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Nichts für Warmduscher. Immerhin – der Aufstieg in die Wanten ist den Passagieren der „Star Clipper“ unter Aufsicht erlaubt.

© promo

Karibiktörn: Dein Freund, der Wind

Auf der „Star Clipper“ in der Karibik begreifen Urlauber die wahren Werte.

Kapitän Sergey Tunikov hat vor seinem Steuerstand an Deck Position bezogen – 18 Grad, zwei Minuten 27 Sekunden nördlicher Breite und 63 Grad, sechs Minuten 32 Sekunden westlicher Länge. Gleich werden die beiden Hafenarbeiter die „Star Clipper“ im Hafen von Philipsburg auf der Karibikinsel St. Maarten von den Leinen lassen. Es ist gegen 22 Uhr, vor uns liegen die „Inseln Unter dem Winde“, hinter uns der Alltag. 45 Prozent Luftfeuchtigkeit, immer noch 25 Grad Celsius, dazu kräuselt leichter Wind die Nackenhaare. Der Kapitän läuft unruhig von Backbord nach Steuerbord und zurück. Schaut er nach dem Klabautermann? „Okay!“, ruft der Russe aus Kaliningrad schließlich. „Let go, let go! All men at station!“ Wir legen ab.

Die „Star Clipper“ ist 115,5 Meter lang und 15 Meter breit. 16 Segel bieten dem Wind 3365 Quadratmeter Angriffsfläche. Damit läuft der Viermaster maximal 17 Knoten. Machen die Dieselmaschinen mit, können es noch ein wenig mehr werden. Gut 22 Jahre alt ist das Schiff. 111 Gäste sind dieses Mal an Bord, ver- und umsorgt von 83 Crewmitgliedern aus über 20 Nationen. Auf dem einwöchigen Karibiktörn sind Stippvisiten auf sieben Inseln vorgesehen: St. Maarten, Nevis, Dominica, Iles de Saintes, Guadeloupe, Antiqua, St. Barthélemy.

Langsam löst sich der weiße Rumpf vom Kai. „Starboard Five“, instruiert Tunikov seinen Steuermann. Der dreht buchstäblich ein großes Rad und wiederholt: „Starboard Five!“ Schließlich stimmt die Richtung. „Midships“, lautet dann das Kommando. „Wheel midships“, kommt das Echo vom Steuermann.

Nun muss der Kapitän nur noch seine Gäste auf Kurs bringen. Denn das eigentliche Theater des Ablegemanövers kommt erst noch. Man sollte sich die Ohren zuhalten. Ein Schuss! Bordingenieur Eric Arndt, der „Chief“, feuert an Steuerbord ein Kanönchen ab. Willkommen in der Karibik soll das wohl heißen. Die Winden kreischen. Auf der „Star Clipper“ werden die Segel gesetzt. Langsam nimmt sie Fahrt auf. Aus den Lautsprechern scheppert nun unter vollen Segeln eine Hymne: „Conquest of Paradise“.

Die Filmmusik zu Ridley Scotts „1492“ wird das wiederkehrende akustische Motiv unserer Abreisen. Wir verstehen: Wir nehmen Kurs auf das Paradies. „Jungs, vielen Dank und gute Träume“, ruft der Kapitän seinen Leuten noch zu. Und verschwindet unter Deck.

„Wet Landing“ am Strand

Strahlend. Schülerin in Dominica.
Strahlend. Schülerin in Dominica.

© Bünger

Der Autopilot übernimmt nun das Ruder Richtung Nevis, unser erstes Ziel. Der Zweite Offizier Gerald Schöber behält alles im Blick. Einige Passagiere haben auf Liegestühlen unter dem Sternenhimmel ihr Nachtquartier bezogen. „War das dort vorne nicht eben ein Notsignal, das ins Wasser fiel, Gerald?“ Aber warum war es fast grün? „Eine Sternschnuppe“, sagt der Zweite und lacht. Wir driften weiter über das quecksilbrig glänzende Meer durch die Nacht. Hell scheint der Mond. Wir schweigen. Wie lautete doch noch die Tageslosung in unserem Bordprogramm? Richtig: „Auf dem Meer habe ich gelernt, wie wenig ein Mann braucht, nicht wie viel!“ Wir haben es also nicht eilig. Zwischen den Inseln liegen nur 63 Seemeilen, gut 100 Kilometer.

Charlestown, Hauptort der Republik St. Kitts und Nevis, erwartet uns am nächsten Mittag mit geschlossenen Läden. Es ist Sonntag. Die „Clipper“ liegt auf Reede. Tenderboote haben uns an Land gebracht. „Wet Landing“ am Strand. Wir krempeln die Hosenbeine hoch. Von den 1700 Einwohnern sind auf unserem Rundgang nur wenige zu sehen. Es ist ja auch ziemlich warm um die Mittagszeit, an die 30 Grad – da wagen sich bekanntlich nur sonnenhungrige Nordeuropäer in die stechenden Strahlen.

