Chao Phraya. Dort unterwegs, schwelgen Flussreisende in Nostalgie.

Dolly beugt sich lächelnd über den Tisch auf dem Teakdeck der „Anantara BuddSong“. Sieben kleine Schälchen, gefüllt mit frischen Zwiebelstückchen, getrockneten Shrimps, Erdnüssen, Ingwer, Limone, Kokusnuss und Chili, stehen hübsch drapiert darauf und entfalten einen verführerischen Duft. In der Mitte liegt ein Bündel leuchtend grüner Chaplu-Blätter. Der 25-jährige Butler der traditionellen thailändischen Reisbarke, der mit richtigem Namen Nopadol heißt, faltet eines der Blätter, füllt es mit den Zutaten und taucht es in die Sauce aus Zuckerrohr, Kokusnuss und Shrimps. „Mieng Kham ist eine typisch siamesische Vorspeise, schmeckt köstlich und hilft sogar gegen Fieber und Zahnschmerzen“, schwärmt er.

Für insgesamt drei Tage sorgen Dolly und sein Kollege, Koch Jumlong, auf dem 20 Meter langen Fünf-Sterne-Schiff, einem ehemaligen Reistransporter, für das Wohl der maximal acht Gäste. Inmitten von thailändischen Skulpturen, handgefertigten Möbeln und altem Teak- und Mahagonyholz wird die Fahrt auf dem Chao Phraya von der Metropole Bangkok zur alten Königsstadt Ayutthaya zu einem einzigen Verwöhnprogramm und kulinarischem Fest – eine noble Art, Thailand zu erkunden.

Fast 100 Kilometer bahnt sich die 50 Jahre alte, zu neuem Glanz restaurierte Barke ihren Weg durch unzählige Bündel knallgrüner Wasserhyazinthen vorbei am teils ursprünglichen, teils industriellen Umland, um dann die Stille der abgelegenen thailändischen Landgebiete zu passieren. Langsam und gemächlich gleitet sie über das stille Wasser des Chao Phraya. Vorbei an den auf Stelzen gebauten Holzhäusern, die am Ufer unter den hellen Sonnenstrahlen blau, rot und pink glänzen, mit Treppen, die direkt ins Wasser ragen – zum Baden, Wäsche waschen oder als Einstieg in das hauseigene Boot.

Dahinter breitet sich ein unendlich wirkender Palmenwald aus. Immer wieder ragt plötzlich der Oberkörper einer turmhohen Buddhastatue, mit langen Ohren und gekräuseltem Haar empor oder das geschwungene Dach einer schönen Pagode. Nur selten rauscht eines der bunten Schnellboote über das Wasser, die adrett gekleidete Thais gern als Taxis benutzen.

Der Chao Phraya durchfließt Thailand auf 370 Kilometern von Nord nach Süd – ein Viertel davon auf der Strecke zwischen der heutigen und der alten Hauptstadt, Bangkok und Ayutthaya. Neben dem Mekong ist er eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes. Dafür haben bereits im 17. Jahrhundert zahlreiche siamesische Ingenieure gesorgt, als sie den Fluss mit Dämmen und Khlongs, den schmalen Kanälen, begradigten und damit um gut 63 Kilometer verkürzten. Scharen von Affen und Horden von Krokodilen erschwerten dabei noch die Arbeit am Ufer und im Wasser. Eine der Inseln, die die Begradigung schuf, ist die vier Quadratkilometer kleine Koh Kret.

An diesem typischen Herbstmorgen mit Temperaturen von über 30 Grad, sind bereits Dutzende Handwerker in ihrem Element. Köche, Bäcker, Tischler und vor allem Töpfer – sie alle bieten ihre Handarbeiten an kleinen, bunt dekorierten Tischen entlang eines schmalen, mit Tuchsegel überdachten Pfades an, der am Wat Sao Thong Thong beginnt und nach rund 200 Metern am Dorfrand endet.

Ruhig ist es hier. Autos sind auf der Insel verpönt, Mopeds erst ab fünf Uhr nachmittags erlaubt. Die Töpferkunst ist eines der wenigen Überbleibsel der hier lebenden, knapp 6000 Personen zählenden Mon-Minderheit. Im 18. Jahrhundert durch Kriege aus Birma vertrieben, brachte sie ihre Kunst mit nach Thailand und nach Koh Kret. Zum Leben reichte sie nicht. Erst als vor zehn Jahren die thailändische Regierung die ersten Touristen auf die Insel brachte, lebte die traditionelle Kunst wieder auf. Inzwischen hat sich sogar die jüngere Generation der Töpferkunst verschrieben und verarbeitet den feinen Lehm des Chao Phraya zu imposanten Vasen. Die traditionelle Sprache hingegen gerät weiter in Vergessenheit.

