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Sonne macht fröhlich. Passend zur Stimmung werden die typischen Holzhäuser bunt angestrichen und manchmal noch mit Fischen verziert. Foto: Gustavo Amador/picture-alliance

© picture alliance / dpa

Honduras: Luftschiff im Wasser

Furchterregend gleitet der Walhai durchs Meer. Und ist ganz harmlos. Auf der Insel Utila kann man mit ihm tauchen.

Schwebt er oder schwimmt er? So groß und ruhig wie er durchs Wasser gleitet, mutet der Walhai wie ein Luftschiff an. Nur ab und zu schwingt er sich kaum sichtbar seitwärts voran. Seinen massigen Körper bedecken Bambiflecken, und sein Maul ist leicht geöffnet. Ganz so, als wollte er freundlich signalisieren: Ich tue niemandem etwas, ich fresse nur Plankton und kleine Fische – obwohl ich Flossen wie ein Hai habe.

„Manchmal sehen sie uns an, als ob sie mit uns kommunizieren wollen“, erzählt Jessica Engel von der Utila Lodge auf der Insel Utila. Das seien dann die großen magischen Momente beim Walhaitauchen. In diese Kunst wies sie noch ihr Vater Jim ein. Dem vor ein paar Jahren verstorbenen US-Amerikaner hat Utila, die drittgrößte der Bay Islands in Honduras, viel zu verdanken. Nicht nur, dass er ihr Tauchangebot professionalisierte und die erste Druckkammer anschaffte. Er machte das im ganzen Land als billige „Backpacker“-Insel belächelte Eiland zu einem nicht unbedeutenden Zentrum der Walhaiforschung – dem einzigen in der Karibik. Denn in den inselnahen Gewässern sind die bis zu zwölf Metern langen und 20 Tonnen schweren Riesen besonders häufig zu sichten, vor allem von Februar bis April und August bis September. Der größte, der hier je beobachtet wurde, heißt bei den Inselfischern „Old Tom“. Und wenn sie vom ihm erzählen, übersteigt er glatt das Vorstellbare an Maßen.

Das „Whale Shark & Oceanic Research Center“ (WSORC) befindet sich direkt vor der Utila Lodge an der einzigen Hauptstraße von East Harbour, dem Inselort. Er versetzt zurück in die Zeiten des einfachen Reisens und improvisierter fantasievoller Behausungen: mit Restaurants in bunten Bretterbuden, Pensionen in pastellfarbenen Gingerbread-Häusern mit Blumentöpfen auf den Veranden, Palmen und blühenden Hibiskussträucher in den Vorgärten, Bars zwischen Tauchschulen und Krämerläden mit herausquellenden Getränkekästen, Obst- und Bananenkisten.

East Harbour ist der einzige Ort der nur elf Kilometer langen und vier Kilometer breiten Insel. Gerahmt von weißen Stränden, biegt er sich um eine schöne natürliche Hafenbucht. Fast alle 2500 Insulaner, ein buntes Völkergemisch aus Paya-Indianern, Garifunas, Spaniern und Engländern mit einer gehörigen Portion Piratenblut, leben hier. Den Rest der Insel bedecken überwiegend Mangroven.

An der Fassade des WSORC prangt ein aufgemalter Walhai. Drinnen stapeln sich die kostenlosen Informationsbroschüren und sitzt Helder Pérez, ein junger Meeresbiologe aus der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa, an einem Schreibtisch. Mit freundlich-offenem Latinolächeln nimmt er Buchungen für Tauchgänge entgegen und erläutert in fließendem Englisch die Walhai-Identifizierungsmethode: Da bei Walhaien die Flecken an den Vorderflossen niemals gleich angeordnet sind, können sie, beziehungsweise ihre jeweils individuelle Anordnung, zur Identifizierung des Walhais genutzt werden.