Am Strand hat das Sportteam schon alles vorbereitet: Zwei kleine Segelboote liegen im Sand bereit, außerdem wurden am Vormittag an Bord noch Schnorchelausrüstungen für die einwöchige Karibikrundfahrt ausgegeben. Windsurfer und Kajakfahrer finden ebenfalls ihre Gerätschaften vor. Wir paddeln ein wenig im badewannenwarmen Wasser und lassen uns vom Tender nach einer guten Stunde wieder an Bord unseres Schiffes bringen. Die etwa mittschiffs gelegene Bordbar erwartet uns mit einem kalten Bier – schließlich liegen wir nicht vor Hawaii.

Um 17 Uhr heißt es: Kurs auf Dominica. Das von Christoph Kolumbus an einem Sonntag entdeckte Eiland ist eines der grünsten der Karibik. Flüsse, Wasserfälle, Regenwälder und nur zwei Jahreszeiten: Trocken- und Regenzeit. Die Vulkaninsel besitzt einige der höchsten Berge der Kleinen Antillen, setzt weniger auf Strandurlaub, sondern lockt eher Individualisten. Wanderer können sich hier nasse Füße und großartige Naturerlebnisse holen. Noch, denn die ehemalige britische Kolonie hat sich mit den neuen Kolonialherren eingelassen, den Chinesen. Die ersten Ramschläden wurden schon eröffnet. Ein Memorandum mit dem Reich der Mitte werde geheim gehalten, sagt unsere deutsche Reiseleiterin.

Nur Wasser vor dem Bullauge

Sicherung am Tau. Ratten und Mäuse sind nicht gern an Bord gesehen.
Sicherung am Tau. Ratten und Mäuse sind nicht gern an Bord gesehen.

© Bünger

Nachmittags um fünf sollen wir eigentlich Richtung Terre-de-Haut / Iles de Saintes weitersegeln, doch bei sieben bis acht Windstärken entscheidet „Captain Holiday“, wie ihn einige an Bord nennen, vor dieser Insel Unter dem Winde vor eben jenem Schutz zu suchen. Wir bleiben vor Anker – schließlich gibt es auch gleich Abendessen. Und dessen Genuss soll nicht durch schwere See gefährdet werden. Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise – wer entsprechende Kapazitäten hat, kann sich auch drei Hauptgerichte einverleiben. Und das sind an diesem Abend Seezungenfilet in Krebssauce, ein Ribeye Roast mit Rosmarinsauce und eine vegetarische Champignon-Quiche.

Am nächsten Morgen dringt kein Außenlicht in unsere Kabine, obwohl die Sonne schon lange aufgegangen sein müsste. Nur Wasser vor dem Bullauge. Ein Regentag? Als der Blick auf den schräg hängenden Vorhang in der Kabine fällt, dämmert es: Wir segeln, das Bullauge liegt jetzt infolge der Schräglage unter Wasser. Eine Tasse Kaffee geschnappt und nichts wie an Deck. Die Anblicke und Ausblicke – großartig. Knapp acht Windstärken, die Segel voller Wind. Das Wasser aus den beiden Swimmingpools schwappt über das Deck.

Kapitän Tunikov strahlt mit seinem Ersten Offizier und den Gästen um die Wette. Wir segeln mit zehn Grad Krängung Richtung Iles de Saintes. Heiliges Kanonenrohr, wir laufen 14 Knoten! „Man muss Respekt vor dem Ozean haben“, sagt unser Kapitän, „es ist eine Partnerschaft.“ Und so bleibt es bei einer Schräglage von zehn Grad – 14 wären möglich. Allerdings nicht, wenn Hoteldirektor Paolo Testa das Sagen hätte. Ihm sind schon acht Grad zu viel, und der Italiener legt bei der Schiffsführung sein Veto ein: Wenn die „Clipper“ so weitersegele, könne er für das Mittagessen nicht garantieren. In der Kombüse sei bereits einiges zu Bruch gegangen.

Lilli und Walther aus der Schweiz wären auch mit einer Scheibe Brot zum Lunch zufrieden gewesen. Sie warten gerade in der Tropical Bar auf den nächsten Tender nach Terre-de-Haut. „Alle an Bord bewegt irgendwie das Gleiche“, sagt Lilli, „das Segeln.“ „Für mich ist es die Mischung aus Sonne und Schiff. Und man knüpft schnell Kontakt zu anderen“, sagt ihr Mann. „Wir sind keine Segler, doch für uns sind die Ziele dieser Reise sekundär.“

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