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Ruhig mal meckern. Neben einer Baustelle wie hier auf Fuerteventura, muss man nicht klaglos Urlaub machen.

© Karlheinz Schindler/dpa

Kundenservice: Zum Trost einen Blumenstrauß

Wer nach einer Reise klagt, bekommt selten Geld zurück. Wie Veranstalter mit Beschwerden umgehen.

Urlauber sind anspruchsvoll. Passt ihnen etwas nicht, beschweren sie sich bei ihrem Veranstalter. Beschwerde- Hochsaison ist nach den Sommerferien, wenn besonders viele Deutsche im Urlaub gewesen sind. Zwar haben nur ein paar Prozent Grund zur Klage, doch übers Jahr gesehen kommen Zehntausende von Beschwerden zusammen. Die großen Veranstalter haben ganze Abteilungen, die sich allein mit den unzufriedenen Kunden beschäftigen.

Branchenführer Tui ist auch beim Thema Beschwerdemanagement einer der Vorreiter. Eine eigene Abteilung „Kundendienst“ gab es schon Ende der 1970er Jahre, Mitte der 90er hat er Zak eingeführt. Die drei Buchstaben stehen für „Zügige Abhilfe und Kompensation“, das Regelwerk für den Umgang mit Beschwerden. Zügig heißt: Idealerweise klärt sich das Problem noch am Urlaubsort – ganz gleich ob der Kunde kein Zimmer mit Meerblick abbekommen hat oder in der ersten Nacht nicht schlafen konnte, weil die Klimaanlage nicht funktionierte.

„Wir haben das Beschwerdemanagement in die Zielregion verlagert“, sagt Marcus Minzlaff, Leiter des Tui-Kundenservice. Wenn es optimal läuft, wird seine Abteilung in Hannover bei der Lösung des Problems gar nicht gebraucht. „Wir peilen an, 90 Prozent der Beschwerdefälle am Urlaubsziel zu klären.“ Schon jetzt seien es 85 Prozent – eine Größenordnung, die Torsten Kirstges, Tourismuswissenschaftler an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven, für realistisch hält. Solche Bemühungen seien allerdings keine reine Menschenfreundlichkeit, sondern durchaus im Interesse der Veranstalter.

Contenance wahren. Marcus Minzlaff, Leiter Tui-Kundenservice.
Contenance wahren. Marcus Minzlaff, Leiter Tui-Kundenservice.

© Christian Wyrwa

Dafür hat der Reiseleiter weitreichende Kompetenzen bekommen. „Die gleichen wie wir in Hannover“, sagt Minzlaff. Das heißt für das Beispiel mit dem Zimmer ohne Meerblick: Entweder er organisiert ein anderes – oder er kann dem Kunden eine Kompensation dafür anbieten, dass keines zu bekommen ist. Natürlich gebe es Fälle, bei denen das nicht klappe – weil kein Reiseleiter am Ort ist, wie etwa bei Städtereisen.

Oder zum Beispiel, wenn der Rückflug deutlich verspätet ist. Es komme auch vor, dass Kunden mit der Entscheidung des Reiseleiters nicht einverstanden sind und uns dann schreiben, erzählt Minzlaff. Dann prüft seine Abteilung, ob sie genauso entschieden hätten wie der Reiseleiter – oder die Kritik des Kunden teilen.

„Beschwerdegrund Nummer eins ist Unzufriedenheit mit dem Hotel“, sagt der Kundenservice-Chef. „Die Qualität des Service, die Animation, erst danach die Hardware, also zum Beispiel ein zu kleines Zimmer.“ In jedem Fall werde recherchiert, was an der Beschwerde dran ist: „Die Zimmergröße kann man nachmessen“, sagt Minzlaff. „Bei Kritik wie ,Das Zimmer war total abgewohnt‘ ist das natürlich auch eine Frage der subjektiven Wahrnehmung.“

Reklamation? Das kostet Zeit

Hat nicht immer gut lachen: Birgit Leyens- Wiedau, Dertour-Kundenservice.
Hat nicht immer gut lachen: Birgit Leyens- Wiedau, Dertour-Kundenservice.