Freiwillige helfen dem WSORC, indem sie während der Unterwasserbegegnungen mit dem Giganten die Flecken für die Photo-ID Library ECOCEAN fotografieren. Pérez erklärt auch, warum dieser größte Fisch der Welt selbst für Wissenschaftler immer noch voller Rätsel ist: „Niemand hat je eine Paarung oder eine Geburt dieser Einzelgänger gesehen“. Dann sieht er auf die Uhr, springt auf und sagt: „ Lust auf einen Spaziergang?“

Luxus passt nicht zu Utila, es sei denn, der Luxus der Tropen

Gigantischer Einzelgänger. Rhincodon typus ist der größte Hai und zugleich der gewaltigste Fisch der Erde. Mit seinem aufgerissenem Maul könnte er einen Kleinwagen verschlucken.
Gigantischer Einzelgänger. Rhincodon typus ist der größte Hai und zugleich der gewaltigste Fisch der Erde. Mit seinem aufgerissenem Maul könnte er einen Kleinwagen verschlucken.

© picture-alliance

Steil geht es hinauf auf den Stewart Hill und dann links in die Iguana Road. Hier öffnet Helder Pérez mit triumphierendem Gesichtsausdruck ein Tor mit dem unscheinbaren Schild „Iguana Station“: „Hier wird mit einer deutschen Gesellschaft gearbeitet!“, sagt er. Drinnen begrüßt er die junge Biologin Andrea Martinez herzlich wie ein Familienmitglied. Im Hintergrund werkeln zwei Männer an hohen Käfigen. „Freiwillige Helfer“, erklärt Andrea, „sie qualifizieren sich hier für ihr Biologiestudium – auch Deutsche kommen immer wieder.“

In der Station dreht sich alles um eine nur in den Mangrovensümpfen Utilas heimische Leguanart: den Ctebosaura bakeri oder Utila-Leguan. Bei den Einheimischen Wishiwilli genannt, gehörte er so lange zu ihren Leibspeisen, bis er als verschollen galt. Doch 1994 fand der Deutsche Gunther Köhler, damals Doktorand der Universität Frankfurt am Main,in den Mangroven ein Männchen. Noch im gleichen Jahr konnte er die Regierung von Honduras dazu bewegen, den Leguan unter Naturschutz zu stellen. Und begann ein paar Jahre später mit Unterstützung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt mit der Nachzucht.

Mit beachtlichem Erfolg. Die fingerlangen Jungleguane sind voller Energie. Wer es bei der Fütterung nicht gleich bis zum Trog schafft, verbeißt sich kurzerhand in seinen Nachbarn. Nur mit Mühe gelingt es Andrea, die wilden Jungen zu trennen. Die Nachzucht klappt so gut, dass sich zu viele Tiere einen Käfig teilen müssen, bevor die Auswilderung ansteht. Dabei geht ohne die freiwilligen Helfer fast nichts. Sie machen sich bei der Tierpflege und Forschung nützlich, bei der Gartenpflege, allen möglichen Reparaturen, sogar bei der Werbung. „Selbst Lehrer können wir brauchen“, sagt Andrea, „für die Umwelterziehung an Utilas Schulen.“

Geschenkt wird den Helfern nichts. Die Reise muss selbst bezahlt werden, eine Unterkunft gibt es in der Station. Bei einer Aufenthaltsdauer von vier bis zwölf Wochen kostet sie die Woche 55 Euro, wer länger bleibt, zahlt etwas weniger. Viel Komfort darf dafür nicht erwartet werden.

Aber Luxus passt ohnehin nicht zu Utila, es sei denn, der Luxus der Tropen wie reichlich Sonne, blühende (Unterwasser-)Gärten und familiäres Flair. Davon gibt es auf Utila reichlich. Und wer seine Ruhe will, setzt mit dem Wassertaxi über zu einer der vorgelagerten Palmeninseln, zum Beispiel nach Water Cay. Es sollte nur nicht gerade das erste Wochenende im August sein. Denn dann findet dort das Sun Jam statt, das größte Techno-Musikfestival der Karibik.

Gesine Froese

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