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Keine wie die andere. Mal sind die Mini-Eilande rund, oval oder ellipsenförmig, mal grün bewachsen, felsig karg oder voller Vogelnester. Nur auf 60 der insgesamt rund 6700 Inseln leben Menschen. Die Amtssprache ist Schwedisch, obwohl die Inselgruppe zu Finnland gehört. Friedliches Miteinander wird hier vorgeführt – schon seit langer Zeit.

© imago

Åland-Inseln: In aller Ruhe Wellen zählen

Zwischen Schweden und Finnland liegen die Åland-Inseln. 6700 sollen es sein. Viel los ist da nicht. Den Besuchern ist’s recht.

Wie sie diesseits in den Bach gekommen ist, die Elchkuh, das hat niemand bemerkt. Aber wie sie jetzt die ziemliche Strömung im Schwimmen durchmisst, die staksigen Beine behende ans jenseitige Ufer bringt und hinter Schilfgras und Unterholz verschwindet – das versetzt die Zuschauer in Ahhs und Ohhs. Elche sind auf den Inseln Ålands eigentlich nichts Besonderes, aber sie sind meist so schnell und scheu, dass Touristen sie selten zu sehen bekommen. Zumal dann nicht, wenn die an einer belebten Anlegestelle auf ihr Boot warten.

Die sechsköpfige Gruppe klemmt sich unter das Deck der Felicia, deren Eigner Bengt Gransberg die winzige Insel Enskär im äußersten Westen Ålands ansteuert, rund 40 Kilometer vor Schweden. Vom finnischen Festland im Osten ist die Inselgruppe Ålands etwa 100 Kilometer entfernt. Sie besteht aus rund 6700 Inseln, von denen gut 60 bewohnt sind, durch Brücken und Fähren verbunden, und 28 000 åländischen Bürgerinnen und Bürgern Heimat, Lohn und Brot bieten.

Zum Beispiel im Tourismus – Åland ist ein Sehnsuchtsarchipel für Angler, Segler, Bootsfahrer. Aber auch für passionierte Nichtstuer, die sich in eine der Ferienhausanlagen verkriechen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Etwa wie der Berliner Hendrik Pohl, der als Autoverkäufer in der Metropole so exzellent ausgelastet ist, dass er sich seit zehn Jahren regelmäßig auf die åländische Insel Eckerö zurückzieht, am liebsten im frühen Herbst. Wenn sich Hecht oder Barsch in seine Angelhaken verbeißen – gut so. Wenn nicht, dann reicht es, aufs Wasser zu starren und die Wellen zu zählen.

Zehn Minuten von Süd nach Nord

Ruppige Ostsee. Das Fahrtziel des Tages, der Inselzwerg Enskär, ist seit ein paar Jahren unbewohnt. Bis dahin war die Küstenwache im Schichtdienst besetzt; heute schaut hin und wieder ein Wartungsteam nach der vollautomatischen Radar- und Funkanlage, die sich auf der Insel in den Himmel über der Ostsee reckt. Auf dem halliggroßen Flecken darunter ist es, als ob Bullerbü evakuiert worden wäre. Das halbe Dutzend Schwedenhäuser steht leer. Hinter weißgrau verwitternden Holzwänden und unter ziegelrotem Dach weht ein Gardinentuch wie einladend ins kahle Innere eines verlassenen Hauses.

Zwei Spazierminuten entfernt steht die Jahreszahl 1940 über dem Eingang eines Unterstandes, der in einem Erdwall eingerichtet ist. Dahinter verlassene Kammern, vielleicht für Vorrat, womöglich für Mannschaften. Rundherum ein nordisches Ostseeidyll, jeweils zehn Minuten von Süd nach Nord und von Ost nach West – die Miniaturisierung der Natur Ålands. Zum Meer hin buckelt sich ein 300, 400 Meter breites Ufer aus glattgeschliffenem Granitstein, in den Wind, Sand und Wasser teils schnurgerade Furchen gekerbt haben, die in ebenso geometrischer Anordnung rechtwinklig gekreuzt sind.

Wie aberdicke, monströse Seeelefanten muten die steinernen Kolosse an, kinderpopoglatt und grau, steinernes Fell. Manchmal schimmert rötlicher Granit durch. Das sei Åland-Rapakiwi (Murkstein), sagen Geologen, eine Gesteinsart, die im Zuge der Eiszeit von hier bis aufs europäische Festland gedrückt wurde und als Geschiebe unter anderem in der Lausitz landete.

