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Reise: Höhenflug mit Wedel-Tapas

Wer Ski fährt, soll gut essen. Immer mehr Hütten in Österreich servieren kulinarische Genüsse. Vorsicht, es gibt auch Wein dazu

Noch ist der Winter nicht vorbei, jetzt schlägt jetzt die Stunde der Genuss-Skifahrer. Doch sie kommen nicht allein wegen anhaltenden Sonnenscheins in die Alpen. Längst hat nämlich die exquisite Küche mit erlesenen Weinen auch die österreichischen Skihütten erreicht. Während die Wirte im Gebiet Ski Amadé und der Steiermark relativ bodenständig bleiben, heben einige Tiroler hingegen zu ambitionierten kulinarischen Höhenflügen ab.

Der Welschriesling-Sekt ist eingeschenkt. Aber wo bleibt das Amuse- Gueule? Wie frisch es zubereitet wird, davon sollen wir uns selbst in der Küche der Holzhackerstube überzeugen. So scharen wir uns um den Tisch, an dem Peter Pichler mit Töpfen, Pfannen und scharfen Messern hantiert. Erst schneidet er ein Stück gekochtes Rindfleisch in mundgerechte Scheiben, dann verteilt er Zwiebelwürfel und geraspelte Möhren darüber. „Und jetzt würze ich das Ganze mit steirischem Parmesan“, sagt er schmunzelnd, während er eine dicke Meerrettichknolle über die Reibe gleiten lässt und die weißen Fäden auf dem Fleisch verteilt. Zuletzt begießt er es großzügig mit tiefgrünem Kernöl. Kaum ist alles auf ein paar Scheiben Brot geschichtet, verschwindet es auch schon in unseren Mündern.

Und so geht es auch mit den nächsten Häppchen: Die in Öl und Rosmarin gebratene Entenleber, das Kalbsbries, das leicht paniert in der Pfanne gegart wird – sie kommen gar nicht erst auf den Tisch, weil sie – trotz unserer Vorbehalte gegen Innereien – schneller verzehrt als serviert sind. Erst zur Maronen-Zimtsuppe nehmen wir in der gemütlichen Wirtsstube Platz und lassen uns Peter Pichlers Kreationen mit der entsprechenden Weinbegleitung schmecken. Der Küchenchef hat schon bei Paul Bocuse und Eckhard Witzigmann am Herd gestanden. Doch ist er erstaunlich bescheiden geblieben.

Nur sieben Tische hat das urige Restaurant seines Gasthauses auf gut 1000 Meter Höhe. Auf der täglich wechselnden Speisekarte stehen Kalbpflanzerl, Käsekrainer, Rösti oder Suppentopf mit Leberknödel. Eben das, was man gern isst, wenn man auf den Pisten der Schladminger Planai unterwegs ist.

Eine solide Küche mit regionalen Produkten und zu fairen Preisen – das ist das Credo der „Genussspechte“, einem Verbund von 13 Skihütten im Gebiet Schladming-Dachstein, zu dem auch die Holzhackerstube gehört. Sie bieten jeweils ein typisches Gericht wie steirischen Mostbraten mit Krautstrudel oder Backhendl mit Vogerlsalat zum Festpreis von 8,90 Euro an. Nichts Hochgestochenes, aber Qualität. „Viel zu lange hat das Image des ewigen Bergmenüs – Grillwürstl mit Pommes in der Selbstbedienung die Unkultur der Hütten geprägt“, sagt Hermann Gruber, Geschäftsführer der Schladming-Dachstein Tourismusmarketing GmbH, und freut sich, dass sich inzwischen auch in Sachen Weinkultur einiges getan hat. Dass Winzer die Hütten besuchen, ist in der Steiermark, der Heimat des Schilchers, nichts Neues. Aber seit dem vergangenen Winter nehmen sich auch die Gastgeber im Gebiet von Ski Amadé des Themas an.

Von der Salzburger Sportwelt über Gastein und Hochkönig bis Großarl haben sich 14 ambitionierte Hüttenwirte zusammengefunden, die ihren Gästen jeweils drei offene Rot- und Weißweine sowie ein breites Sortiment an österreichischen Flaschenweinen offerieren. Damit nichts dem Zufall überlassen bleibt, steht den Gästen ein geschulter Sommelier zur Seite. Wie zum Beispiel in der Schafalm, einer liebevoll eingerichteten Hütte nahe der Bergstation der Planai, wo sogar lebendige Schafe im gläsernen Stall überwintern.

Wenn es nur eine kleine Stärkung sein soll, tut es auch die Pizza aus dem Holzofen. Doch daneben kann man sich mehrgängige Menüs mit passenden Weinen schmecken lassen. Zur gebackenen Blutwurst an Vogerlsalat bekommen wir einen 2009er Kremstal DAC Riesling Reserve, zum Wurzelfleisch einen burgenländischen Chardonnay Vinum Saxum, zur Variation vom steirischen Apfel wiederum niederösterreichischen Eiswein vom Weingut Studeny. Sie passen vorzüglich. Dafür garantiert der Salzburger Sommelierverband, der die Weingenuss-Skihütten eigens zertifiziert hat.

