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Lieblingshotels: Wartburg: Stille thront oben

Knapp fünf Millionen Besucher pro Jahr, auf der Wartburg ist immer viel los. Wer den Ort genießen will, bleibt über Nacht.

Es gibt viele Hotels auf dieser Welt. Aber in welchen fühlt sich der Gast rundum wohl? Solche „Lieblingshotels“ werden wir von nun an in loser Folge in unserem Reiseteil vorstellen.

Vor knapp tausend Jahren konnten sich Adlige noch erstaunliche Wünsche erfüllen. „Wart’, Berg, du sollst mir eine Burg tragen“, soll der Ludowinger Graf Ludwig der Springer angesichts des 400 Meter hohen Felsplateaus im Thüringer Wald ausgerufen haben. Und verfügte anno 1067 den Bau der Wartburg. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Burg immer wieder umgebaut und restauriert und schließlich, 1999, von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Etwa 450 000 Besucher kommen laut Statistik jährlich zur Besichtigung. In Wahrheit sind es viel mehr. Denn gezählt werden nur jene, die ein Billet lösen, um das prachtvolle Landgrafenhaus, den Palas, die verschiedenen Säle und natürlich die Lutherstube in Augenschein zu nehmen. Die Burghöfe aber darf man gratis durchschlendern, und auch der grandiose Blick von der Schanze übers Land kostet nichts. Nur: Man kann ihn selten in Stille genießen. Es sei denn, man bleibt über Nacht.

„Ab 17, 18 Uhr wird es hier sehr ruhig“, sagt Markus Buchhagen, Direktor des Hotels auf der Wartburg. Vor zwei Jahren übernahm er den Posten und gibt freimütig zu, sich hier nachts schon ordentlich gegruselt zu haben. „Da hören Sie Eulenschreie“, sagt er, und sobald es dämmere, flatterten Dutzende Fledermäuse umher. „Es ist besser die Fenster zu schließen“, sagt eine Mitarbeiterin lächelnd. Es sei schon vorgekommen, dass sich ein Tier ins Zimmer eines Gastes verirrt habe.

So unwirtlich es draußen an Herbst- und Wintertagen werden kann, so gemütlich ist es drinnen. 35 schlicht, aber behaglich eingerichtete Gästezimmer gibt es. Schöne Holztüren verschließen sie, innen dominieren warme Gelb- und Orangetöne, die Muster auf Polstermöbeln und Vorhängen sind dezent. Alle Zimmer sind mit Aussicht. Einige geben den Blick frei auf die Stadt, andere zeigen Ausschnitte der Burg oder – märchenhaft – die hügeligen Weiten des Thüringer Waldes.

Diese Aussicht genießen die Gäste auch im Restaurant, der „Landgrafenstube“. „Bei den Reservierungen fragen die Gäste sogar abends oft nach einem Tisch am Fenster“, sagt Buchhagen amüsiert, denn dann sähe man doch draußen eh nichts mehr. Dann zählt nur, was auf den Tisch kommt. Steinbeißer auf würzigen Linsen mit Kräuteröl zum Beispiel, oder Kalbsrücken an getrüffeltem Blumenkohlmus. Mit Peter Thiel steht ein gebürtiger Eisenacher am Herd, den es nach mehreren Stationen in anderen namhaften Häusern wieder in seine Heimat zurückzog. Und der weiß, dass die Gäste gern Regionales probieren. Eine feine Thüringer Zwiebelsuppe empfiehlt er ihnen zum Beispiel, und danach Sauerbraten mit Rosenkohl und Thüringer Kloß. Dazu passen Weine, die im Landstrich gewachsen sind. Grauburgunder vom Weingut Claus in Bad Sulza etwa, oder ein Blauer Zweigelt vom sächsischen Landesweingut Kloster Pforta.

Seit 1914 existiert das Hotel auf der Wartburg. Ein Neubau, der den vormaligen Wartburggasthof, dem Besucheransturm nicht mehr gewachsen, ersetzen sollte. Behutsam ging man zu Werke. Der Baugrund an der Nordflanke des Berges wurde bis zu zehn Meter tiefer gelegt. So konnte die Burg weiter für sich allein wirken. Damit sich aber alles doch zu einem harmonischen Ensemble vereinen konnte, nutzte man für den Hotelbau den an Ort und Stelle gebrochenen Stein. Nun wirkt alles fast wie aus einem Guss.

Das Standesamt Eisenach hat im Hotel auf der Wartburg eine Nebenstelle aufgemacht, Hochzeiten hoch über der Stadt sind beliebt. Gern wird dann im Wappensaal gefeiert, dessen Bemalungen vom Beginn des 20. Jahrhunderts die Eheleute allerdings ins Grübeln bringen könnten. Da gibt es etwa den „Baum der Treue“, in dem bereits der Wurm sitzt. Ein Rabe bemüht sich, ihn aus dem Stamm zu ziehen. Erfolglos, offenbar. Das Ehepaar in der Baumkrone tanzt hingebungsvoll, doch eine verliebte Jungfrau und künftige Nebenbuhlerin ritzt schon den Namen des Mannes in die Baumrinde.

Im Grunde ist das ruhige Hotel ein idealer Ort für Langschläfer. Doch die verpassen dann jene mystischen Morgenstunden, in denen der Nebel über dem Thüringer Wald heraufzieht. Und sie mutterseelenallein durchs Burggelände streifen können, lange bevor die Tagestouristen zu den Führungen kommen. Dann könnte der Gast zu einer Wanderung aufbrechen – der Rennsteig ist nah. Oder er zieht sich in sein Zimmer zurück, zum Lesen, Schreiben oder Meditieren. So wie es Luther hier oben vor bald 500 Jahren getan hat. In der Burgschenke kann man ein Glas trinken auf den frommen Mann – oder einfach nur eine gute Bratwurst essen.

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