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Der Schießentümpel ist eine romantische Reminiszenz an die ersten Sommerfrischler vor über 100 Jahren.

©  Wolfgang Felk

Luxemburg: Im Gänsemarsch zu den Felsriesen

Raue Schluchten, romantische Täler und eine gute Küche: Das Müllerthal in der „Kleinen Luxemburger Schweiz“ muss nicht mit Zweitausendern protzen.

Gut 80 Kilometer lang, knapp 60 Kilometer breit – ein geübter Wanderer durchquert das kleine Großherzogtum in wenigen Tagen. Und streift dabei durch wunderbare, ganz eigenwillige und abwechslungsreiche Landschaften. Im Norden durch das einsame, rustikale Hügelland der Ardennen. Im „Land der Roten Erde“ ganz im Süden durch renaturierte Erzbergbau- und Eisenhütten-Reviere. An der Mosel durch sonnige Weinberge und mitten in der Hauptstadt auf steilen Pfaden durch die Reste der mittelalterlichen Festung.

Richtig aufregend und abenteuerlich aber wird es mitten im Land, in der „Kleinen Luxemburger Schweiz“ im Müllerthal bei Echternach. Da stehen zwar keine Zweitausender am Wegesrand, dafür aber haufenweise zerklüftete Riesen-Felsen, enge Schluchten und Höhlen, die ein Ur-Meer hier vor Jahrmillionen aus dem weichen Sandstein gefräst hat. Verwegene Gesellen mit sprechenden Namen wie „Werschrummschlüff“, „Predigtstuhl“, „Deiwepetz“ oder „Härgottskapp“ lauern da mitten im Wald. Nichts für gemütliche Sonntagsspaziergänge, da braucht es schon etwas Kondition, Geschicklichkeit und ein bisschen Mut, um es mit ihnen aufzunehmen.

Wir beginnen unsere Felsentour mit dem Auto. Hinter Echternach führt eine gewundene Straße aus dem Tal der Sauer durch den Wald hoch nach Berdorf. Auf der linken Seite plätschert der Aesbach ins Tal, auf der rechten stehen hart am Straßenrand die ersten Felsenriesen Spalier und blicken bedrohlich auf die Anreisenden in ihren Gefährten. Das war schon vor über 100 Jahren so, als die ersten Touristen kamen, vorneweg die Niederländer, die sich wohl schon im Hochgebirge wähnten und der „Kleinen Luxemburger Schweiz“ ihren Namen gaben.

Oben in Berdorf, auf einem Hochplateau über den Wäldern, stehen in der Hauptstraße noch Hotels aus dieser Zeit. Einige etwas in die Jahre gekommen, andere durch schicke Umbauten der neuen Wander-Klientel angepasst.

Vom "Aquatower" aus blickt man auf den einstigen Meeresgrund

Hier oben hat man auch den besten Überblick über die ganze „Region Müllerthal“ – auf dem „Aquatower“, einem nagelneuen, zylinderförmigen Turm mitten auf der grünen Wiese vor dem Dorf. Innen pumpt er (unsichtbar) Wasser hoch und runter, parallel dazu befördert ein Aufzug die Besucher auf eine rundum verglaste Aussichtsplattform in 55 Metern Höhe. Mit Panoramablick übers sanft gewellte Land, den einstigen Meeresgrund, der – so sieht’s von hier oben aus – vom endlosen Grün der Wälder und Felder neu geflutet wurde.

Hinter den letzten Wipfeln im Westen liegt Echternach, das kleine Abteistädtchen im Tal der Sauer, berühmt für seine sprichwörtliche Springprozession, bei der am Dienstag nach Pfingsten 10 000 Pilger zu Ehren des Heiligen Willibrord beschwingt um und durch die Abteikirche hüpfen, dass einem schon beim Zuschauen ganz schwindlig wird.

Das kann einem auch passieren, wenn man jetzt endlich tiefer eintaucht in die Felsenwelt des Müllerthals. Hinter Berdorf parken wir das Auto unter einem Felsvorsprung, der sich kühn und gebieterisch über die halbe Straße wölbt. Jetzt juckt es in den Beinen: Nichts wie hoch auf den „Predigtstuhl“! Gut abgesichert über eine neue Alu-Treppe, dennoch wird’s einem ein wenig mulmig, wenn man durch die offenen Sprossen nach unten schaut. Oben auf der Kanzel ist man dann ganz auf Augenhöhe mit den Baumwipfeln und könnte wie der Heilige Franziskus zu den Vögeln predigen. Aber es sind nur noch ein paar Krähen da, krächzende Vorboten des Winters.

