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Malta

© Malta Tourismus

Malta: Die Olivenbäume des Gladiators

Trutzige Häfen, mächtige Forts, alte Gemäuer: Malta ist gut gebucht als Filmkulisse. Manchmal bleiben die Requisiten da.

Süßer Hefegeruch liegt in der stickigen Luft. Alles ist mehlüberstäubt: der große Trog mit dem blassen Teigwulst darin, die groben Holztische, die langen Schuber für das fertige Brot, der Fliesenboden. Und natürlich Manoel Zammit selbst. Er trägt kurze Hosen und einen enormen Bauch. Unter dem ergrauten Lockenkopf strahlen lustige Augen. Schon als Kind ging er in dieser Backstube in Valetta seinem Vater zur Hand, erzählt er. Und der dem Großvater. Und so fort. Viel, so scheint es, hat sich an diesem Ort auf Malta seither nicht verändert.

Die Bäckerei Zammit liegt in einer dieser Straßen, die aussehen wie die von San Francisco: Es geht ständig auf und ab – so steil, dass manchmal nur noch Treppen helfen. Die Hausfassaden leuchten in warmen Ockertönen. Daran kleben lauter bunte Holzerker, als seien es Schwalbennester. Von überallher lugt das Meer in die Stadt, die auf einer schmalen Landzunge liegt. So wollten es die Ritter, denen die felsige Insel Malta einst gehörte und die dafür dem Kaiser nicht mehr zu bezahlen hatten als einen Falken in jedem Jahr.

Der Malteser Falke war jene bescheidene Gabe, für die Karl V. den Johannitern 1530 das unbedeutende Eiland, das sonst niemand haben wollte, zum Lehen gab. Ohne Zeit zu verlieren, gingen die Ritter ans Werk und taten, was Ritter so tun: Sie bauten mächtige Festungen. Bis heute beherrschen sie die Küstenlinie und ganz besonders den Grand Harbour, einen der beeindruckensten Naturhäfen der Welt. Nicht weniger als drei Forts hat man im Blick von der Gartenterrasse der Lower Baracca Gardens. Die frische Brise vom Meer zaust die Haare, kräuselt das Wasser und fährt rauschend in die Palmwedel des lauschigen Parks.

„Der Wind ist unser Freund“, sagt Roger Aquilana, „er schützt unsere Reben vor Ungeziefer.“ Aquilana ist Chefwinzer des noch jungen Weinguts Meridiana im Herzen der Mittelmeerinsel. Das genießt mittlerweile auch international einen ausgezeichneten Ruf. Denn hier kommt nur in die Flasche, was auch wirklich auf eigenem Boden gereift ist. Auf Malta ist das keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Wo maltesischer Wein draufsteht, sind oft genug vor allem französische oder italienische Trauben drin.

Dabei sind die natürlichen Voraussetzungen ideal. „Das Klima ist so konstant, da wächst der Wein praktisch von alleine“, erklärt Roger Aquilana bescheiden. Arbeit gibt es dennoch genug, besonders zur Erntezeit. Die beginnt hier mehr als einen Monat früher als anderswo in Europa, also schon Ende Juli, während der größten Sommerhitze. Und damit die Trauben nicht verderben, müssen sie binnen 15 Minuten im Kühlraum der Weinkellerei sein. Der flache Neubau hält alles bereit, was ein moderner Betrieb dieser Art braucht: gekühlte Stahlzylinder, unterirdische Gewölbe für die Eichenfasslagerung und natürlich eine Probierstube.

Den Eingang des Hauses bewachen zwei griechische Olivenbäume aus dem Hollywood-Film „Der Gladiator“, die Roger Aquilana dem Drehteam nach Abschluss der Aufnahmen auf Malta abkaufte – gegen Wein natürlich.

Vielleicht hat er damit ganz nebenbei einen neuen Absatzmarkt aufgetan. Immerhin macht die internationale Filmindustrie regelmäßig auf Malta Station. Als Kulisse besonders beliebt: die altehrwürdige Stadt Mdina. In Sichtweite des Meridiana-Weinguts thront sie majestätisch auf einer schroffen Felskuppe und bietet einen weiten Blick über die ganze Insel: von der baumlosen Gartenlandschaft im Zentrum über die sich immer weiter ausbreitenden Städte um die Hafenbuchten des Grand Harbour und des Marsamxett Harbour bis zum allgegenwärtigen Mittelmeer.

Und es gibt noch ein Meer, das man von hier oben erahnen kann: das der Kirchen. Rund 365 sollen es angeblich sein, so viele, wie das Jahr Tage hat. Das klingt irgendwie verdächtig, aber selbst wenn es nur 316 wären, ergäbe das immer noch eine Kirche pro Quadratkilometer. Eines ist jedenfalls klar: Die maltesischen Inseln sind von frommen Menschen besiedelt, und Frömmigkeit ist hier in der Regel gleichbedeutend mit römisch-katholisch. Zu den Sonntagsmessen strömen so viele Gläubige, dass manche nicht mal mehr einen Sitzplatz bekommen. Jedes Dorf, jedes Stadtviertel hat seinen Schutzheiligen, der Jahr um Jahr mit großem Pomp gefeiert wird.

Bei so viel Gottesfurcht kann ein bisschen Aberglaube nicht schaden, erst recht, wenn er zu einer Art Markenzeichen geworden ist. Warum auch sollten die maltesischen Fischer aufhören, zur Abwehr von Gefahren ein wachsames Augenpaar auf den Bug ihrer Boote zu pinseln? Das haben schon die Phönizier getan, und die waren bekanntlich das erfolgreichste Seefahrervolk der Antike. Sicher hätten sie ihre helle Freude an dem kleinen maltesischen Hafen Marsaxlokk, dessen Name gar nicht so unaussprechlich ist, wie er aussieht, wenn man weiß, dass das „X“ wie ein ganz normales „Sch“ ausgesprochen wird. Dort, in Marsaxlokk, tanzen Dutzende bunt bemalter Boote auf dem Wasser, und alle tragen sie die phönizischen Augen. Die kleinen Boote werden Dghajsa, die großen Luzzu genannt.

Ein Luzzu hat immer ein Kajütenhaus. So wie das Boot von Leonhard Caruana, der gerade dabei ist, gemeinsam mit seinen beiden Söhnen und seiner Tochter Eufemia Makrelen und Seebarben auszunehmen. Sieben Stunden waren sie draußen, bis zum Mittag. „30 Kilo, ein guter Tag“, sagt Leonhard Caruana zufrieden und weist auf die Körbe mit dem frischen Fang. Den verkauft er auf dem Fischmarkt oder direkt an die Restaurants.

Eines davon betreibt Rizzu. Rizzu kennen in Marsaxlokk alle, weil er in seiner Jugend mal von Malta nach Sizilien geschwommen ist und weil er selbst Fischer war. Schon mit 14 Jahren besaß Rizzu sein eigenes Luzzu, später sogar mehrere. Nach 50 Jahren nahm er sein Geld und machte ein Fischrestaurant der besten Sorte auf, mit einfacher Ausstattung und traditioneller Küche. Natürlich liegt es direkt am Hafen. Daneben dümpeln die Boote und blicken den Gästen mit großen Augen auf die Teller.

Lorenz Töpperwien

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