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Kloster Neuzelle: Die Rezepte der Mönche

Beim Spaziergang in Kloster Neuzelle ist ein Barockwunder zu erleben. Dort kann man sogar untertauchen – wie im Mittelalter.

Hans-Wilhelm Richter ist zufrieden. Auch wenn der vergangene Sommer nicht übermäßig sonnig war – die Trauben sind fruchtig und süß. „Ihr Zuckergehalt liegt bei 67 bis 70 Öchsle“, verkündet der Winzer vom Verein der Neuzeller Klosterwinzer stolz. „Das verspricht einen guten Qualitätswein.“ Mit bis zu 400 Litern ist zu rechnen. Auf den Flaschen, die im Winter abgefüllt werden, wird dann „Q. b. A.“ stehen – das Prädikat für „Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete“. Mit dem „bestimmten Anbaugebiet“ ist Neuzelle gemeint. Wein aus dem Oder-Spree-Gebiet? Wer Goldriesling, Frühburgunder oder Muskat hört, denkt eher an südliche Gefilde. Aber in dem Erholungsort zwischen Schlaubetal und Oder-Neiße-Mündung kann man eben nicht nur sein Barockwunder erleben.

Zum Kloster Neuzelle, das 1268 vom sächsischen Markgrafen Heinrich dem Erlauchten gegründet wurde, gehörte einst auch ein knapp fünf Hektar großes Gelände. Darauf ließ Abt Gabriel Dubau im 18. Jahrhundert neben der Stiftskirche, die mit ihrer heiteren weiß-gelben Fassade noch den trübsten Herbsttag überstrahlt, einen Klostergarten nach französischem Vorbild anlegen. Mit Terrassen, Wasserspielen, Sichtachsen, Broderie-Parterre und Orangerie ist er heute der einzige erhaltene Barockgarten in der Mark und lädt nach behutsamer Restaurierung zu Musik und Mußestunden ein.

Weniger bekannt ist, dass hier bis 1840 auch Wein angebaut wurde. An diese Tradition wollte vor einigen Jahren der Verein der Klosterwinzer anknüpfen und begann, rund vierhundert Rebstöcke anzupflanzen. Seitdem gedeihen hier sieben verschiedene rote und weiße Traubensorten. „Das trockene, milde Klima eignet sich gut für den Weinanbau“, beteuert Walter Ederer, der im Stift für Marketing und Kultur zuständig ist. Im Handel sind die Tropfen noch nicht zu haben, aber bei Führungen über den Weinberg darf man sie schon mal verkosten.

Dass die strengen Zisterziensermönche für das leibliche Wohl ihrer Mitmenschen sorgten, beweisen aber vor allem die Produkte der Klosterbrennerei und -brauerei. Das Neuzeller Bier hat sich sogar über Brandenburg hinaus einen Namen gemacht. Bereits für das 15. Jahrhundert ist schriftlich belegt, dass die Bauern der Gegend regelmäßig bestimmte Mengen Hopfen im Kloster abliefern mussten. 1589 erhielt Neuzelle von Kaiser Rudolf II. in Prag das offizielle Braurecht, die Klosterbrauerei wurde gegründet. Zwar ist das alte Gebäude 1892 abgebrannt. Doch 1902 entstand an derselben Stelle eine neue Brauerei aus rotem Backstein, die heute auch zu Besichtigungen und Verkostungen einlädt.

Am Herstellungsprozess hat sich nicht viel geändert. Oben auf dem Malzboden lagern wie in alten Zeiten die Säcke mit Getreide, in der hundert Jahre alten Malzmühle wird Malz geschrotet und die dabei entstehende Maische in riesigen Bottichen aufgekocht. Die Produkte würden die Zisterziensermönche allerdings kaum wiedererkennen. Seitdem die Brauerei 1992 in private Hände überging, haben innovative Sorten wie der tiefdunkle, malzaromatische Schwarze Abt, fruchtiges Kirschbier, Neuzeller Pilsner, Neuzeller Bock oder Malzbier Aufsehen erregt. Und sogenannte Wellnessgetränke wie Marathon und Anti-Aging-Bier, die sich im In- und Ausland zu regelrechten Kultbieren entwickelt haben.

