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Schlaf - mit Jetlag kann er zum Problem werden.

© Reuters

Jetlag-Experte: "Mehr Licht"

Der niederländische Schlafforscher Eus van Someren hält Seminare für Jetlag-Geschädigte ab. Im Interview verrät er seine Tipps und Tricks.

Herr van Someren, Sie sind Schlafexperte am Niederländischen Institut für Neurowissenschaften und bieten neuerdings in Hotels Seminare für Jetlag-Opfer an. Was erzählen Sie denen?

Erst einmal die Grundlagen. Viele Menschen wissen nicht einmal, dass es so etwas wie eine innere Uhr gibt. Die nehmen ihre Abgeschlagenheit nach einem Langstreckenflug wie ein Naturereignis hin. Dabei kann man viel tun, um sich wenigstens halbwegs fit zu fühlen.

Was denn? Es heißt doch immer, man soll sich einfach nach der Zeit vor Ort richten und der Versuchung widerstehen, am helllichten Tag schon zu schlafen.

Das kann man so pauschal nicht sagen. Ich rate zum Mittelweg. Wenn Sie von München nach New York fliegen, müssen Sie eine Zeitverschiebung von sechs Stunden aufholen. Nehmen wir mal an, Sie kommen um 19 Uhr an, doch eigentlich ist es für Sie ein Uhr nachts. Sind Sie es gewohnt, sich um Mitternacht hinzulegen, sollten Sie in diesem Fall um 21 oder 22 Uhr ins Bett.

Und wenn ich so lange nicht durchhalte?

Dann gehen Sie ins Freie. Lassen Sie das Sonnenlicht auf sich wirken, dann stellt sich die innere Uhr am ehesten auf die Gegebenheiten ein. Im düsteren Hotelzimmer kann der Körper irgendwann gar nicht mehr unterscheiden, ob es Tag oder Nacht ist.

Was ist im Herbst und im Winter, wenn es früh dunkel wird?

Das ist ein Problem, ja. Wenn Schmuddelwetter herrscht, lässt sich das notwendige Licht kaum auf natürliche Weise tanken. Das Hotel Okura hier in Amsterdam, das mich für ein Seminar Mitte Oktober eingeladen hat, verfügt über einige bewegliche Lichttherapielampen für Gäste, die über mehrere Zeitzonen geflogen sind – ähnlich wie sie Menschen nördlich des Polarkreises im langen Winter verwenden, um nicht depressiv zu werden. Die Geräte erzeugen künstliches Tageslicht und können sehr hilfreich für Geschäftsleute sein, die schnell fit für ein Meeting werden müssen.

Was genau macht man mit diesen Lampen?

Wer arbeiten muss, kann sich die Lampe auf den Schreibtisch stellen. Man kann sie aber auch mit in den Fitnessraum des Hotels nehmen und neben das Laufband stellen.

Was erwartet die Seminarteilnehmer noch?

Ich habe gehört, das Hotel serviert ihnen spezielle Jetlag-Mahlzeiten. Das Frühstück besteht zum Beispiel aus Brot mit Räucherlachs, gekochtem Huhn und viel Käse. Es ist also deutlich proteinreicher, als es die meisten Menschen sonst gewohnt sind, doch für Übernächtigte genau das Richtige. Mittags gibt es dafür leichte Pasta.

Warum schlafen wir?

Alles rund um den Schlaf finden Sie auf unserer Themenseite© Eric Thayer/Reuters

Alles rund um den Schlaf finden Sie auf unserer Themenseite

Viele Menschen nehmen Schlaftabletten vor langen Flügen. Ist das eine gute Idee?

Nein. Die fühlen sich nach dem Aufwachen gerädert und haben gar nichts gewonnen. Auf die innere Uhr haben Schlaftabletten keinen Einfluss. Man kann es stattdessen mit Melatonin-Pillen versuchen. Melatonin ist ein Hormon, das unser Körper nachts produziert. Es reguliert die innere Uhr. Nur darf man das nicht wie Aspirin einwerfen, wenn einem gerade danach ist. In den USA können Sie Melatonin im Supermarkt kaufen. In Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern ist es ein verschreibungspflichtiges Medikament. Zu Recht.

Können Sie jedem helfen, der seinen Jetlag loswerden will?

Bei Langstreckenflügen mit nur einem Tag Aufenthalt bleibt zu wenig Zeit, sich ganz zu erholen. Wenn man dann ein Meeting hat, muss man da eben durch. Vielleicht kann man vorher ein wenig Sport machen, das bringt den Körper in Schwung.

Und bei zwei Tagen? Haben Sie eine Faustregel, wie lange ein Jetlag dauert?

Wer sechs Zeitzonen überfliegt, braucht in der Regel vier bis fünf Tage, bis er auf natürlichem Weg vollständig regeneriert ist. Wobei die Probleme größer sind, wenn man von Westen nach Osten unterwegs ist. Das liegt daran, dass die meisten Menschen keine Morgenmenschen sind. Wenn jemand von der amerikanischen Ostküste nach Europa fliegt und dort um zwölf Uhr ein Treffen hat, dann sagt seine innere Uhr ihm: Es ist sechs Uhr früh. Und so fühlt er sich dann auch.

Gibt es auch einen Jetlag ohne Zeitverschiebung? Wer zum Beispiel von Amsterdam nach Johannesburg fliegt, verbringt ja auch zwölf Stunden in einer anstrengenden Umgebung mit künstlichem Tagesrhythmus.

Richtig. Aber das macht sich dann fast immer nur in einer bleiernen Müdigkeit bemerkbar, die verschwindet, wenn man schläft. Und das kann man ja problemlos, weil man in derselben Zeitzone bleibt.

Es gibt ja Menschen, die behaupten, dass sie einen Jetlag gar nicht kennen.

Ja, so etwas gibt es. Warum? Das ist ein Mysterium. Ich erforsche das Phänomen derzeit mit einer groß angelegten Testreihe.

Die Fragen stellte Anne Lemhöfer

Quelle: Zeit Online

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