Köstlich - die Maränen, eine beliebte Anglerbeute

Über derlei Phänomene lässt sich trefflich grübeln, während der Wind durchs Geäst der Birken streicht und Samen von Baumwollgras vor sich hertreibt. Wegen des Sanddorns, der hier üppig wächst, sagt Bengt Gransberg, seien Enskär und die Nachbarinseln bei allen Einheimischen bekannt, und er erzählt von Pfannkuchen, Likören und Desserts, über die sich die Ålander so gerne hermachen. Zum Beispiel im Geschmacksdorf „Smakbyn“ des sogenannten Fernsehkochs Mikael Björklund, der es sowohl in Finnland als auch in Schweden zu Ehren und Preisen gebracht hat.

Im Zentrum der åländischen Insel Saltvik und unweit des Schlosses Kastelholm tischt er Fisch und Fleisch in einem Ensemble auf, das außen an eine westfälische Schützenhalle erinnert und im Inneren die licht- und holzbewehrte Kantine eines schwedischen Einrichtungskonzerns sein könnte. Spezialität: Maränen – sie sind eine beliebte Anglerbeute in und um Ålands Inselwelt.

Während des Fischens und danach empfiehlt sich aus der einheimischen, mittelständischen Brauerei Stallhagen eines der Biere, das Jan Werkström, der Brauereidirektor, im Schankraum seiner kleinen Bierfabrik zeitgeistgerecht als „slow beer“ und „hand made“ anpreist, schön langsam und von Hand gebraut. Die Sorten kann man in der gemütlichen Schankstube der ehemaligen russischen Kaserne durchprobieren, während der Brauereichef über Biermärkte, lokale Schankgewohnheiten und Mixgetränke referiert.

Die meisten Partien aus der Produktion gehen nach Finnland, sagt der gewiefte Marketingmann, der im vorigen Leben ein Investmentbanker war. „Dort wohnen halb so viele Menschen wie in Schweden, aber der Bierkonsum ist doppelt so hoch.“ Der Absatz von zehn Biersorten – von India Pale bis Organic Pils – wächst derzeit um 40 Prozent jährlich; die rund 1600 Investoren und Kleinanleger zumeist aus Schweden und Finnland, dürften hochzufrieden sein.

Man kommt gut miteinander aus

Schweden und Finnland prägen Åland gleichermaßen. Fast alle Bewohner der Inselgruppen sind ethnisch, kulturell und sprachlich gesehen schwedisch. Zu Hause, in Kindergärten und Schulen lernen die Kinder Schwedisch als Muttersprache. Wer anschließend studieren will, den zieht es eher nach Stockholm und Göteborg als nach Turku oder Helsinki. Eher unlustig lernen die jungen Ålander das Finnische – als zweites oder drittes Wahlfach oder dann, wenn sie im prosperierenden Finnland Karriere machen wollen.

Das alles ficht die finnischen Nachbarn augenscheinlich nicht an, obwohl Åland politisch zum Hoheitsgebiet der Republik gehört. Man kommt gut miteinander aus, und die Åländer genießen den Umstand, dass ihre Söhne von der Wehrpflicht entbunden sind, dass sie steuerliche Privilegien haben und dass ihre Inseln ein perfektes Scharnier für die Tourismus-, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Schweden und Finnland abgeben.

Wie sowohl die einen als auch die anderen am Beispiel Åland mit dem Thema Minderheit umgehen, das wird im politischen Europa gerne als Musterbeispiel für den Minderheitenschutz und als Vorbild für eine Alternative zur nationalen Abspaltung in die Kleinstaaterei gepriesen.

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ALLGEMEINES

Die Hauptinsel Fasta Åland mit etwa 90 Prozent der Einwohner liegt im Westen, 40 Kilometer von der schwedischen und 100 Kilometer von der finnischen Küste entfernt. Hier befindet sich die Hauptstadt Mariehamn mit rund 11 000 Einwohnern.

ANREISE

Flugverbindungen gibt es zwischen Stockholm und Mariehamn; Flüge ab Berlin via Stockholm ab rund 500 Euro. Autofahrer erreichen Mariehamn, den zentralen Ort der Inselgruppe, über Fährverbindungen in Rostock und Stockholm. Internet: eckerolinjen.se sowie vikingline.de/reiseziele/aland-inseln

UNTERKUNFT

Auf den Inseln Alands werden zahlreiche Ferienhaussiedlungen und einzelne Cottages angeboten. Einen guten Überblick über das Angebot gibt es im Internet: (teilweise in englischer Sprache): visitaland.com/de/service_category/ferienhauser-ferienhausdorfer. Fündig wird man auch auf der Website der Fährgesellschaft Viking Line: vikingline.de/reiseziele/aland-inseln.

Historisch wohnt man etwa auf Föglö im Gästehaus Enigheten (spätes 17. Jahrhundert). Internet: enigheten.ax

AUSKUNFT

Detaillierte Informationen sowie die Möglichkeiten Broschüren zu bestellen besteht auf der Website visitaland.com

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