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Besuch vom Hasen. Dass die Brücke zum Spielplatz wird, ist die Ausnahme auf einem Schiff. Viel Aufmerksamkeit für kleine Gäste gehört allerdings zum Kreuzfahrtkonzept. Gut, wenn auch der Kapitän mitspielt. Foto: picture-alliance/gms

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Reise: Mehr Piraten aufs Sonnendeck

Reedereien buhlen um Familien – und locken mit ausgefeilten Angeboten für Kinder. Schließlich sind die Kleinen die Kunden von morgen

Die Zeiten sind vorbei, als ein Siebenjähriger warten musste, bis er 70 ist, um auf Kreuzfahrt zu gehen. Schulferien bedeuten auch auf Schiffen immer mehr: volles Familienprogramm. Auf der Fahrt durch das östliche Mittelmeer ist zur Ferienzeit nicht selten ein Drittel der 2000 Passagiere auf der „Aida diva“ jünger als 18 Jahre. An Bord seiner Schiffe gebe es Piratenpartys, Bordsafaris, Kindershows oder Minidiscos, sagt Jörg Eichler, Senior Vice President bei Aida Cruises.

Erster Anlaufpunkt an Bord ist der Kidsclub mit eigenem Theater und eigenem Pool. Im Heck auf Deck 5 wird gebastelt, gemalt, gespielt. Und es wird geprobt: die eigene Kindershow, die dann im Erwachsenen-Theatrium aufgeführt wird. Die Jüngsten bekommen Raum an Bord. Die Kindercrew betreut den Nachwuchs fast rund um die Uhr, falls die Eltern an Land ihre Runden auf dem Golfplatz drehen wollen. Und das ist nicht nur bei der Reederei aus Rostock so.

Auch Tui Cruises hat beim Umbau ihres ersten Schiffes den Kidsclub nicht vergessen. Und selbst der Kapitän muss sich um die Jüngsten kümmern. Denn ein Siebenjähriger, der auf der Brücke per Knopfdruck das Schiffshorn betätigen darf, wird seine Eltern so lange beknien, bis sie die nächste Reise buchen. Auf demselben Schiff, versteht sich für die Marketingstrategen. Kundenbindung schon für die Kleinsten, die auf Wiederholung zielt: Junge, komm bald wieder.

Auf Wunsch werden auf „Mein Schiff“ die Kinderbetten in den Kabinen mit „Captain Sharky“-Bettwäsche bezogen. Piraten sind schon seit Jahren der größte Trumpf an Bord. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Kinderschar von Freibeutern die Sonnendecks der großen Kreuzfahrtschiffe entert. Bei Aida bestehen die Maskottchen aus den vier Buchstabenfiguren, namens Alwine, Itzi, Dodo und Achwas.

Die Amerikaner von Disney Cruise müssen sich um ihre Protagonisten keine Sorgen machen. Mickey Mouse & Co sind seit Jahrzehnten auf dem Festland erprobt. Und jetzt gehen sie immer öfter auf Seereise: Mit der „Disney Dream“ wurde im vergangenen Jahr bereits das dritte Familienschiff zu Wasser gelassen, gebaut auf der Meyer-Werft in Papenburg. Das Schwesterschiff „Disney Fantasy“ folgt in diesem April. Familien mit Kindern finden an Bord alles vom Goofy-Pool bis zur Cinderella- Show.

Orlando auf dem Ozean auch bei NCL: Der Aqua Park ist die High-Tech-Badeanstalt für Kinder und Jugendliche. 61 Meter lang ist die „Epic Plunge“, eine Röhrenrutsche, die gleich über mehrere Decks in die Tiefe führt.

Digital geht es auf den Schiffen von MSC zu. An den Wii-Stationen wird die Fernbedienung zum Tennisschläger oder zum Boxhandschuh. So manche Jugendliche simulieren den halben Urlaub den sportlichen Wettkampf vor dem Flatscreen. „Ein besonderes Highlight auf den großen Schiffen ,Fantasia‘ und ,Splendida‘ ist der Formel-1-Simulator“, sagt Falk-Hartwig Rost, Deutschland-Chef des italienischen Unternehmens. Dass der aktuelle Weltmeister aus Deutschland kommt und nicht Ferrari fährt, hat sich bisher nicht nachteilig auf das Verhältnis zwischen Crew und Passagieren ausgewirkt.

Das Luxussegment der Kreuzfahrt hat ein eher distanziertes Verhältnis zum Nachwuchs. Ob auf „Silversea“, „Seadream“ oder „Seacloud“: Kinder werden hier nur geduldet. Aber eigentlich stören sie das teure Urlaubsvergnügen der Passagiere.

Ausnahme: Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten. Zumindest auf der „Columbus“ und der „Europa“ stehen spezielle Familienreisen auf dem Programm. Die Trümpfe sind nicht so sehr die kindgerechte Hardware. Auf der „Europa“ gibt es einen kleinen Kids- und einen Jugendclub, auf der „Columbus“ fehlt der ganz. Dafür legt sich die Crew umso mehr ins Zeug: mit Schlauchboottouren in den Zodiacs oder Kajakfahrten für die ganze Familie. Nach dem Motto: mehr Natur, weniger Spielekonsole.

Ein weiterer Trend sind Themenreisen mit kinderspezifischen Inhalten. Aida zum Beispiel bietet in den kommenden Herbstferien ein Fußballcamp mit Rainer Bonhof. Mit dem Weltmeister von 1974 kreuzen Kinder und ihre Eltern durch das Mittelmeer. Gespielt und trainiert wird unter anderem auf Plätzen in Barcelona und Valencia. Selbst für Bundesligaprofis nicht die schlechtesten Adressen. Bei Tui Cruises können die Jüngsten in den Sommerferien mit Olympiasiegerin Anja Fichtel fechten üben. Oder im Kinderkochkurs lernen, dass es mehr gibt als Pizza, Pommes und Spaghetti.

Und was kostet eine Kreuzfahrt mit Kindern zusätzlich? Bei Costa reisen bis zu zwei Kinder bis 18 Jahre kostenlos in der Elternkabine.

Das gilt auch bei MSC, allerdings nur für Kinder bis elf Jahre. Auf der „Columbus“ von Hapag-Lloyd fahren Kinder bis 15 Jahre in der Kabine von zwei Erwachsenen kostenlos mit, für die „Europa“ gilt der Kinderpreis von 60 Euro pro Tag.

Kleinkinder bis zwei Jahren reisen bei Aida grundsätzlich gratis. Das gilt auch für Kinder bis 15 Jahre als dritte und vierte Person in der Elternkabine – allerdings abhängig von der Saison. Die Betreuung des Nachwuchses während der Öffnungszeiten der Kidsclubs ist gratis. Die Preise für organisierte Landgänge sind zwar für Kinder reduziert, aber solche Ausflüge können das Ferienbudget stärker belasten. In der Regel kommt ein Mietwagen für eine vierköpfige Familie deutlich günstiger.

Uwe Bahn

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