zum Hauptinhalt
Wertvoll. Das Öl der Frucht gilt auch als Anti-Aging-Mittel. Foto: picture-alliance

© picture alliance / Arco Images G

Reise: Harte Nuss aus Marrakesch

Geschenk Allahs: Das Öl des Arganbaumes.

Auf dem Djemaa el Fna, dem berühmtesten Platz von Marrakesch, herrscht wie immer Trubel. Gaukler gaukeln, Trommler trommeln, Äffchen turnen auf Holzkisten. Und von Weitem ruft der Muezzin. Rauchwolken ziehen in den wolkenlosen Himmel. Es riecht nach Kräutern, Gewürzen und Frischgebratenem. Der Dunst der Garküchen kommt aus der Medina. Einheimische und Touristen feilschen vor den Läden, wo Pulver von Koriander, Ingwer und Kreuzkümmel bunte Hügel oder Türme bilden.

Vor einem Regal mit übereinandergestapelten Dosen und Flaschen sitzt eine Frau auf einem Holzschemel und hält in den Händen einen ovalen Stein. In mühsamer Arbeit schlägt sie die Nüsse der Arganfrucht zwischen zwei Steinen auf und holt eine weißgelbe Mandel, etwa so groß wie ein Sonnenblumenkern, heraus. „Ein Geschenk Allahs“, sagt sie und hält die Frucht hoch. Der Inhaber des kleinen Ladens fordert die Besucher auf, es doch einmal selbst zu probieren. Ein Schlag, die Nuss bleibt heil. Ein zweiter Schlag, die Nuss rollt weg. Ein dritter Schlag, die Nussschale fliegt durch die Luft, der Mandelkern ist jedoch fein zerbröselt.

Dass sich die Berberfrauen geschickter anstellen als jeder Tourist, ist nicht erstaunlich. Seit vielen Generationen pressen sie das sogenannte marokkanische Gold, das aus den Samen des dornigen Arganbaumes gewonnen wird. In den Souks gibt es Geld von den Touristen, und in den Kooperativen werden die Frauen am Gewinn beteiligt. Geerntet werden die Früchte im Süden Marokkos. Seit Jahrtausenden hat sich an der mühsamen Handarbeit nichts geändert, auch nicht für die Frauen, die die Früchte in der Heimat des Wüstenbaumes mit der Hand auflesen.

Oder für die, die in der Ölkooperative in Tahanout im Ourika-Tal unweit von Marrakesch arbeiten. Täglich halten in dem Dorf Touristenbusse. Eine junge Frau, die Haare streng nach hinten gekämmt, wartet am Eingang und führt durch die Räume. Es riecht nach Mandeln. Frauen sitzen auf ausgebreiteten Teppichen, klopfen Nüsse auseinander, kneten dicken Nussbrei zu flachen Kreisen. Fatma dreht an einem kleinen Mühlrad, bis aus der Öffnung eine braune Masse heraussickert. Ihre Nachbarin knetet die Paste mit lauwarmem Wasser so lange, bis sich das Öl herauslöst. Die 30-Jährige finanziert den Haushalt der Familie, bezahlt Schulgeld und Kleidung der Kinder. Auch ihre persönlichen Einkäufe für Kleidung, Kosmetik oder den Hamam-Besuch bestreitet sie aus eigener Tasche.

Vormittags produzieren die Frauen das handgepresste Öl. An manchen Nachmittagen drücken sie die Schulbank, um Lesen und Schreiben zu lernen. All das funktioniert deshalb, weil die Frauen sich einer Kooperative angeschlossen haben und so ihr handgepresstes Arganöl zu einem guten Preis verkaufen. Seitdem auch die Kosmetikindustrie die Vorzüge des Öls entdeckt hat, hat nicht nur Fatma Arbeit, sondern weitere 30 Frauen aus dem Dorf.

Die Mühe lohnt sich. Denn Arganöl hat viele ausgesprochen gute Eigenschaften. Wegen eines hohen Anteils von Vitamin E gilt es als Fänger freier Radikale, es enthält außerdem wesentliche essenzielle Fettsäuren. Daneben wird ihm eine zellstimulierende Wirkung nachgesagt. Arganöl gilt daher auch als natürliches Anti-Aging-Mittel. Kaum ein Luxushotel in Marokko, das in seinen Wellnessoasen nicht mit einer wohltuenden Arganöl-Massage wirbt. Gourmetköche verfeinern damit Couscous, Fisch und Salate. Heidrun Lange, dpa

Heidrun Lange[dpa]

Zur Startseite