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Madeira: Fahrstuhl zum Meer

Vorn das Wasser, hinten die Felswand: Keine Ferienanlage auf Madeira liegt so faszinierend abgeschieden wie Faja dos Padres.

Kerstin Westberg ist begeistert. „Das ist ja wie im Garten Eden hier“, freut sich die schwedische Touristin. Vor einer Stunde ist sie in Funchal gelandet. Jetzt spaziert sie schon durch den tropischen Garten von Faja dos Padres, einem der vielleicht schönsten Urlaubsdomizile auf Madeira. Die isolierte Lage macht’s. Die winzige Feriensiedlung liegt am Fuße einer fast senkrechten Felswand. Wie ein Bollwerk riegelt sie den nur 100 Meter schmalen Küstenstreifen von der Außenwelt ab. Damit wird Faja dos Padres gewissermaßen zu einer Insel auf der Insel. Diese Exklusivität ist auch auf Madeira nicht einfach zu finden.

Wer hier seinen Urlaub verbringen will, muss zunächst sein Leihauto zurücklassen. Wenn er überhaupt eins gemietet hat. Denn ans Ziel führt nur ein Aufzug. Rund vier Minuten dauert die Fahrt 300 Meter hinab zum Meer. Menschen mit ausgeprägter Höhenangst erscheint dies wie eine Ewigkeit. „Ich habe die Augen zugemacht“, gesteht Kerstin Westberg. Doch die meisten Gäste genießen den atemberaubenden Ausblick aus der rundum verglasten Kanzel. Die rumpelt ächzend an einem Stahlgerüst, das fest in der schroffen Felswand verankert ist, in die Tiefe. Die notwendige Energie bezieht der Lift ebenso wie die gesamte Feriensiedlung höchst ökologisch aus Wasserkraft. Mehr als ein Jahr dauerte der Bau dieses angeblich höchsten Panoramalifts Europas.

Früher, das heißt bis 1998, gelangte man nur auf einer gefährlichen Klettertour nach Faja dos Padres. Oder eben übers Meer, mit dem Boot, wie die Jesuiten, die sich hier im 16. Jahrhundert ansiedelten und ihr Refugium fanden. Böse Zungen behaupten, diese Männer seien in diese Abgeschiedenheit geschickt worden, weil sie es mit dem Zölibat nicht so genau nahmen.

Eine Oase der Ruhe ist Faja dos Padres bis heute geblieben. Kein Laut dringt hinab von der vierspurigen Autobahn, die sich 250 Meter oberhalb durch die Berge frisst. Seit rund 80 Jahren gehört das Land der Familie Fernandes. Sie betreibt ein Strandrestaurant und vermietet fünf kleine Ferienhäuser, die verstreut in einer 13 Hektar großen Obstplantage liegen. Das ganzjährig milde Klima lässt Bananen, Mangos, Passionsfrüchte, Papayas und Surinam-Kirschen gedeihen. Und einen besonders guten Wein, die Leidenschaft von Familienoberhaupt Mário Jardim Fernandes. Über den Wein redet der Elektroingenieur viel lieber als über die immensen Kosten für den Lift.

Seine Familie setzt die Tradition der Jesuiten fort, die hier einst Reben aus Kreta pflanzten und daraus den angeblich besten Wein Madeiras kelterten. Dann fielen die Rebstöcke einer Pflanzenseuche zum Opfer. Doch seit mehr als 20 Jahren baut die Familie Fernandes hier wieder den Malvasier-Wein an. „Er ist ein Elixier der Götter“, schwärmt der Hobbywinzer.

Einige Hektoliter des süßen Malvasiers reifen inzwischen in dem dunklen Gewölbe unter der einstigen Kapelle der Jesuiten. „Der älteste Jahrgang stammt von 1990“, erzählt Fernandes. Der leitende Angestellte bei den Elektrizitätswerken von Madeira kommt fast jedes Wochenende hierher. Dann trinkt er das eine oder andere Glas und lauscht dabei seiner geliebten Opernmusik. „So kann ich am besten abschalten“, sagt er.

Angeboten wird der Wein auch im Strandrestaurant von Faja dos Padres. Kerstin Westberg hat sich mit ihrem Mann eine Flasche bestellt und wird schnell beschwipst. Kein Wunder bei einem Alkoholgehalt von 17 Prozent.

Wer nach dem Genuss des Weins vor der Küste das Columbus-Schiff „Santa Maria“ kreuzen sieht, der hat aber nicht zu viel getrunken. Es handelt sich allerdings nicht um das Original, sondern nur um eine Kopie, die für die Expo 1998 in Lissabon nachgebaut wurde und jetzt als Touristenattraktion dient.

Entstanden ist das Segelschiff im nahen Städtchen Camara de Lobos, das durch den englischen Premierminister Winston Churchill weltbekannt wurde. Der reiste im Winter 1950 hierher, um mit seiner für ihn charakteristischen Zigarre im Mund den kleinen Fischereihafen zu malen.

