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KREUZFAHRTEN Leinen los auf Flüssen und Meeren: Boom an Bord

Die Schiffe werden größer, und immer mehr Deutsche zieht es auf hohe See

Wenn Deutschlands Kreuzfahrtmanager von ihren Zielen sprechen, dann war bisher oft nicht nur von fernen Gewässern, sondern auch von der angepeilten Millionenmarke die Rede. 2006 haben die Reedereien sie geknackt: Erstmals wurden auf Hochsee- und Flussschiffen mehr als eine Million Passagiere aus Deutschland registriert. Und der Boom beim Urlaub an Bord geht weiter, zumindest auf hoher See: Die Flotten sind mit neuen Schiffen gewachsen, das lässt die Manager bereits von neuen Zielen träumen.

Unter dem Strich stehen in der Bilanz des Deutschen Reiseverbands (DRV) für das vergangene Jahr exakt 705 010 deutsche Passagiere auf Hochseeschiffen. Das waren 10,3 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insbesondere internationale Reedereien konnten mehr Gäste für sich gewinnen: Ihr Wachstum fiel fast doppelt so groß aus wie das der einheimischen Anbieter. Bei den Reisezielen konnte diesmal vor allem Nordeuropa kräftig zulegen: Inzwischen bucht jeder fünfte deutsche Hochseepassagier (20,1 Prozent) Fahrten zum Nordkap, nach Island oder zu den Fjorden Norwegens. Das seien doppelt so viele Passagiere wie auf der Ostsee, wo das Interesse leicht nachgelassen habe, sagt Michael Thamm, Chef des DRV- Schifffahrtsausschusses. Konkrete Gründe für den Zuwachs beziehungsweise die Abnahme konnte man nicht finden.

Das „Brot-und-Butter-Geschäft“ bleibt für die Hochseereedereien jedoch das Mittelmeer, wohin 37,5 Prozent der Gäste ihre Schiffsreise führte. Die Karibik und andere Ziele in Übersee machten wie im Vorjahr etwa 21 Prozent aller Hochseereisen aus. Nur wenig Veränderungen gab es auch bei anderen Details im Reiseverhalten: Die durchschnittliche Reisedauer stieg um 0,1 auf nun 9,7 Tage, der Durchschnittspreis um 15 auf 1928 Euro pro Passagier.

Nicht ganz so glücklich sind die Reedereien mit der Entwicklung auf den Flüssen: 310 655 Gäste bedeuteten hier ein Minus von 4,6 Prozent – der erste Rückgang in diesem Bereich seit dem Jahr 1999. In fast allen Ländern sanken die Passagierzahlen, auf der Donau ebenso wie auf den anderen deutschen Flüssen, auf dem Nil, in Russland und der Ukraine. Nach oben zeigte die Kurve nur in China, Südostasien und den Beneluxländern.

„Für die Reedereien ist es nicht ganz einfach, immer wieder neue Angebote auf den Markt zu bringen“, sagt Thamm. „Die Donau wird halt nicht noch länger.“ Trotzdem bleibe Deutschland der weltgrößte Markt für Flussreisen. Beim Preis pro Tag an Bord mussten die Passagiere im Schnitt sogar um 8,8 Prozent tiefer in die Tasche greifen: 2006 wurden gut 153 Euro fällig.

Für das laufende Jahr sind die Erwartungen bisher weniger hoch gesteckt als in der Vergangenheit: Viele Flussreedereien seien weniger zufrieden mit den Buchungen. Ganz anders sieht es auf hoher See aus: Hier sei wieder mit einem sehr guten Jahr zu rechnen. Er persönlich gehe davon aus, dass erneut rund zehn Prozent mehr deutsche Urlauber eine Hochseereise buchen werden, sagt Thamm.

Dazu beitragen dürfte auch Thamms Unternehmen Aida Cruises. Der Marktführer in Deutschland konnte im vergangenen Jahr nur wenig mehr Gäste begrüßen als 2005. Das habe an fehlenden Kapazitäten gelegen.

Mit der „Aidadiva“, die am 20. April in Hamburg getauft wurde, ist ein neues großes Schiff dazugekommen. Auch Costa Crociere und MSC Kreuzfahrten aus Italien sowie Royal Caribbean International (RCI) aus den USA zum Beispiel haben neue Schiffe in Dienst gestellt, die auch über deutsche Reisebüros buchbar sind.

Zunehmend erobere eine Schiffsklasse mit etwa 2000 bis 3000 Betten die Weltmeere. Diese Größenordnung werde in den kommenden Jahren immer stärker verbreitet sein, erwartet Michael Thamm. Die Schiffe sind klein genug, um genug Fahrtgebiete anlaufen zu können – 4000-Betten-Schiffe wie RCIs „Freedom-Klasse“ hätten auf kleinen Inseln zum Teil Probleme, „während es in Metropolen wie Barcelona egal ist, ob 3000 oder 4000 Passagiere von Bord gehen“. Auf der anderen Seite seien die 2000-Betten-Kreuzfahrtschiffe groß genug, um den Gästen bei höherer Qualität als früher stabile Preise bieten zu können – eine wichtige Voraussetzung für weiteres Wachstum.

Und schon sucht die Branche nach neuen Messlatten. Vielleicht werde es zu Beginn des neuen Jahres ja die Nachricht geben, „dass wir erstmals insgesamt zehn Millionen Übernachtungen geschafft haben“, orakelt Thamm. Im Jahr 2006 lag diese Zahl bei gut 9,224 Millionen. Und auch die nächste Millionengrenze haben die Reedereien im Visier: 2010 sollen so viele Passagiere allein im Hochseebereich gezählt werden – mindestens.

Christian Röwekamp

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