Während Dolly auf der „Anantara Song“ mit dem Salat vom Schweinefilet „Moo Manaow“ die zehnte kulinarische Köstlichkeit serviert, schmiegt sich einige Kilometer weiter gen Norden, am Ufer des Chao Phraya, eine Reihe weißer Mönchshäuser aneinander. Die quadratischen Bauten, die wie exklusive Ferienhäuser an einem italienischen See anmuten, gehören zum Wat Niwet Tham maprawat. Eine kleine, von Mönchen handbetriebene Seilbahn über den Chao Phraya ebnet den Bootsreisenden den Weg zu diesem buddhistischen Tempel. König Rama V ließ ihn aus Liebe zu Europa im Stil einer gotischen Kirche errichten.

Auch gegenüber, auf der anderen Flussseite, war Rama V tätig. Hier erstreckt sich Bang Pa In, das „Versailles von Siam“. Viele Jahre diente der Palastkomplex den Königsfamilien als Sommerresidenz, lag er doch Nahe der einstigen Hauptstadt. Als Ayutthaya 1767 der Zerstörung durch die Birmanen zum Opfer fiel, wurde Bangkok neue Hauptstadt und Bang Pa In geriet in Vergessenheit – über hundert Jahre lang. Erst König Rama V. ließ die Anlage Ende des 19. Jahrhunderts vollständig restaurieren.

Auch als hier Anfang der 1880er Jahre Königin Kumaritana bei einem Bootsausflug vor den Augen ihrer Dienerschaft ertrank, weil es bei Todesstrafe verboten war, ein Mitglied der Königsfamilie zu berühren, hielt er an der Residenz fest. Heute spiegelt sich der bunte Stilmix aus europäischen, chinesischen und thailändischen Prachtbauten in den hübsch angelegten Seen wieder.

Am Zielpunkt der Luxus-Bootsreise bietet sich die wohl reizvollste Aussicht an Land. Die zahlreichen Türme des Wat Chai Wattanaram, die sich im Gegenlicht wie riesige Maulwurfshügel aus dem Boden in den Himmel erheben, gehören zur alten Königsstadt Ayutthaya. 1991 nahm die Unesco die Ruinen der einst 400 Paläste und Tempel, die vom Zerstörungsfeldzug Birmas übrig blieben, in das Weltkulturerbe auf. Über 400 Jahre lang war Ayutthaya eine der schillernsten Handelsstädte in Indochina. Mehr als 30 thailändische Könige regierten von hier aus, Kaufleute aus Europa errichteten ihre Dependancen, diplomatische Beziehungen mit Louis XIV wurden gepflegt. Zur Blütezeit lebten gut eine Million Einwohner in der Stadt, die strategisch äußerst günstig lag: drei Flüsse, ein Kanal, 20 Meter hohe und fünf Meter dicke Befestigungsmauern schirmten die Hauptstadt von der Außenwelt ab. Doch unzufriedene Adlige öffneten den Birmanen die Stadttore und läuteten damit 1767 den Untergang dieser glorreichen Zeit ein.

Von dem unendlichen Reichtum der mit echtem Gold überzogenen Pagoden und massiv goldenen Buddhastatuen ist zwar wenig übrig geblieben, dafür aber die beeindruckende Weite zahlreicher, gut erhaltener Ruinenanlagen. Vor den drei riesigen Chedis des Wat Phra Si Sanphet wirken die Bootsreisenden wie Ameisen, im Wat Mahatat blickt der wohl berühmteste Buddhakopf aus den Wurzeln einer Pappelfeige hervor. Im Wat Phanan Choeng werfen Gläubige dem vergoldeten, 19 Meter großen, Buddha Luangpor To Gebetstücher entgegen.

Als die „Anantara Song“ am Nachmittag des dritten Tages wieder in Bangkok einläuft, sind auf dem teakhölzernen Bootsdeck Tee und eine bunte Vielfalt an Kuchenköstlichkeiten angerichtet. Thailands höchstes religiöses Bauwerk, der Wat Arun, zieht an der Reisbarke vorbei. Seine mit Tausenden von Mosaiksteinchen besetzten Chedis glitzern in der Sonne. Bald kommen Bangkoks Wolkenkratzer in Sicht, es wird trubelig auf dem Wasser. Der Zauber der vergangenen Tage – perdu.

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