Das Leben der Fischer hat sich bis heute kaum verändert. Sie angeln vor allem Thunfisch und Espada, den schwarzen Degenfisch, und beliefern auch das Restaurant von Faja dos Padres. Zum Nachtisch gibt es selbst gemachtes Eis aus den exotischen Früchten des Gartens. „Manche nennen es scherzhaft Bibel-Eis“, erzählt Kellner Nelson Aveiro.

Das unter Palmen gelegene Lokal wird gern auch von Einheimischen und Touristen aus Funchal besucht. Viele Tagesgäste kommen nur zum Schwimmen oder Sonnen nach Faja dos Padres, einem der wärmsten Flecken der Insel. „Hier unten liegt die Temperatur um fünf Grad höher, weil die Felsen die Sonnenstrahlen reflektieren“,weiß Nelson.

Um 18 Uhr macht das Restaurant bereits dicht. Dann entschweben die letzten Tagesgäste und auch die Angestellten mit dem Lift nach oben. Die wenigen Mieter der Ferienhäuser sind nun unter sich. Besuch gibt es nur von den beiden frechen Katzen und dem gutmütigen Labrador „Lord“, der gerne vor der Haustür schläft. Nachtleben hat der Ferienort nicht zu bieten. Da gibt es im nahen Funchal bedeutend mehr Abwechslung. Wer sich in Faja dos Padres einmietet, sucht dagegen die Abgeschiedenheit und Begrenzung. „Wir haben Gäste, die verbringen den ganzen Urlaub hier unten“, berichtet Nelson.

Geboten wird immer das Gleiche: traumhafte Sonnenauf- und -untergänge, mit viel Glück ein paar Wale in der Ferne, nachts die eine oder andere Sternschnuppe. Das Ganze wird untermalt von einer Sinfonie aus Brandung, Wind und dem melancholischen Schreien der Möwen. Kein nerviges Gedudel tausendmal gehörter Popmusik aus Hotellautsprechern stört das Konzert der Natur.

Faja dos Padres liegt zwar isoliert, aber gleichzeitig sehr verkehrsgünstig. Der Parkplatz an der Bergstation des Lifts ist nur wenige hundert Meter von der Autobahn entfernt. Von hier aus erreicht man innerhalb einer Stunde fast jeden Punkt der Insel. Möglich machen dies die vielen neuen Schnellstraßen und Tunnel, die das gebirgige Madeira durchlöchern wie einen Schweizer Käse.

Auch für Wanderungen in der faszinierenden Bergwelt Madeiras ist Faja dos Padres ein idealer Standort. Kaum eine andere Insel bietet ein so dichtes Netz von Wanderwegen. Die meisten Pfade führen entlang den Levadas, einem in Europa einzigartigen, rund 1400 Kilometer langen Netz von Kanälen. Diese leiten das Wasser aus dem feuchten Norden in den trockenen Süden Madeiras.

Nur einen Katzensprung ist es von Faja dos Padres ins quirlige Funchal mit seiner verwinkelten Altstadt, den üppig blühenden Parks und dem noblen Villenvorort Monte. Obwohl gerade einmal zehn Kilometer vom touristischen Zentrum Madeiras entfernt, scheint Faja dos Padres wie auf einem anderen Planeten zu liegen. Einige Gäste, darunter viele Deutsche, zieht es immer wieder hierher. „Manche melden sich bei ihrem Urlaub bereits für das folgende Jahr an“, erzählt Kellner Nelson Aveiro. Auch er ist noch immer begeistert von diesem Ort. „Es ist einer der besten Arbeitsplätze auf Madeira“, sagt der junge Mann lächelnd.

Tipps für Madeira

ANREISE

Nonstop ab Tegel mit Air Berlin in 4 Stunden 40 Minuten für 397 Euro Mitte Februar.

KLIMA

Im Winter milde 19 Grad mit zum Teil ergiebigen Niederschlägen, im Sommer erträgliche 26 Grad.

UNTERKUNFT

In Fajã dos Padres wohnen Gäste recht einfach, doch dafür originell. Bis Juni kostet das Doppelzimmer in einem der historischen Häuser 95 Euro pro Nacht, wer länger als sechs Nächte verbringt, zahlt 85,50 Euro.

Das Restaurant serviert eine Auswahl ursprünglicher Gerichte aus der Küche Madeiras, unter anderem Thunfisch und anderen Frischfisch. Dazu Desserts aus selbst gezogenen Früchten.

SEHENSWERT

Wanderer bevorzugen den Winter und finden zahlreiche gut markierte Wege.

VERANSTALTER

Die Atlantikinsel wird fast ausschließlich pauschal gebucht. Angebote für eine Woche (Flug und Hotel) gibt es ab rund 500 Euro pro Nase.

AUSKUNFT

ICEP Portugiesisches Handels- und Touristikamt, Zimmerstraße 56, 10117 Berlin; Telefon: 01 80 / 500 49 30 (0,14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz), Internet:

www.visitportugal.com

Ulrich Willenberg

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