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Interview: „Zu zweit wird man träge“

Warum Extremkletterer Thomas Bubendorfer am liebsten allein in der Steilwand ist. Er hat bereits mehrere Bücher über seine Abenteuer geschrieben

Herr Bubendorfer, wofür trainieren Sie gerade?

Ich wollte im April in Ost-Tibet auf unbestiegene Sechstausender, das hat sich jetzt erledigt. Nun fahre ich entweder nach Tadschikistan oder nach Patagonien. In Tadschikistan gibt es diesen Sechstausender, der früher Pik Kommunismus hieß, jetzt hat er einen unaussprechbaren einheimischen Namen. Der Berg hat eine interessante Wand, 3000 Meter hoch.

Sie müssen für Ihre Abenteuer viel trainieren. Was treibt Sie an?

Ich werde oft gefragt, ob diese Schinderei des Trainings nicht furchtbar sei. Aber auch das Training ist Sinn und Zweck und Ziel für sich. Ich mache drei Einheiten am Tag.

Was war heute dran?

Ergometer und Klimmzüge: Je zehn mit zehn Kilo Zusatzgewicht, das Ganze zwölf Mal. Die Klimmzüge mache ich an Eispickeln, die ich in Holzleisten haue. Danach gehe ich an eine Griffleiste mit Zwei- und Drei-Finger-Löchern, für Kraft in den Unterarmen.

Ihre spektakulärsten Unternehmungen sind sogenannte free-solo-Begehungen, ohne Sicherung. Selbstmord, sagen Kritiker, die Königsdisziplin, sagen andere. Warum machen Sie das?

Weil ich darin am besten bin: Alleine und ohne Sicherung kann ich mein Potential am besten ausschöpfen. Zu zweit wird es gemütlicher, da wird man träge. Bei extremen Herausforderungen bin ich irrsinnig konzentriert. Das Schwierige ist am einfachsten, weil es am besten fordert.

Wenn Sie allein ohne Seil klettern, gehen Sie da an Ihr Limit?

Niemals! Da darf man nicht an seine Grenzen gehen, an der Grenze hört die Kontrolle auf. Solo musst du alles im Griff haben, im Wortsinn.

Schon mit 14 Jahren sind Sie allein Berge hinaufgestiegen. Gab’s keine Freunde?

Es war tatsächlich nicht leicht, Kletterpartner für das zu finden, was ich als Jugendlicher gemacht habe.

1988 machten Sie Ihre viel beachtete Dolomiten-Tour: fünf spektakuläre Wände an einem Tag, 3000 Höhenmeter in seilfreiem Alleingang – und mit Hubschraubertransport vom Gipfel zum nächsten Wandfuß. Ökologisch nicht gerade korrekt. Tut Ihnen das jetzt leid?

Ich fliege im Sommer nach Patagonien, wenn ich jetzt sage: So eine Aktion mit Helikopter finde ich unverantwortlich – das wäre nicht glaubwürdig. Bei dieser Klimadebatte sitzt doch jeder im Glashaus.

In Ihrem Buch „Senkrecht gegen die Zeit“ haben Sie Philosophie mit Sport verbunden. Ihr neues Werk „Ausgangspunkt Jetzt“ lehnt sich an Manager-Motivations-Vorträge an. Was soll das bringen?

Das Wirtschaftsumfeld, in dem ich mich bewege, beeinflusst natürlich mein Denken. Diese Hochleistungs-Welt. In den Medien geht es nur darum, wieviel diese Leute verdienen – aber niemand würde mit so einem Leben tauschen wollen.

In Ihren Vorträgen geht es um Ausdauer, Disziplin, Durchhaltevermögen. Gibt es nichts Wichtigeres im Leben?

Im Leben wohl schon, aber in der Arbeit? Der Sinn – der ist wichtig. Daraus ergibt sich alles andere, Ausdauer, Disziplin, und so weiter.

Was ist mit der Freude?

Ohne Sinn keine Freude. Das ist die Basis. Daraus entsteht der wahre Mut. Auf den Berg steigen – das ist meine Freude. Ich wollte nicht Rennfahrer werden oder Tennisspieler. Mein Großvater hatte ein Tennishotel, der hat gesagt: Geh, was willst denn mit der Bergsteigerei, mit Tennis kannst reich werden. Das hat mich schon als Bub nicht interessiert.

Gibt es das eine große Ziel, den einen Berg, von dem Sie träumen?

Nein! Hauptsache, ich steige irgendwo hinauf. Der eine Berg war eher ein Ding der vorigen Generation. Messner musste auf alle Achttausender, und um das zu schaffen, ist er den Normalweg hinaufgelatscht. Und hat sich dabei selbst verraten. Müssen tu ich gar nix. Aber meine Frau sagt manchmal, du müsstest mal deinen eigenen Vorträgen zuhören.

Wie meint sie das?

Na, wenn ich den Leuten sage, man dürfe sich nicht antreiben lassen von Zwängen. Aber wenn ich nach Vorträgen heimkomme, sage ich, ich muss jetzt noch trainieren, muss dies, muss das. Und dann werde ich grantig und zerre mir eine Sehne. Das ist eine Folge vom Müssen.

Das Gespräch führte Barbara Schaefer

Thomas Bubendorfer: Ausgangspunkt jetzt, Terra Magica, September 2007, 142 Seiten, 105 Abbildungen, 39,90 Euro.

Thomas Bubendorfer, 45 Jahre, ist Extremkletterer. Der gebürtige Salzburger hat diverse Bücher über seine Abenteuer geschrieben. Darin geht es auch um Leistung, Mut und Disziplin.

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