zum Hauptinhalt
Einige Fischer fahren noch jeden Morgen von Ummanz auf die Ostsee.

© Stefan Sauer, dpa

Insel Ummanz: Immer mit der Ruhe

Ummanz, Rügens kleine Schwester, entschleunigt.

Norbert Briesemeister kennt jeder auf der Insel. Bei gerade 274 Einwohnern ist das kein Kunststück. Doch der 73-Jährige ist so etwas wie ein Inselunikum. Mit seinem grauen Rauschebart und fülligem Bauch wirkt er wie eine Mischung aus Hochseekapitän, Wildecker Herzbub und Weihnachtsmann. Seit 1970 ist er auf Ummanz – zunächst auf dem Volkseigenen Gut (VEG), später im privatwirtschaftlichen Betrieb, den er 2002 übernahm. 7500 Rinder gab es hier einst, doch Briesemeister hatten es stets die Haflinger angetan. Er begann, sie zu züchten. Heute stehen in seinem Stall noch 20 Pferde. Sie sind eine der Hauptattraktionen auf Ummanz.

Ummanz? Kaum jemand kennt dieses Eiland im Westen von Rügen. Dabei ist es mit rund 4200 Hektar die fünftgrößte deutsche Ostseeinsel, doch angesichts der Einwohnerzahl eines der am dünnsten besiedelten Gebiete der Bundesrepublik. Seit 1901 verbindet eine kleine Brücke Rügen und Ummanz. Doch selten verirren sich Touristen hierher. Wer hierher- kommt, tut dies nicht wegen des Freizeitangebots, sondern vor allem wegen der Natur und der Ruhe.

Da sind die Haflinger von Norbert Briesemeister eine willkommene Abwechslung. Das war schon immer so: „Am Anfang dienten die Pferde den Kindern der rund 300 Arbeiter auf dem Gut als Freizeitbeschäftigung“, erinnert sich Briesemeister. Heute veranstaltet er Kutschfahrten über die Insel, Schnupperreitstunden sind zu buchen. Doch allein damit käme er schon lange nicht mehr über die Runden. Seitdem Jürgen Henne vor ein paar Jahren mit in den Betrieb eingestiegen ist, setzen beide verstärkt auf Stutenmilch, die sie bundesweit vermarkten.

Die Bewohner der Insel versorgt schon seit Urzeiten ein kleiner Laden, der ehemalige Konsum. Der zweite Laden im Hauptort Waase verkauft keine Lebensmittel, sondern Keramik. Inhaberin ist Susan Schmorell. 1991 ist sie auf die Insel gekommen, auf der Suche nach einem passenden Haus für ihre Töpferwerkstatt – ein leer stehendes Gebäude des VEG tat es ihr an. „Ruhig und beschaulich geht es hier zu“, erzählt sie und blickt hinaus in den Garten. Nur wenige Meter dahinter schimmert die Ostsee im Morgennebel. „Früher haben mich Touristen gefragt, ob ich hier auch im Winter lebe.“ Dabei sei es auf Ummanz in der kalten Jahreszeit doch eigentlich am schönsten. „Da kann man die Akkus vom Sommer wieder auftanken.“

Leben auf die Insel bringt ein Surfhostel und eine Surfschule. „An der Westseite gibt es ein hervorragendes Surfrevier“, erzählt Schmorell. In einer angegliederten Kulturscheune finden Veranstaltungen statt, zu denen auch Gäste des benachbarten Campingplatzes kommen. Auch die Kirche im winzigen Ort Waase lohnt einen Abstecher. Auf sie sind die Ummanzer neben den denkmalgeschützten Fischerhäusern im Ortsteil Freesenort besonders stolz – vor allem auf ihren Altar. Gekauft hatte ihn einst die Stadt Stralsund in Antwerpen, doch irgendwann verlor sie das Interesse daran und vermachte ihn den Ummanzern. Der Altar zeigt unter anderem in kunstvollen Schnitzereien das Leben von Thomas Beckett, einem Erzbischof von Canterbury, der heilig gesprochen wurde.

Offenbar bereuen die Stralsunder heute ihre Schenkung. Sogar einen Prozess haben sie schon angestrengt – vergeblich. Der Altar bleibt auf Ummanz. So sind sie eben, die Ummanzer. Stolz auf ihre Besonderheiten und knallhart, wenn es sein muss – vor allem aber ohne jede Hektik. „Die Leute hier sind ein eigener Schlag“, sagt Schmorell, „immer mit der Ruhe, nichts überstürzen.“

Zur Startseite