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Gletscher

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Klimawandel: Je ferner, je lieber

Der Klimawandel verunsichert die Deutschen. Ihr Reiseverhalten wollen sie deshalb aber nicht ändern. Eigentlich sollten Fernreisen mehr kosten.

In den Köpfen der Touristen ist der Klimawandel angekommen, das Reiseverhalten verändert er bisher aber kaum. Diese These findet bereits geraume Zeit viel Zustimmung. Nun wird sie durch die neuen Winterkataloge deutscher Reiseveranstalter indirekt bestätigt. Ein Schwenk zu mehr Klimaschutz ist dort nicht zu finden. Stattdessen füllen immer mehr Fernreisen die Programme, und diese Urlaubsziele sind oft nur durch lange Flüge mit einem hohen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid erreichbar. Die Anbieter begründen das mit wachsender Nachfrage nach solchen Reisen. „Der Kunde ist sich des Problems bewusst, er will aber selbst nicht verzichten“, beobachtet auch Rolf Pfeifer vom Verband „Forum anders reisen“ in Freiburg.

Jamaika jetzt auch bei 1-2-Fly, weitere Malediveninseln in den Neckermann-Katalogen, Mauritius neu bei Öger, Thailandpremiere für Alltours, die ersten FTI-Pauschaltouren in die Südsee – die Liste der Fernreiseneuheiten in den Winterkatalogen ließe sich lange fortsetzen. „Es gibt derzeit einen Trend zu Fernreisen. Diese Entwicklung kann keiner verhindern. Denn in unserem Markt passt sich das Angebot immer der Nachfrage an“, sagt Dierk Berlinghoff, Bereichsleiter Flugreisen bei der Rewe-Pauschaltouristik (ITS, Jahn-Reisen und Tjaereborg) in Köln. „Und wir müssen uns nicht schämen, ein Unternehmen zu sein, das Kundenbedürfnisse befriedigen will.“

Die bei den Reisenden bestehende Lücke zwischen Problembewusstsein in Sachen Klima einerseits und einem veränderten Handeln andererseits ist dabei „kein rein touristisches Phänomen“, sagt Martin Lohmann, Tourismusforscher aus Kiel. „In anderen Bereichen gibt es das ja auch, siehe die vielen neuen Autos mit den starken Motoren.“

Es reiche daher auch nicht, nur auf die Nachfrageseite zu schauen: „Als Kunde sehe ich da auch die Verantwortung bei den Produzenten“, in diesem Fall also den Reiseveranstaltern. Die aber suchten ihren Geschäftserfolg derzeit oft eher in ferneren Weltregionen, in denen sich – anders als in Europa – noch ein gutes Wachstum erzielen lässt.

„Es gibt weiterhin zu wenig Angebote für klimabewusstes Reisen“, meint auch Rolf Pfeifer. „Bei den großen Veranstaltern hat sich da nichts verändert.“ Ein Bedarf für solche Urlaube bestehe aber schon: Fünf bis zehn Prozent der Deutschen würden gern klimabewusst reisen, schätzt der Experte. Bei den im „Forum anders reisen“ vereinten 140 kleineren Veranstaltern, die solche Touren verkaufen, gebe es daher zum Teil zweistellige Zuwachsraten. Gemeinsam deckten sie jedoch weiter nur etwa ein bis zwei Prozent des deutschen Reisemarktes ab.

Wer jetzt in der Tourismusbranche die Frage nach mehr Klimaschutz stellt, bekommt immerhin den Satz „Wir sind an dem Thema dran“ häufig zu hören. Es gelte, „alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Klimaschutz voranzutreiben“, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV) in Berlin. Und der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) hat den Klimaschutz zum Schwerpunktthema seines jährlichen Tourismusgipfels im kommenden Oktober in Berlin erhoben. Ein Ziel sei es, zwischen den verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien die richtige Balance zu finden, sagt BTW-Generalsekretär Michael Rabe.

Kritiker wie Rolf Pfeifer sehen in solchen Ankündigungen nur „viel heiße Luft“. Für ihn wäre wichtiger, dass Klimaschutzprojekte wie zum Beispiel Atmosfair von Touristen und Reiseanbietern konkret gefördert werden. Bei Atmosfair bezahlen Reisende freiwillig je nach der Dauer ihres Fluges eine Summe, die dazu genutzt wird, den CO2-Ausstoß in Entwicklungsländern zu verringern. Für einen Flug von Frankfurt am Main nach Kapstadt und zurück würden dabei zum Beispiel 138 Euro fällig.

Auch manche Fluggesellschaften ermuntern ihre Gäste inzwischen zu Zahlungen an Klimaprojekte, zuletzt hat Easyjet damit begonnen. „Die Summen liegen hier aber bei nur einem Drittel der Atmosfair-Beträge“, so Pfeifer. Grund sei, dass der „RFI-Faktor“ für besonders schädliche Kohlendioxid-Emissionen in großer Flughöhe nicht berücksichtigt sei.

Zu einem kritischen Blick auf die Gestaltung von CO2-Kompensationen rät auch der Bundesverband der Verbraucherinitiative in Berlin: Wichtig sei, dass das Geld direkt in konkrete Klimaprojekte fließe.

Von Klimaausgleichszahlungen – ganz gleich, ob freiwillig oder für alle verpflichtend – haben die meisten großen Reiseveranstalter bislang nichts wissen wollen. Die Rewe-Pauschaltouristik will nun zumindest „ernsthaft prüfen“, wie sich eine „symbolische Abgabe bei Fernreisen kreativ umsetzen lässt“, kündigte Flugreisen-Manager Berlinghoff am Rande seiner Katalogpräsentation in Hamburg an. Schwerpunkt bleibe aber die Förderung von Investitionen in eine klimafreundlichere Technologie, zum Beispiel in Flugzeuge mit geringerem Verbrauch.

Rolf Pfeifer vom „Forum anders reisen“ will einem völligen Verzicht auf Flüge in die Ferne allerdings nicht das Wort reden. „Auch 40 Prozent der Angebote unserer Mitglieder sind schließlich Fernreisen, bei denen Naturerlebnisse und Begegnungen im Mittelpunkt stehen.“

Viele Touristen fliegen jedoch ohne solche Beweggründe auf andere Kontinente: „Wer in einer All-inclusive-Anlage in der Dominikanischen Republik Urlaub macht, der soll mir mal schlüssig erklären, welchen Mehrwert das im Vergleich zu einer Reise nach Südspanien oder in die Türkei hat“, sagt Pfeifer. „Am Ende ist es vielen Touristen sowieso egal, wo sie waren, solange sie preisgünstigen Strandurlaub hatten.“ Dass die Fliegerei nur einen kleinen Teil zum weltweiten Ausstoß an Kohlendioxid beiträgt und ganz andere Faktoren den Treibhauseffekt viel stärker vorantreiben, mag Rolf Pfeifer als Einwand nicht gelten lassen: „Wir in Westeuropa müssen beim Klimaschutz vorangehen“, ist er überzeugt – und das gelte eben auch für den Tourismus.

Christian Röwekamp

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