Dabei garantieren sie keineswegs nur puren Trinkgenuss. Denn mancher Gerstensaft, der aus dem Zapfhahn kommt, landet statt im Glas in der Badewanne. So zumindest im Landhotel Kummerower Hof, das seine Gäste nicht nur zum Biertrinken, sondern auch zum Bierbaden einlädt. Dazu steht in den 200 Jahre alten Kellergewölben des Hauses ein Wellnessbereich mit vier Wannen bereit. Während aus den Zapfhähnen die bräunlich schäumende Flüssigkeit in die weißen Becken sprudelt, versetzt einen das spärliche Licht von Kerzen in die geheimnisvolle Atmosphäre mittelalterlicher Klöster.

Wer ins 33 Grad warme Nass gleitet, fühlt zunächst ein frisches Prickeln auf der Haut, das allmählich in ein intensives Wärmegefühl übergeht. Das kann man eine ganze Zeit lang genießen, bevor es in die Dusche und anschließend in wohlig warme Decken geht. „Das Bierbad muss nachwirken“, meint Hotelbetreiberin Susanne Taschner, die zugleich Physiotherapeutin ist. „Da steckt ja viel mehr drin als in einem gewöhnlichen Schaumbad.“

Auch wenn das Badebier – entsprechend dem deutschen Reinheitsgebot – ausschließlich Hopfen, Malz, Hefe, Wasser und keinerlei chemische Zusätze enthalte, stelle es eine geballte Ladung von Wirkstoffen dar. Allein in der Bierhefe sind die Vitamine B1, B2, B5, B6, B12, Folsäure, Biotin, Mineralstoffe und Spurenelemente zu finden, die unter anderem einen günstigen Einfluss auf Hauterkrankungen wie Akne, Ekzeme oder Pilze haben sollen. Der Hopfen wirkt wiederum beruhigend, die Kohlensäure durchblutungsfördernd.

Sechs Liter – so viel wie zwei Magnum-Flaschen Badebier mit einem Alkoholgehalt von 5,2 Prozent – kommen in die Wanne, wo sie mit Wasser verdünnt werden. „Reines Bier wäre viel zu stark, die Kohlensäure würde den Blutdruck zu sehr senken. Das könnte gefährlich werden“, erklärt die Expertin. Gleichzeitig wird die Flüssigkeit speziell aufbereitet, damit sie nicht nur schäumt, sondern auch ihre Wirkstoffe besser entfaltet. Dieses Verfahren, das sich der Kummerower Hof patentieren ließ und unter der Marke „Das Original“ anbietet, unterscheidet ihn von anderen Hotels oder Thermalbädern, wo das Badebier einfach nur ins Wasser geschüttet wird. „Dafür ist das Bier viel zu schade, weil die Wirkung verpufft“, winkt Susanne Taschner ab. „Dann sollte man es lieber trinken.“

Ob schon die Zisterziensermönche im Gerstensaft gebadet haben, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ist es genau das Richtige, wenn einen an einem kühlen Herbsttag nach der Besichtigung der Klosteranlage fröstelt. So machen auch viele Nicht-Hotelgäste Station im Kummerower Hof, der nach mehr als zehn Jahren Bierbad eine erfolgreiche Bilanz ziehen kann: „Am Anfang kamen vor allem Männergruppen, die auf feuchtfröhliche Bierorgien aus waren“, erinnert sich die Wirtin. „Inzwischen kommen zunehmend Frauen, allein oder in kleinen Gruppen, außerdem Paare und Familien, die weniger Gaudi als vielmehr Entspannung suchen.“

Wer sich rechtzeitig anmeldet, dem stehen die Baderäume exklusiv zur Verfügung, so dass für Ruhe und Intimität gesorgt ist. Alternativ zum Bierbad werden auch Treber- und Bierhefebäder angeboten, die sich günstig auf Rheuma beziehungsweise Hauterkrankungen wie Neurodermitis auswirken sollen. Ergänzend werden Biertreber-Packungen in der Softpackliege, Treber-Fußbäder und allerlei Massagen angeboten. Danach sollte man sich in der Gaststube bei Treber-Brot mit Schmalz oder warmen Gerichten und einem herzhaften Neuzeller Pilsner stärken. Und wer weiß – vielleicht werden bald auch die edlen Tropfen vom Neuzeller Weinberg serviert.

Marlies Gilsa

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