© DER

Ganz ähnlich sind die Erfahrungen bei den Veranstaltern der Thomas Cook AG. „Wobei die typischen Beschwerden übers Hotel, über dreckige Zimmer oder Ungeziefer im Bad abgenommen haben“, sagt Annette Höher, die dort das Beschwerdemanagement leitet. „Was wir bei Beschwerden machen, ist ein Stück Detektivarbeit mit gesundem Menschenverstand“, erklärt Minzlaff. „Wir checken, ob sich andere Gäste über das Hotel beschwert haben, wir haben einen generellen Eindruck über das Zielgebiet und fragen die Reiseleitung am Ort.“ „Die große Mehrzahl derer, die sich beschweren, erwartet allerdings auch eine Entschädigung“, sagt Birgit Leyens-Wiedau, Kundenservice- Leiterin bei den Bausteinveranstaltern der Der Touristik (Dertour, Meier’s Weltreisen und ADAC Reisen).

Und es gibt auch einige, die dabei deutlich werden: „Die schreiben ,Wenn Sie nicht so regulieren, wie ich das möchte, gehe ich zum Rechtsanwalt‘ “, erzählt Leyens-Wiedau. „Davon lassen wir uns aber nicht beeindrucken, wir behandeln alle Beschwerdefälle gleich.“ Ohnehin drohten deutlich mehr Kunden mit dem Anwalt als dann tatsächlich einen Juristen einschalten, sagt Annette Höher von Thomas Cook. „Es landen auch nur vergleichsweise wenige Fälle vor Gericht. Und von denen gewinnen wir 80 Prozent.“

Hat sich das Problem nicht gleich an Ort und Stelle klären lassen, ergibt aber die Überprüfung der Beschwerde, dass der Kunde recht hat, werde der Fall gleich reguliert, erläutert Höher. „Haben wir den Eindruck, er habe nicht recht, erklären wir ihm unsere Position.“ Und das ist meist erfolgreich: „Nur etwa ein Viertel der unzufriedenen Kunden meldet sich dann mit einem zweiten Schreiben.“ Etwa die Hälfte derjenigen, die sich schriftlich äußert, macht das per Mail, „die andere Hälfte schreibt einen Brief“, sagt Leyens-Wiedau. „Eine Mail ist schnell geschickt, da ist auch der Tonfall oft anders, und manchmal sind gleich zehn Fotos im Anhang.“ Einerseits sei das ganz praktisch. „Andererseits erwartet der Kunde heute, dass Reklamationen binnen zwei Minuten erledigt sind.“

Es gebe zwar Fälle, die schnell zu klären seien. Bei Beschwerden über zu kleine Zimmer jedoch muss zum Beispiel erst im Hotel oder beim Einkauf nachgefragt werden, wo der Fehler lag – stimmte die Angabe im Katalog nicht, oder hatte der Kunde ein anderes Zimmer gebucht? „Das lässt sich nicht von jetzt auf gleich erledigen.“ Bei Problemen an Fernreisezielen müsse das Beschwerdeschreiben für Nachfragen auf Englisch übersetzt werden. „Und das kostet Zeit.“

Dass Kunden manchmal ungeduldig sind, ist auch die Erfahrung von Thomas Borsch, Leiter der Kundenbetreuung bei Studiosus. „Und die Geschwindigkeit, mit der wir Beschwerden bearbeiten, hat einen großen Einfluss auf deren Zufriedenheit.“ Der Studienreisen-Anbieter mit etwa 100 000 Gästen im Jahr setzt ebenfalls auf Qualitätsmonitoring: Alle Reiseleiter schreiben nach Ende der Reise einen Bericht, alle Gäste bekommen einen Feedback-Fragebogen. Seit vergangenen Oktober werden die Ergebnisse im Internet veröffentlicht.

Wenn es Beschwerden gibt, lässt Borsch bei den Reiseleitern oder den Hotels abgleichen, ob schon ähnliche Kritik zu hören war. „60 bis 70 Prozent der Kundenaussagen bestätigen sich“, sagt er. Manchmal seien die Fälle glasklar – etwa, wenn ein Kunde vom Flughafen abgeholt werden sollte, dann aber ein Taxi nehmen musste, weil der Fahrer im Stau stecken geblieben ist.

„Bei solchen kleinen Mängeln erledigen wir den Fall in maximal einer Woche“, sagt Borsch. Entweder gibt es einen Teil des Reisepreises zurück, wenn ein Mangel vorlag. Bei kleineren Unannehmlichkeiten verschicke man auch mal einen Blumenstrauß oder einen Geschenkkorb. Das ist bei Der Touristik ähnlich: „Wir verschicken auch Bildbände“, erklärt Birgit Leyens-Wiedau, „oder Sektflaschen.“

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