zum Hauptinhalt
Stets zu Diensten, hier das freundliche Personal des Kreuzfahrtschiffs MS "Vrinda" in indischen Gewässern.

© imago/Jochen Tack

Anheuern auf dem Kreuzfahrtschiff: "Feierabend gibt es eigentlich nie"

Gerade junge Leute interessieren sich für Jobs auf Kreuzfahrtschiffen. Die ideale Möglichkeit, die Welt kennenzulernen. Doch die Arbeit ist schlecht bezahlt.

Ein halbes Jahr arbeiten ohne einen freien Tag, bis zu 14 Stunden täglich und für weniger als 2000 Euro monatlich – das klingt nicht nach einem Traumjob. Und doch lockt die Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff gerade junge Leute an, die dabei die Welt kennenlernen wollen.

„Nicht alle Interessenten haben realistische Vorstellungen“, sagt Daniela Fahr, Geschäftsführerin der Connect World Wide Recruiting Agency aus Bremerhaven. Sie organisiert regelmäßig den „Cruise Recruiting Day“, auf dem sich zum Beispiel Köche, Kellnerinnen, Kosmetikerinnen oder Barkeeper bei Reedereien aus Europa und den USA bewerben. Auch Branchenfremde haben laut Fahr Chancen, wenn sie gut mit Menschen umgehen können und Englisch beherrschen.

Für Ann-Cathrin Ulrich ist die Qualifikation kein Problem. Die 20-Jährige hat ihr Studium Hotel- und Tourismusmanagement in Salzburg abgeschlossen und will nun für sechs Monate als Rezeptionistin auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten. „Wer dort zurechtkommt, hat danach bessere Aussichten auf eine gute Stelle im Hotelmanagement. In den nächsten Tagen werde ich mich für ein Angebot entscheiden“, sagt Ulrich. Nach der Bezahlung hat sie sich bei ihren Gesprächen mit den Reedereien gar nicht erkundigt.

Für Landgänge bleibt nicht immer Zeit

„Unter 1500 Euro festes Gehalt fange ich nicht an“, sagt dagegen Carlo Marques. Der gelernte Hotelfachmann aus München ist seit vier Jahren mit Kreuzfahrtschiffen auf hoher See. Sechs Monate arbeiten, zwei Monate unbezahlte Pause, dann geht es wieder los.

Der 25-Jährige nennt einige Kriterien für die Wahl seines neuen Arbeitgebers: „Darf man als Crewmitglied im Restaurant der Gäste essen? Kennt man Beschäftigte an Bord? Hat man Zeit, sich eine Stadt länger anzuschauen?“ Als Kellner hatte Marques dazu keine Gelegenheit – zuletzt als Shopverkäufer gab es schon mal zwei Tage frei. Nach diesem Jahr soll Schluss mit der Arbeit an Bord sein. „Enge Kontakte kann man nicht halten, wenn man ständig weg ist.“

"Das Handy muss man immer angeschaltet dabei haben"

Chris Schädel hat an der Hochschule Bremerhaven Internationales Kreuzfahrtmanagement studiert und arbeitet seitdem als Personalverwalter an Bord. Er ist für Gehaltsabrechnungen und Visa-Anträge zuständig und erster Ansprechpartner für neue Crewmitglieder. Eine der häufigsten Sätze, die er dabei hört, ist: „Habe ich am Wochenende frei?“ und „Was, ich muss heute noch arbeiten?“ Etliche Bewerber machen sich anscheinend nicht klar, was es bedeutet, monatelang keinen freien Tag zu haben.

Karin Borgas aus Hannover ist seit fünf Jahren auf Donau, Rhein und anderen großen Flüssen mit Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Als Cruise Director organisiert sie das Unterhaltungsprogramm. „Ich bin der erste Ansprechpartner für die Gäste. Feierabend gibt es eigentlich nie. Das Handy muss man immer angeschaltet dabei haben.“

Von November bis März fahren auf den Flüssen keine Kreuzfahrtschiffe – deswegen will die 44-Jährige gelernte Speditionskauffrau im kommenden Jahr erstmals auf einem Hochsee-Kreuzfahrtschiff anheuern. „Ich will noch mal eine neue Erfahrung machen. Wenn ich zu Hause bin, dann fehlt mir die Arbeit an Bord. Es macht mir Spaß, Gastgeber für andere Menschen zu sein.“

Auf Schiffen mit älterem Publikum haben auch 60-jährige Verkäuferinnen eine Chance

Für einfache Tätigkeiten werden gern asiatische Arbeitskräfte angeheuert.
Für einfache Tätigkeiten werden gern asiatische Arbeitskräfte angeheuert.

© Christian Charisius/dpa

Holger Schröder sucht als Geschäftsführer des Personaldienstleisters Gebr. Heinemann aus Hamburg Personal für ein neues Kreuzfahrtschiff, das den Gästen in den Boutiquen Schmuck, Textilien und Kosmetika verkauft. „Es gibt an Bord klare Regeln für die Crew wie Verbot von Alkohol, Tabak, Drogen und Partys in den Kabinen. Das ist für jüngere Bewerber oft ein Problem“, sagt Schröder.