Eine „typisch österreichische Symbiose zur Genussmaximierung“, nennt Ski-Amadé-Geschäftsführer Christoph Eisinger die Initiative und ist überzeugt, dass sich „größtes Skivergnügen nun auch mit herrlichem Weingenuss kombinieren lässt“. Der einzige Nachteil: Wer den edlen Tropfen und vielleicht noch einem Verdauungs-Kriecherl zugesprochen hat, dürfte Mühe haben, die Piste einigermaßen sicher hinunterzukommen. Jedenfalls sind wir froh, dass wir nach dem alkohollastigen Mahl ins Taxi mit Allradantrieb steigen können.

Ob es anderen gelingt, beim Weingenuss Maß zu halten? Oder muss man sich vermehrt auf Freizeitsportler einstellen, die allzu beschwingt in die Kurve gehen und unter Umständen andere in Gefahr bringen? Wie soll es erst werden, wenn jetzt die Ski- und Weingenießer kommen, um die Tropfen der Top- Winzer zu probieren?

Wenn in Ski Amadé der Alkohol zum Problem werden kann, übertreiben es einige Hüttenwirte in Tirol, wo schon immer alles größer und exklusiver sein musste, mit dem Essen. Braucht man tatsächlich Austern, wenn man zwischen dem Carven eine Pause einlegt? Oder sechsgängige Diners von Sterneköchen? Während auf den Pisten von Ski Amadé und der Steiermark die einzigen Hauben über den Sesselliften zu finden sind, die Skifahrer vor Wind und Kälte schützen, sitzt Österreichs höchstgelegene Gault-Millau-Haube auf dem 2500 Meter hohen Cimaross-Gipfel in Osttirol. Die Adlerlounge ist sozusagen das kulinarische i-Tüpfelchen der vor einigen Jahren neu geschaffenen Skischaukel Kals/Matrei. Vis-à-vis vom Großglockner lädt Küchenchef Walter Hartweger im coolen – mancher würde auch sagen unterkühlten – Alpenwohnzimmer zum „Walk of Taste“ mit thailändischer Hühner-Kokos-Suppe, Pasta mit Melanzane-Salsa oder Osttiroler Wabenhonig-Muffins. Jede Menge Lifestyle gehört auch in der mehrmals als beste Skihütte prämierten Kristallhütte am Öfelerjoch im Hochzillertal dazu, wo anstelle von Backhendl „Wedel-Tapas“ als neue Ess-Klasse definiert werden.

Dabei können die Schmankerl auf rund 2150 Meter Höhe auch schon mal zum opulenten Galadiner ausarten. Hier geht es nicht nur darum, den Hunger der Skifahrer mit exquisiten Häppchen zu stillen. Mindestens ebenso wichtig ist das Sehen und Gesehenwerden.

Mit etwas Glück kann man sich auf dem Sonnendeck, wo beheizte Wasserbetten, Deckchairs und ein Whirlpool zum Ausruhen animieren, mit Panik-Rocker Udo Lindenberg ablichten lassen. Oder mit Olympiasieger Stephan Eberharter, der im Skigebiet als Werbebotschafter unter Vertrag steht. Auch in der Lounge, wo DJs den passenden Soundtrack zur Schneelandschaft kreieren, können wir schnell feststellen, dass die Promidichte hier wesentlich höher ist als in der Holzhackerstube.

Das gilt erst recht für die benachbarte Wedelhütte auf 2350 Metern zwischen Wimbachkopf und Marchkopf, die sich als weltweit einzige Hütte mit Fünf-Sterne-Luxus hervortut. In der Premium-Wedler-Lounge wird der exklusiv für die Hütte gekelterte Cuvée „WW 2010“ ausgeschenkt, außerdem bringen wöchentliche Wein- oder Champagnerverkostungen den Gästen die „vinophile Vielfalt“ – natürlich über den österreichischen Flaschenhals hinaus – nahe.

Ob das sein muss, muss jeder selber entscheiden. Mehr überzeugt hat uns auf jeden Fall die Hohe-Mut-Alm im Ötztal, eine gelungene Gratwanderung zwischen Lifestyle und Bodenständigkeit. Die 2670 Meter hoch gelegene Hütte bewegt sich mit ihrem gut sortierten Weinkeller gastronomisch auf durchaus hohem Niveau, lässt es auch in Sachen zeitgemäßer Behaglichkeit an nichts fehlen, serviert aber nichts Überkandideltes.

Auf der Speisekarte stehen Tiroler Gröstl, Beef Tartare vom Biorind, Spinatknödel – und „Ziachkiachl“: Hinter dem Zungenbrecher verbirgt sich ein herrlich luftiger Krapfen, der je nach Geschmack mit Sauerkraut oder Preiselbeeren gefüllt wird. Danach kann man garantiert noch problemlos die Pisten nach Obergurgl hinunterschwingen. Aber vorher hüllen wir uns erst mal in die warmen Lammfelle auf der Terrasse und lassen den Blick über eine Reihe von Dreitausendern schweifen.

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