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Reise: Gib dich als Hochstapler und Ekelpaket

Reiseratschläge von Kurt Tucholsky: Kluge und vergnügliche Feuilletons auf einer neuen Hör-CD

Vor achtzig Jahren gab Kurt Tucholsky einige gut gemeinte und, Achtung! ironisch formulierte Ratschläge über „Die Kunst, falsch zu reisen“. Dieses Feuilleton und neun weitere sind nun in einem Hörbuch zum Klingen gebracht worden.

„Wenn du reisen willst, verlange von der Gegend, in die du reist, alles“, begann Tucholsky sein melancholisch witziges Feuilleton im Sommer 1929 und zählte dann auf: „schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge – also: vorn die Ostsee und hinten die Leipziger Straße. Ist das nicht vorhanden, dann schimpfe.“

Rücksicht auf den Mitreisenden zu nehmen, wäre völlig verkehrt, fachsimpelte Tucholsky, es würde lediglich als Schwäche ausgelegt werden. Gib dich lieber als Hochstapler und Ekelpaket zu erkennen, und du wirst schon sehn, was du davon hast. Erst gegen Ende seines Feuilletons sagte Tucholsky dann, wie er es wirklich meinte, wie er sich richtiges Reisen vorstellte. „Entwirf deinen Reiseplan im großen“ schlug er vor, „und laß dich im einzelnen von der bunten Stunde treiben“.

Die größte Sehenswürdigkeit sei: die Welt. Die habe man sich zu betrachten, ganz in Ruhe, gelassen, selig mit der Seele baumelnd. „Freu dich, daß du am Leben bist, sieh dir die Hühner an und die ernsthaften Ziegen, und mach einen kleinen Schwatz mit dem Mann im Zigarrenladen. Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin, und sie wird sich dir geben.“

So kann man sich mit Tucholsky nach Paris begeben und in den Odenwald, an den Bodensee und die Ostsee und nach Schweden. Das ist meist sehr vergnüglich und erkenntnisreich zugleich. Doch das Vergnügen ist in diesem Hörbuch leider getrübt: Der Rezitator Lutz Schäfer liest immer eine Idee zu hurtig, zu angestrengt, zu laut, einfach zu sehr auf Trommel gestimmt. Er vertraut nicht den leisen Pointen und der feinen Ironie – er haut lieber auf die Pauke und betont, dass es nur so kracht. Schade. Hätte er doch mal (genauer) auf Tucholsky gehört.

Der beklagte sich über den Hochmut der Nachgeborenen und ihre mangelnde Sensibilität. Spätestens mit dem Feuilleton von 1926, „Das Zeitdorf“, als viertes Stück auf dieser CD zu hören, hätte die Selbsterkenntnis des Rezitators beginnen können: „Töne, Unsterblichkeit! Blase, Nachruhm, aus vollen Backen auf der Posaune des Ruhms! Du rührst die Zeitgenossen nicht. Denn sie haben eines voraus, etwas, das unschlagbar ist: sie sind dran. Es ist ihre Stunde, ihr Tag, ihre Zeit. Und dagegen kommst du nicht an.“

Stefan Berkholz

„Mit Tucholsky auf Reisen. Impressionen von unterwegs“. Gelesen von Lutz Schäfer. Langen Müller / Hörbuch, München 2009. 1 CD, circa 66 Minuten, 12,95 Euro.

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