Noch ein Viertelstündchen, dann lockt die "Heringer Millen"

Unten direkt neben dem Predigtstuhl eine tiefe Kerbe im Sandstein, da geht es rein in die „Werschrummschlüff“, eine schmale Schlucht, durch die man sich im Gänsemarsch durchzwängen muss. Links und rechts ragen die Felsen hoch, scheinen direkt in den Himmel zu wachsen. Oben öffnet sich eine zauberhafte Lichtung zwischen Wald und Felsen, versunken unter einem Teppich aus bunt schillerndem Herbstlaub. Herrlich. Wer will, kann man von hier aus endlos weiterwandern auf dem „Müllerthal Trail“, der sich über drei Routen von insgesamt 112 Kilometern Länge kreuz und quer durch die Gegend schlängelt. Ergänzt wird er von vier kürzeren Extratouren, alle gut ausgeschildert, damit sich keiner verirrt im Wald-Felsenlabyrinth.

Wir nehmen uns die Freiheit, nur ein paar Filetstückchen des Trails rauszupicken. Fahren weiter längs der „Schwarzen Ernz“, ein Bach, der zum „Schießentümpel“ führt, das Wahrzeichen der Müllerthal-Region: ein kleiner, künstlich angelegter Wasserfall – romantische Reminiszenz an die Zeit, als sich die ersten Niederländer hier schwindlig wanderten. Ein Viertelstündchen zu Fuß am Bach entlang und man kommt zur „Heringer Millen“, eine ehemalige Getreidemühle aus dem 17. Jahrhundert. Heute schwingt im schön restaurierten Ensemble Lars Fiebig das Küchenzepter, ein junger Koch, der Deftiges für Wanderer, aber auch Vorzügliches für Gourmets auf und in der Pfanne hat. Welch glückliche Fügung, das jetzt gerade Mittag ist…

Ein höhlenartigen Gang, es wird stockduster

Nach dem Kaffee noch schnell einen Blick ins „Tourist Center Heringer Millen“ nebenan. Das ist das Revier von Robi Baden, dem Herrn der Felsen und Wälder im Müllerthal. Er macht geführte Wanderungen mit Brotbacken und Picknick im Wald. Auch vollständige Trekking-Outfits von den Schuhen über Rucksack und Fernglas bis zum GPS-Gerät kann man hier ausleihen. Kostenlos. Uns empfiehlt er, unbedingt eine Taschenlampe mitzunehmen und vielleicht eine gescheite Outdoor-Jacke, denn wir wollen uns am Nachmittag mit das Anspruchsvollste zumuten, was das Müllerthal zu bieten hat. Wir fahren noch ein kurzes Stück durch den Herbstwald. An der „Consdorfer Millen“ geht es am Hang einen Pfad hoch zum „Rittergang“.

Wieder zwängen wir uns in einen Felsspalt, noch enger und tiefer als in der Werschrummschlüff am Vormittag. Noch schwebt der Blick frei nach oben in den Himmel, das ändert sich erst im „Deiwepetz“, der nächsten „Schikane“ ein paar Wegwindungen weiter oben. Da taucht man zum ersten Mal richtig ein in einen höhlenartigen Gang, es wird stockduster zwischendurch, wir sind dankbar für Robis Tipp mit der Taschenlampe (eine Handylampe tut’s aber auch zur Not). Man kommt sich hier tatsächlich vor wie ein Ritter, der drei Mal seine Tapferkeit unter Beweis stellen muss, bevor er die Gunst der Prinzessin gewinnt. Und die Aufgaben werden immer kniffliger: In der „Kuelscheier“ windet man sich noch mal in einen Höhlengang, der gar kein Ende nehmen will. Fällt uns jetzt gleich die Decke auf den Kopf? Klaustrophobische Ritter haben hier keine Chance.

Wir Mutigen, die wir die Probe bestanden haben, warten jetzt auf die Belohnung. Doch keine Prinzessin, das war zu befürchten, wartet am Ende des Tunnels. Stattdessen regt sich der Wunsch, noch mal reinzuschauen in die „Heringer Millen“. Die Patisserie dort soll auch vom Feinsten sein. Und Jacke und Taschenlampe müssen wir ja auch noch abgeben in Robis Revier.

ÜBERNACHTEN

Speziell für Wanderer: www.trail-inn.lu

Gediegen mit Spa und Wellness: www.hotel-belair.lu

WANDERN OHNE GEPÄCK
www.trailhotels.lu

INFO
www.mullerthal.lu

www.mullerthal-millen.lu

www.heringer-millen.lu

Wolfgang Felk

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