Eine Altersobergrenze gebe nicht: Auf Schiffen mit älterem Publikum hätten auch 60-jährige Verkäuferinnen eine Chance, wenn sie mit Stress umgehen könnten und körperlich fit seien. Seit Kurzem bietet sein Unternehmen den Mitarbeitern eine kostenlose Unfallversicherung an – die Nachfrage nach Personal ist größer als das Angebot, die Betreiber der Kreuzfahrtschiffe müssen sich etwas einfallen lassen.

Auch die italienische Costa Cruises wirbt um neues Personal wie Rezeptionisten, Manager für die Organisation der Verpflegung an Bord, Fotografen, Ton- und Lichttechniker, Konditoren und Animateure für mitreisende Kinder.

Nach der Vorstellung seines Unternehmens, dessen Kreuzfahrtschiffe bis zu 5000 Reisenden Platz bieten, stellt sich Matteo Savio den Fragen der Zuhörer. Einer will wissen, wie man innerhalb von 25 Minuten 5000 Menschen retten könne. „Das ist schwierig, aber möglich“, entgegnet Savio und fügt hinzu: „In Zukunft wird es Kreuzfahrtschiffe für 7000 Passagiere geben. Je mehr Gäste, umso wirtschaftlicher kann man kalkulieren. Ich weiß nicht, wo die Obergrenze ist.“

An Bord herrscht bei eine Mehrklassengesellschaft

2014 waren 22 Millionen Menschen mit Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Weltweit gibt es 300 schwimmende Hotels mit 450.000 Betten und 285.000 Mitarbeitern, Tendenz steigend. In Hamburg kamen 2015 rund 525.000 Kreuzfahrtpassagiere an, fürs laufende Jahr rechnen Experten mit 650.000 Gästen.

An Bord herrscht bei den Beschäftigten eine Mehrklassengesellschaft: Für einfache Tätigkeiten wie das Geschirrspülen heuern Reedereien Personal in Asien und Südamerika zu niedrigem Lohn an. Sie müssen sich monatelang häufig zu viert eine kleine Kabine teilen. Europäischen Servicemitarbeitern wird mindestens eine Zweierkabine geboten, die Stellen setzen meistens eine Ausbildung beziehungsweise Berufserfahrung voraus.

Wer auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten will, muss vorher an einem Sicherheitstraining teilnehmen. 2015 haben 2600 Servicekräfte so ein viertägiges Training beim Aus- und Fortbildungszentrum Rostock absolviert. Dazu gehören das Anlegen von Rettungsanzügen und Rettungswesten sowie Seenotübungen im Wasser. „Schwimmen muss man nicht können“, sagt AFZ-Ausbilder Dirk Wegner.

Der Preiskampf zwischen den Betreibern wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen

Klaus Schroeter ist Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt bei der Gewerkschaft verdi in Berlin. Er handelt im Auftrag der Internationalen Transportarbeiter Federation mit Arbeitgebern wie Hapag Lloyd oder Tui die Tarife für Servicemitarbeiter auf Hochsee-Kreuzfahrtschiffen aus. Die beginnen bei 1150 Euro monatlich für Gelernte, bei freier Kost und Logis. Innerhalb von 24 Stunden muss zehn Stunden pausiert werden, diese Ruhezeit darf einmal unterbrochen werden.

Bei anderen Unternehmen seien die Bedingungen ähnlich. Die Probezeiten liegen zwischen einem und drei Monaten an Bord – nicht alle bestehen sie. Schroeter beobachtet einen wachsenden Preiskampf zwischen den Kreuzfahrtschiffbetreibern, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird: „Früher wurde der Gast am Platz bedient, heute ist auf großen Schiffen Selbstbedienung am Büfett üblich. So werden bezogen auf die Zahl der Reisenden weniger Gelernte gebraucht, um die Lohnkosten zu drücken. Und bei der Flusskreuzfahrt weigern sich die Reeder, Tarifverträge abzuschließen. Dort herrschen oft Wildwest-Methoden.“

Ein wichtiger Faktor ist das Trinkgeld. Wenn das Schiff nicht ausgebucht ist, fällt die Summe niedriger aus. Einzelne Reedereien fordern eine bestimmte Trinkgeldhöhe von den Passagieren bei Vertragsabschluss ein – mit Klauseln wie „Sie haben jedoch die Möglichkeit, den Betrag erhöhen, reduzieren oder stornieren zu lassen“. Daniela Fahr, die selber viele Jahre auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet hat, weiß aus Erfahrung: „Deutsche Gäste sind eher knauserig und ziehen manchmal Geld ab. Australier und US-Amerikaner sind viel großzügiger.“

Aus Deutschland kamen 2014 rund 1,8 Millionen Reisende – nur Urlauber aus den USA unternehmen mehr Kreuzfahrten.

Joachim Göres

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false